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Internationales Theaterfestival Berlin

spielzeiteuropa - John Jesurun: „Shatterhand Massacree – Riderless Horse“



John Jesurun
Die Berliner Festspiele sind im Gange, und damit auch die Theatersaison spielzeiteuropa, die von Oktober 2004 bis Februar 2005 Theater- und Tanzproduktionen nach Berlin bringt. Ein Schwerpunkt ist heuer Produktionen aus Ungarn gewidmet, aber auch Blicke und Stimmen von außen werden berücksichtigt: Ein Teil davon sind in diesem Jahr die Arbeiten und Stellungnahmen des amerikanischen Regisseur John Jesurun, dessen Produktionen auf jüngere Regisseure wie René Pollesch stilbildend wirkten.

Unter anderem ist Jesurun mit seinem Stück „Shatterhand Massacree – Riderless Horse“ in der Veranstaltungsreihe vertreten, einem Stück, das einen surrealistischen Blick auf den alten amerikanischen Traum vom unabhängigen Leben auf der Farm wirft...der Plot zeigt eine Familie im amerikanischen Westen. Der Sohn wurde als Kind verstoßen, er soll alle Tiere und Pflanzen der Farm vernichtet haben. Vermutlich lebte er danach mit Wölfen zusammen. Seine Heimkehr löst durch die sich widersprechenden Erinnerungen schwere Familienkonflikte aus, die Schwester freut sich über die Heimkehr des Bruders, der Vater möchte ihn im besten Fall sofort wieder los werden...

„You are a woolf!“ – „I am not a woolf!“. Dieser Schlagabtausch zwischen Vater (Greg Mehrten) und Sohn (Darren Pettie) zieht sich durch die sechzig Minuten in englischer Sprache und wird so – ständig wiederholt - zum zentralen Thema. Die Mutter, gespielt von Sanghi Choi, bleibt eher im Hintergrund und unterstützt den Vater, der den Sohn mit Vorwürfen zudeckt und sein Verhalten, den Verstoß seines Kindes, ständig rechtfertigt. Rebecca Moore in der Rolle der Tochter bleibt allein mit ihrem Wunsch, den verlorenen Bruder wieder in die Familie zu integrieren und reagiert zum Teil mit Hysterie. Der Grundkonflikt wird jedoch am intensivsten zwischen den beiden männlichen Protagonisten ausgetragen – die Schauspieler erzeugen mit ihrem Spiel hierbei eine zum Teil beängstigende emotionale Dichte.

Das Stück arbeitet mit Wiederholungen, die Sequenz der Heimkehr wird doppelt gespielt: der „neue“ Vater ist im zweiten Durchgang der zuvor nach Hause gekommene Sohn, den heimkehrenden Jungen spielt der junge Schauspieler Jason Lew. Neben dieser antirealistischen Vorgangsweise bedient sich das Stück verschiedener Versatzstücke und Bezügen zu anderen Vorlagen: Die „Wolfsthematik“ findet ihre Ursprünge einerseits bei Überlieferungen von der in der Pionierzeit verstoßenen Kindern, andererseits bei Francois Truffauts Film „Lénfant sauvage“ („Der Wolfsjunge“). Auch an Rudyard Kiplings „Mowgli“ erinnert die Geschichte von dem verstoßenen Kind, das von Wölfen großgezogenen wird. Die befürchtete bevorstehende Attacke der Wölfe korrespondiert mit Hitchcocks Film „Die Vögel“.
Dass das Stück ans Archaische und die amerikanischen Wurzeln geht, zeigt zum Beispiel ein Teil der Requisite: statt Suppenlöffel benutzt die Familie bei Tisch schwarz eingefärbte Pfeile. Das Bühnenbild hält sich im Übrigen sehr zurück, ein Tisch, vier Sessel, sowie vier unschwer als „Lautsprecher“ zu erkennende Boxen, die von ihnen beleuchtet sind, prägen den Spielraum, in dem sich die vier großteils schwarz gekleidete Darsteller bewegen. Verschiedene Text- und Musikzitate, wie „She´s a Woman“ von den Beatles oder die schottische Ballade von „Lord Randal“ werden scheinbar durch diese Boxen geschickt und zu einem Teil der Handlung. Gegen Ende spielt das Stück unter Verwendung dieser Versatzstücke auf den Mythos des Seewolfs an, der bei den Haida-Indianern der amerikanischen Nordwestküste bekannt ist.

Jesuruns 1985 in New York uraufgeführtes und hier in neuer Besetzung wiedergespieltes Stück lebt vom sprachlichen Schlagabtausch und der dadurch erzeugten Dichte; den Wiederholungen in Sprache, Bild und Handlung. Trotzdem bleibt das Stück eher „klassisch“, die Bildsprache des als „Videopionier“ angekündigten Regisseur kommt hier nicht auf allen Ebenen zum Tragen.
Jesurun ist noch mit zwei Uraufführungen bei spielzeiteuropa vertreten: Am 2. und 4. Dezember wurde „Chang in a Void Moon/Episode #58“ gespielt und am 10. und 11. Dezember kommt es zur Uraufführung einer Interpretation der Sophokles-Tragödie „Philoktetes“.



Friederike Schwabel, 6. Dezember 2004
ID 1469
Weitere Besprechungen von Aufführungen im Rahmen von spielzeiteuropa finden Sie laufend bei kultura-extra.de.

Weitere Infos siehe auch:






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