Ohne Worte
RABATZ! von  Herbert Fritsch
 
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 Elias Eilinghoff in Rabatz! von Herbert Fritsch & Ensemble im Schauspiel Köln | Foto © Marcel Urlaub
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 Kunstblut, grelle Schminke und freudiges Gegröle beherrschten am vergangenen Freitagabend das Bild der Domstadt. Auf der Fahrt nach Köln stimmten uns für Halloween verkleidete Bahnmitreisende und Passanten unabsichtlich auf eine mit Rabatz! betitelte Uraufführung von Herbert Fritsch ein, der neben der Regie auch das Bühnenbild und die Kostüme besorgte. Der Titel lässt sich aus dem Berlinerischen Dialekt und vom polnischen Wort rąbać („schlagen“, „hauen“), oder auf eine Streckform der Verben „ratzen“ oder „ranzen“ (balgen, herumtoben, brünftig sein) ableiten. 
 
 Als sich der samtig rote Theatervorhang öffnet, ist auch die Bühne atmosphärisch in warme Rottöne getaucht. Ein herzschlagähnlicher Rhythmus eines Metronoms erklingt. Auf der ansonsten leeren Bühne bewegt sich ein schwarzer zeltähnlicher Aufbau auf und ab. Wenige Augenblicke später fährt  ein auf einem ferngesteuerten Podest platzierter Scheinwerfer (Lichtdesign: Voxi Bärenklau) auf der Bühne hin und her. Der bewegliche Strahler verschafft sich Raum, indem er sich in mehrere Richtungen bewegt. Er strahlt nacheinander Bühnendecke, Publikum und die Bühnenseiten an. Zelt und Strahler kreisen minutenlang umeinander und aneinander vorbei. Erst einige Augenblicke später springen nacheinander sieben Akteure aus dem Zelt hervor.    
 
 Jonas Dumke, Elias Eilinghoff, Sebastian Grünewald, Christopher Nell, Katharina Schmalenberg, Julia Schubert und Steffen Siegmund bewegen sich anfangs tapsig, wie neugeboren. Sie agieren in einem roten Einheitsdress mit schwarzen Knöpfen, schwarzen Schuhen und Handschuhen. Ihre Gesichter sind weiß und grell geschminkt. Alle Akteure tragen schwarze Perücken. Zu Beginn betrachten sie, Grimassen ziehend, neugierig das Publikum. Sie nicken und zwinkern, gucken bald aber auch grimmig und strecken ihre Zungen aus. Ihre Beine bewegen sich langsam stampfend auf und ab, im Rhythmus des Metronoms.  
 
 Das Geschehen wirkt wie eine skizzenhafte Versuchsanordnung, da die Figuren instinktiv und spontan auf äußere Bühnenreize zu reagieren scheinen. Das pantomimische Agieren erinnert etwas an das Körpertheater in alten Stummfilmen mit Charlie Chaplin. Die Figuren reagieren auf sich ändernde Lichteinfälle, wenn sie sich an Lichtkreisen auf dem Bühnenboden postieren oder tief gebeugt auf Lichtstrahlen entlanggehen. Dabei schauen sie Bewegungen voneinander ab und reagieren aufeinander. Auch der sich weiterhin bewegende Strahler wird schnell in das absurde Geschehen miteinbezogen, wenn er mit Beunruhigung und behutsamer Neugier beäugt wird. Die Akteure atmen rhythmisch, während sie im Wechsel mal große und mal kleine Schritte machen (Dramaturgie und Einstudierung: Sabrina Zwach).   
 
