Einblicke in
die Welt der
Rechtspopulisten
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Chronik der laufenden Entgleisungen von Thomas Köck - am Metropoltheater München | Foto (C) Joel Heyd
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Bewertung:
Kein Theaterstück, sondern ein Parforceritt durch die jüngere österreichische Geschichte. Der Autor Thomas Köck wurde 2023 beauftragt, ein Jahr vor der Nationalratswahl, die Innenpolitik schreibend zu begleiten.
Großartig, wie er den „Herbert-Komplex“ beschreibt. Der Kampf des rechtsnationalistischen FPÖ-Politikers Herbert Kickl um Macht und Aufstieg.
Mit „Das wird man ja nochmal sagen dürfen“, werden die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben, so lange bis Hass und Hetze normal erscheinen. Was „die da oben“ sagen dürfen, muss doch allen erlaubt sein. „Jede Diktatur ändert zuerst ihre Sprache, dann ihre Architektur.“
Eine Chronik der laufenden Entgleisungen hat Köck beschrieben, nur hat ihn die Zeit etwas überholt. Auch wenn diese Bestandsaufnahme immer noch gilt, die Entwicklungen in der österreichischen Politik sind weitergegangen. Die FPÖ ist zwar stärkste Kraft geworden, Herbert Kickl aber nicht Kanzler. Koalitionen anderer Parteien haben das verhindert. Da hat der Autor schon zu schreiben aufgehört. Österreich im Herbst '23 ist dann doch schon etwas lange her.
Und es gibt ja noch so viele Probleme auf der Welt. Die fünf großartigen Schauspielerinnen und Schauspieler springen von einer Krise zur anderen. Dass man mit minimalistischer Bühne und Kostümen (von Thomas Flach und Cornelia Petz) starke Wirkung erzielen kann, hat das Metropoltheater immer wieder gezeigt. Aber auch wenn sie noch so wirbeln, es ist alles ein bisschen zu viel. Eine Runde Klimakrise, der Besuch bei Flüchtlingen, kurz zur AfD geschaut. Und wenn der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, als großer Gewinner in Bayern bezeichnet wird, muss man sagen: überholt, überholt.
Den Überfall der Hamas und die Ermordung von 1.200 Juden mal kurz abzuhandeln, wirkte dann ziemlich fehl am Platz. Ein so gravierendes Ereignis mit all seinen Nachwirkungen kann nicht nur ein Mosaiksteinchen in einer Chronik sein.
Richtig stark ist der Autor, wenn er über seine eigene Geschichte schreibt: Der verzweifelte Kampf des Arbeiterkindes um Aufstieg und Anerkennung. Lehrkräfte, die den Eltern empfehlen, den begabten Jungen doch vom Gymnasium zu nehmen. Spätestens in der Oberstufe könnte er doch sicher nicht mehr mithalten. Und dieser Glaubensgrundsatz überträgt sich auf die Kinder. Vielleicht besser freiwillig aufhören, als sich nach dem scheinbar Unerreichbaren zu strecken. Mit den teuren Hobbies der Klassenkameraden kann man sowieso nicht mithalten. Tatsächlich gehen immer noch viel mehr Akademikerkinder auf das Gymnasium als Kinder von Arbeitern.
Beeindruckend der Auftritt von Sophie Rogall, die das Schicksal des Vaters beschreibt. Vom ausgebildeten Tischler zum Leiharbeiter in einer Billigmöbelfabrik. Fast Food, Fast Fashion und jetzt auch Fast Furniture. Die „Wegwerfgesellschaft“, die auch den „Wegwerfarbeiter“ hervorgebracht hat. Die zierliche Rogall braucht nicht zu schreien, nicht zu weinen, um dem ganzen Schmerz Ausdruck zu verleihen. Dazu reicht ihre Bühnenpräsenz, die sie später auch in einem geradezu expressionistischen Tanz zeigt. Das Publikum etwas verunsichert: Darf man da klatschen? Bestimmt!
Insgesamt großer Applaus für das kleine Theater im Münchner Norden, das es seit mehr als 25 Jahren schafft vor ausverkauften Vorstellungen ein treues Publikum zu halten.
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Chronik der laufenden Entgleisungen von Thomas Köck - am Metropoltheater München | Foto (C) Joel Heyd
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Isabella Schmid - 19. Oktober 2025 ID 15520
CHRONIK DER LAUFENDEN ENTGLEISUNGEN (Metropoltheater München, 17.10.2025)
von Thomas Köck
Regie: Alexander Weise
Bühne: Thomas Flach
Kostüme: Cornelia Petz
Licht: Hans-Peter Boden
Ton/Video: Martin Hermann
Musik: Michael Zlanabitnig
Dramaturgie: Katharina Schöfl
Mit: Harald Horvath, Victoria Mayer, Sophie Rogall, Hubert Schedlbauer und Luca Skupin
DEA (im Metropoltheater München) war am 17. Oktober 2025.
Weitere Termine: 19.-31.10./ 01., 02., 08., 09., 11.-13., 18., 19.11.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.metropoltheater.com
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