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DER FREISCHÜTZ



Ina Kringelborn als Agathe und Vincent Wolfsteiner als Max im neuen FREISCHÜTZ an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Wolfgang Silveri

Calixto Bieito, der katalanische Regie-Provokateur, hatte jetzt Lust und Muse, sich mit Deutschlands deutschster Lieblingsoper einmal näher zu beschäftigen. Den Freischütz ließ er dabei (Bühnenbild: Rebecca Ringst) in einen dämmerlichten Spätherbstwald mit jungem Unterholz und, nach und nach, herabschwebenden alten Baumstämmen, die bei und nach der sog. Wolfschluchtszene reihenweise umkippen und sich in sich verkeilen, bauen; auch ein Wildschwein - das von einem zahmen und trainierten Hausschwein nachgespielt wurde (und auch den Namen dieses Hausschweins und/oder seines Trainierers hätten wir sehr gern auf dem Besetzungszettel wissen wollen) - sorgte so für eine deutschtümelnde Grundstimmung. Doch halt!

Das Alles hätte ebenso - aber auf die Idee verfällt man freilich erst beim Nacherleben des schockierenden Gesamtbebilderungserlebnisses auf die uns allzu liebe Weber'sche Deutsche-Natur-Musik - in einem Wald bei Serbien oder Saporoschje oder sonstwo weltweit spielen können, denn: Wo eine alkoholisierte als wie "wild" gewordne Jagdvereinigung (aus was weiß ich für Gründen) außer Rand und Band gerät, ist der in seinen Grundansätzen vorgeplante und im Nachhinein verübte Tier- und Meuchelmord nicht fern...

Und so geht dieser neue Freischütz an der Komischen Oper Berlin gleich los: Man(n) hetzt eine in einem Pelzmantel gehüllte Dame durch den Wald; so eine Art von Treibjagd. Dann wird sie von Kilian (Christoph Späth) gestellt, mit einem Jagdmesser wie eine Wildsau abgestochen. Und dann holen sich die Mitwisser und Mitgestalter dieser willentlichen Menschentötung eimerweise Blut, das aus der Kehle jener viehisch Abgestoch'nen quillt, und singen feucht & fröhlich weiter am "Victoria"-Chor - - das Alles sieht nicht schön aus; und man möchte nicht (nein, wirklich nicht!!), dass dieses Alles so gezeigt und zwangsweise zu sehen ist - - - warum nicht?

Das sind Szenen, wie sie sich mitunter - wie wir nachrichtenversorgten also aufgeklärten Bildungsbürger wissen - meistens vor und zu Massakern von bewaffnet "Stärkeren", verübt an (unbewaffnet) "Schwächeren", ereignen; und das Alles hat mit Webers Freischütz, außer dass man(n) alkoholisiert zumeist enthemmter also aggressiver tun und lassen könnte, nicht sehr viel zu tun.

Auch dachten sich der Regisseur und seine für die neuen Bühnendialoge mitverantwortliche Co-Autorin Bettina Auer, dass die alten Kind'schen Texte doch vielleicht etwas zu alt und kindisch für die neue Produktion dann schienen - doch das Resultat klingt ganz genau so grundbescheuert wie halt früher; doch der Grund hierfür ist nicht die "Qualität" der Texte, nein, der Grund liegt darin, dass halt Opernsänger keine Texte sprechen können; und so klingt es halt dann Scheiße, prinzipiell und überhaupt. Vergebne Mühe.

Vincent Wolfsteiner (als Max) muss nach der Pause ständig wie ein Tier und splitternackt auf offner Bühne hin und her agieren; und wir ziehen schon den Hut vor so viel selbstlos-unbedingter Überwindungskraft! / Carsten Sabrowski (Kaspar) muss - wie Christoph Späth (als Kilian) zu Beginn der Inszenierung - einen Meuchelmord begehen; diesmal treibt er ein verliebt gewesnes unschuldiges Hochzeitspärchen vor sich her, sticht erst die Braut ab und entweidet sie, danach killt er den Bräutigam. // Mit Ina Kringelborn (Agathe) sowie Julia Giebel (Ännchen) waren gleich zwei Sängerinnen gleicher Qualitäten aufgeboten, die dann auch noch - ganz im Gegensatz zu den vorweg Besprochenen - die rechten Noten ordentlich zu singen sich bemühten. /// Chor & Orchester der Komischen Oper Berlin waren in musikantischer Topp-Form; null Beanstandungen!

Patrick Lange dirigierte flott und fürwitzig einen mehr unromantisch-harten, aber dennoch warm und wuchtig wahrnehmbaren Freischütz.

In und nach der Zweitvorstellung konstatierten wir keine Verstörungsgrade bei dem anwesenden Publikum. Es ist, und wie bereits gesagt, an Horrorbildern einer so verkommnen Medienwelt und -landschaft längst gewöhnt. Und euer "Frei ab 16 Jahre" hättet ihr euch also sparen können...



Wieder Ina Kringelborn als Agathe und Vincent Wolfsteiner als Max im neuen FREISCHÜTZ an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Wolfgang Silveri

Andre Sokolowski - 5. Februar 2011
ID 00000005739
DER FREISCHÜTZ (Komische Oper Berlin, 04.02.2012)
Musikalische Leitung: Patrick Lange
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Dramaturgie: Bettina Auer
Chöre: André Kellinghaus
Licht: Franck Evin
Besetzung:
Max ... Vincent Wolfsteiner
Agathe ... Ina Kringelborn
Kaspar ... Carsten Sabrowski
Ännchen ... Julia Giebel
Eremit ... Marko Spehar
Ottokar ... Günter Papendell
Kilian ... Christoph Späth
Kuno ... Hans-Peter Scheidegger
Premiere war am 29. Januar 2012
Weitere Termine: 7., 21. 24. 2. / 4., 9., 29. 3. / 4. 4. / 6. 7. 2012

Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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