 Als sich die Rhythmen bald ändern und erstarken (Ton: Frank-Keno Mustroph), schreien die Figuren erschrocken auf und wackeln überreizt mit ihren Beinen. Die namenlosen Gestalten vollführen hektischer werdende, zappelige Bewegungen. Sie werfen sich auf den Boden, wie bei einem Erdbeben. Sie stampfen zackig, zappeln asynchron, reihen sich auf und laufen hinter- und nacheinander gegen Wände. Bald ebben die Soundeffekte wieder ab, und als Rhythmus erklingen wieder gleichbleibende Sounds des Metronom. Die Figuren erheben wellenförmig ihre Hände, legen sie auf ihre Gesichter, machen mit Zeigefinger vorm Mund eine Denkerpose und frieren regungslos kurzzeitig ein. Die Akteure stoßen ihre Köpfe aneinander und springen aneinander empor. Schön ist es auch, wenn insbesondere beim Übergehen in Zweierpaare bei sieben Akteuren stets eine Figur außen vor ist, die schnell eine neue Aktion einleitet. Sie geben Laute von sich, wobei nur wenige unter ihnen Töne oder kurze Melodien wirkungsvoll halten. Später werden sie das Pusten und daraus hervorgehende pupsähnliche Geräusche miteinander üben. Eine Figur beginnt mit tiefen Obertongesang, den andere versuchen erfolglos mit katzenhaften Gesängen nachzuahmen. Sie setzen sich nacheinander in eine Art Froschpose und fallen bald nach vorne über. 
 
 Plötzlich setzt sich das Zelt wieder in Bewegung und sammelt nacheinander die verteilt liegenden Akteure durch eine Öffnung wieder ein. Hier werden Assoziationen zu einem Staubsauger geweckt.   Im sich drehenden Haus lugen Figuren kurzzeitig aus eingelassenen Fenstern empor. Es entstehen schöne Bilder, wenn sie ihre behandschuhten Hände gleichförmig durch die Fenster emporstrecken. Beeindruckend ist es, wenn unter einer Zeltwand plötzlich ganz viele nackte Hände emporlugen und sich die Finger tastend wie Krebse auf und ab bewegen. Als das Haus sich von rechts nach links bewegt, werden die Figuren effektvoll unterhalb, in Reih und Glied liegend, sichtbar. Gegen Ende stapeln sie sich in einem Haufen übereinander. Als der Rhythmus des Metronoms stoppt, geht das Licht aus und der Vorhang fällt. 
 
 Die ungewöhnliche und anregungsreich choreografierte Farce ist auf Aktionen von Körpern und Stimmen reduziert. Rabatz! erscheint bewusst neckisch und unsinnig, hat dabei jedoch kleine Längen. Einige Besucher verlassen noch während der etwa 75-minütigen, dezidiert zurückgenommenen Show den Saal. Herbert Fritsch wurde zu seiner Slapstick-Choreographie von Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts, wie dem Dadaismus oder Fluxus, inspiriert. 
 
 Während des lange anhaltenden Abschlussapplauses bedanken sich die Akteure noch mit allerlei witzigen Posen. Sie zeigen durch Strahler grell ausgeleuchtete Grimassen und werden mit auf die Bühne geworfenen Rosen belohnt. 
 
 
 
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 Rabatz! von Herbert Fritsch & Ensemble am Schauspiel Köln | Foto © Marcel Urlaub
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Ansgar Skoda - 3. November 2025 ID 15543
 
RABATZ! (Depot 1, 31.10.2025) 
 Ein komischer Abend von Herbert Fritsch und Ensemble 
 Regie, Bühne und Kostü,e: Herbert Fritsch
 Lightdesign: Voxi Bärenklau
 Ton: Frank-Keno Mustroph
 Dramaturgie und Einstudierung: Sabrina Zwach
 Mitarbeit Bühne: Olga Steiner
 Mitarbeit Kostüm: Flavia Stein 
 Mit: Jonas Dumke, Elias Eilinghoff, Sebastian Grünewald, Christopher Nell, Katharina Schmalenberg, Julia Schubert und Steffen Siegmund
 UA am Schauspiel Köln: 31. Oktober 2025 
 Weitere Termine: 06., 28.11./ 07.12.2025// 03.01./ 18., 25.03./ 26.05.2026
 
 
 Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel.koeln
          
     
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