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HANNAH ZABRISKY TRITT NICHT AUF von Falk Richter


Hannah Zabrisky tritt nicht auf von Falk Richter - an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Gianmarco Bresadola

Bewertung:    



Falk Richters neues Stück Hannah Zabrisky tritt nicht auf kann man als konsequente Fortsetzung seines 2024 an der Berliner Schaubühne uraufgeführtem Stücks Bad Kingdom auffassen. Eine Gesellschaft und ihre Individuen im dauerhaften Krisenbewältigungsstress. Ebenfalls im Künstlermilieu angesiedelt verweist Hannah Zabrisky... etwa auf Filmklassiker wie Zabriskie Point von Regisseur Michelangelo Antonioni. Ein politisches Statement aus dem Jahr 1970 zur Entfremdung der kapitalistischen Lebenswelt und modernen Konsumgesellschaft. Auch ist Richters Stück in Teilen angelehnt an den Film Opening Night von John Cassavetes aus dem Jahr 1977 mit Gena Rowlands in der Hauptrolle einer Schauspielerin, die Probleme mit ihrer Theaterrolle als alternde Frau hat.

Hier ist es Jule Böwe, seit dem Beginn der Intendanz Ostermeier 1999 im Ensemble der Schaubühne, als einst sehr erfolgreiche Theaterschauspielerin Hannah Zabrisky, die auch mit dem Älterwerden kämpft und sich zum Ersäufen ihrer Ängste vor der Einsamkeit gern einen Whisky nach dem anderen einschenken lässt. Um sie herum hat Richter ein Ensemble von Figuren gesetzt, die ihm als Thesenträger oder bekannte Typen aus dem Theaterbusiness dienen. Da ist der dauergestresste Regisseur Martin (Renato Schuch), der Beziehungsprobleme mit seiner Geliebten Valerie (Ruth Rosenfeld) hat. Sie ist ebenfalls Schauspielerin und versteht sich gut im Szene machen.

Tamara (Alina Vimbai Strähler), die schwarze Autorin des Stücks, was hier auf der Bühne geprobt wird, kämpft mit der Destruktivität der titelgebenden Schauspielerin Hannah und ihrer Geliebten Cleo (Pia Amofa-Antwi), einer autodidaktischen Videokünstlerin, die wiederum ein großer Fan Hannahs ist und sich kurzerhand als prekär beschäftigte Assistentin und Garderobiere der Diva ins Team drängelt. Ergänzt wird das Set durch den Bühnenpartner Hannahs und ehemaligen Geliebten Leo (Kay Bartholomäus Schulze), der desillusioniert nur noch stur seinen Part abspulen will und den jüngeren Schauspieler Vito (Damir Avdić), der als jugendlicher Verführer überfordert ist und mit seinem Bruder telefoniert, der als Soldat aus irgendeinem Krieg Greuelvideos auf Social Media hochlädt.

Die um sich und ihre Beziehungen kreisende Theaterblase drinnen und das eskalierende politische Draußen als gegensätzliche Folien, an denen Autor Richter die momentane Misere von KünstlerInnen in ihrer hoffnungslosen Tragikomik festmachen will. Das ist als Betriebssatire insgesamt ganz lustig, als Bestandsaufnahme der darstellenden Künste in ihrer gesellschaftlichen Belanglosigkeit aber nicht sehr erhellend, um nicht zu sagen viel zu seicht. Drinnen in der als Drehbühne angelegten Kulissenwelt (Bühne: Nina Wetzel) spult sich ein munteres Beziehungschaos ab und scheitern die Proben ein und ums andere Mal am Unvermögen aller Beteiligten und dem steifen Textkonstrukt der Autorin, gegen das nicht nur die Hauptdarstellerin beginnt aufzubegehren.

Das Draußen findet nur als nebenbei erwähnter politischer Aktionismus in den Vereinigten Staaten oder Israel, in der Erwähnung von Gewaltvideos gegen Frauen, die sich Cleo reinzieht, oder die erwähnten Telefonate Vitos mit seinem Bruder an der Front statt. Dazu gibt es die DarstellerInnen doppelnde Videos von Chris Kondek sowie neu arrangierte Popklassiker wie Peace Train von Cat Stevens, There is a Ghost von Marianne Faithful und Nick Cave oder Nothing’s Gonna Hurt You Baby von Cigarettes After Sex, fantastisch gesungen von den DarstellerInnen. Szenisch ist das gut eingerichtet und flott gespielt bis zum theatralen Höhepunkt, bei dem Hannah in einer Voraufführung aus ihrer ungeliebten Rolle im Stück Der langsamen Tod aussteigt.

Ob damit der bevorstehende Tod der Künste als Opfer der politischen Realität zu verstehen ist, oder nur der von belanglos unpolitischem Theater, ist da nicht weiter von Belang. Richter schmückt seinen Text mit zum Teil auch ironisch gemeinten Anleitungen wie: „Sei authentisch! Aber überfordere andere nicht mit deiner echten Verletzlichkeit.“ Das grenzt dann teilweise schon an Zynismus, wenn eine Ohrfeigenszene bis zum Zusammenbruch der Hauptdarstellerin zerprobt wird. Die Welt ist scheinbar in Auflösung, befeuert durch die überquellenden Social-Media-Kommentarspalten und Videokanäle. Da geht laut Richter etwas kaputt, was sich auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen wiederspiegelt. Eine Hoffnungslosigkeit verpackt als heller Wahnsinn.




Hannah Zabrisky tritt nicht auf von Falk Richter - an der Schaubühne Berlin
Foto (C) Gianmarco Bresadola

Stefan Bock - 27. November 2025
ID 15575
HANNAH ZABRISKY TRITT NICHT AUF (Schaubühne am Lehniner Platz, 25.11.2025)
von Falk Richter

Regie: Falk Richter
Bühne: Nina Wetzel
Kostüme: Andy Besuch
Musik: Daniel Freitag
Video: Chris Kondek
Dramaturgie: Nils Haarmann
Licht: Erich Schneider
Mit: Damir Avdić, Jule Böwe, Ruth Rosenfeld, Renato Schuch, Kay Bartholomäus Schulze, Alina Vimbai Strähler und Pia Amofa-Antwi
UA war am 22. November 2025.
Weitere Termine: 27.11.2025// 17., 18., 19., 20.01.2026


Weitere Infos siehe auch: https://www.schaubuehne.de/de/


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