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nachDRUCK # 6

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Rezension


20. / 21. / 22. Mai 2011, Lübeck / Kiel / Lübeck

DAS RHEINGOLD /
DER ROSENKAVALIER /
DIE WALKÜRE




Zwei Richards im Norden (I)


20.05.2011, freitäglicher Vorabend, Theater Lübeck:

Hinter vorgehaltener Hand wispern die Wagnerianer Hamburgs, dass man doch lieber mal zum RING nach Lübeck pilgern solle, denn der sei wesentlich besser inszeniert als die Neuproduktion der Staatsoper. Nun, zur Ehrenrettung von Regisseur Claus Guth sei hier ganz kurz gesagt: Diese Inszenierung ist besser als ihr Ruf, beleuchtet sie doch die familiären Verhältnisse im Hause Wotan / Alberich und geht mehr ins Innere. Aber: Nach dem RING ist vor dem RING. Und so passt es ganz gut, dass man bei den vielen RING-Plakaten, die in den Gängen vom Theater Lübeck ausgestellt sind, auch auf den Berliner Tunnel-RING und dessen Motto „Anfang ist Ende, und Ende ist immer wieder nur Anfang“ (Götz Friedrich) stößt.

Also zurück auf Los, sprich, zum Rheingold: In Lübeck wird dies durch knisternde Rettungsdecken dargestellt, aber auch hier können die (rutschenden) Rheintöchter nix mehr retten, wenn Alberich (kernig: Antonio Yang) mit dem Schatz erst einmal auf und davon ist. Fasolt und Fafner, zwei Bauarbeiter wie Atze und Kalle, haben Wotan diesmal ein Theater gebaut. Doch der Göttervater lebt über seine finanziellen Verhältnisse. Das ist ein schöner Seitenhieb auf Hamburg und seine alle Haushaltsbudgets sprengende Elbphilharmonie. Loge taucht folgerichtig als Anwalt auf, holt den Vertrag aus seinem Koffer hervor („Wie? Welchen Handel hätt ich geschlossen?“), zeigt auf die Brandmauer („…kein Stein wankt im Gestemm“) und tut sonst so, als ob ihn das alles nichts angehen würde. Kein Feuergott vor ihm war so unglaubwürdig, wenn er zum Schluss singt: „Fast schäm ich mich mit ihnen zu schaffen“. Dass in Nibelheim Bodenschätze abgebaut werden (Stichwort: Raubbau an der Natur) ist dagegen ein alter Hut. Und auch die Idee, den Wurm aus lauter Nibelungen darzustellen, ist geklaut, nämlich von Günter Krämer (noch ein Querverweis auf Hamburg).

Aber es gibt noch weitere gelungene Einfälle: Mime verpetzt Alberich (besser gesagt, den Ring an Alberichs Finger), um frei zu sein, Freia wird als Lustobjekt an die Riesen verhökert und behält davon seelische Narben zurück (also kein Friede, Freude und göttlicher Eierkuchen am Ende) und Erda (glorios: Ulrike Schneider) ist endlich mal keine alte Frau, sondern erotische Femme fatale, was Wotans Begierde deutlich macht. Noch kann man nicht genau abschätzen, wohin die Reise der Regie gehen wird, aber das Interesse, wie sie weitergehen wird, ist definitiv da.


*


21.05.2011, Samstag, kurz vor halb sieben, Opernhaus Kiel:

Grimmig dreinschauende Herren stehen an der Rampe, vor jedem ein tickendes, tackendes Metronom. Ja, die Zeit, die ist ein sonderbar’ Ding, und sie läuft nicht nur für Feldmarschallinnen ab, sondern auch für Inszenierungen. Der Rosenkavalier, in der Regie von Georg Köhl, feiert heute seine Demiere. Bichette und Quinquin kommen von ihrer letzten gemeinsamen Party, der attraktive Diener (der Mohr) übersieht hartnäckig den nächtlichen Besucher und schmachtet seine Herrin an. Ach, sieh mal einer an: Jens Larsen, Ensemblesolist der Komischen Oper Berlin und selbsternannter „Vasensänger“, gibt hier den Ochs, übrigens ganz gut.

So ganz einleuchtend ist die Szene nicht: Da gibt es eine stumme „Figur“, die in allen Akten auftaucht, bedeutungsschwanger durchs Geschehen stapft und sowohl für das Alter Ego wie auch für die Muddy der Marschallin gehalten werden kann - nun ja. Dazu ein bisschen Theater im Theater, k. u. k. und auch kitschige Grüße von Otti Schenk - fertig ist der Lack! Aber: die Marschallin! Und: das Orchester! Janice Dixon (die mich vor Jahren mit ihrer Senta an der Deutschen Oper Berlin in Entzückung versetzte) singt eine so lyrisch versierte, himmlisch intonierende und textdeutliche Marschallin, dass man die Amerikanerin doch glatt anhimmelt, wie der oben erwähnte Diener. Schön, dass Johannes Willig den Mut aufbringt und dem Rosenkavalier diesen Zuckerguss, diese Wiener Walzerseligkeit austreibt. Unter seiner Leitung legt das Philharmonische Orchester Kiel einen kraftvollen und ungestümen Strauss vor. Klasse!


*


22.05.2011, Sonn- und zugleich Erster Tag (Die Walküre), Theater Lübeck:

Wotan hat Zahnschmerzen! Besser gesagt, der Wotan von Stefan Heidemann. Trotzdem singt er einen tollen Göttervater und steht seine Partie tapfer wie bravourös bis ans Ende hin durch. Aber zunächst wechseln wir ins Haus von Hunding, wo der Herbst eingekehrt ist. Bühnenbildner Momme Röhrbein, den man in Berlin vorwiegend als Ausstatter von Kathi Thalbach kennt, hat sich hier mit Laub und Wiese, Kanapee und Ohrensessel ordentlich ausgetobt. Dazu treibt Roman Brogli-Sacher seine Hansestadt-Philharmoniker zur Konzentration an, serviert Marion Ammann eine Top-Sieglinde: Spätromantisches Herz, was begehrst du mehr? In punkto Beweglichkeit und Farbe kann Andrew Sritheran seiner Kollegin zwar nicht das Wasser reichen, dafür aber schmettert sein Siegmund ordentliche "Wälse"-Rufe.

Im zweiten Aufzug ist es der flammend timbrierte, urbane Mezzo von Veronika Waldner, der große Erwartungen weckt. Was für eine glutäugige Fricka. Die Regie lässt sie die Entscheidungen dieser Welt fällen und gibt ihr die Macht, nämlich das Geld, in die Hand. Wotan gibt dem Willen seiner Gattin nach und kümmert sich mehr um sein inzestuöses Verhältnis zu Brünnhilde (welche SO wohl noch nie ihre Gottheit abgeküsst bekam). Die filmische Rückblende (2. Akt, 2. Szene) geht auf den Vorwurf von Christoph Schlingensief ein, dass Wagner immer dann eine Figur auftreten lasse, die Dinge aus der Vergangenheit berichtet, wenn ihm nichts mehr einfalle. Der Walkürenritt als militärisches Ballett ist deutlich an Francis Ford Coppolas Apocalypse Now angelehnt: Aus dem Walkürenfelsen ist ein Hangar geworden, Helmwige & Co. fliegen Jagdbomber, die Helden kehren in Särgen nach Walhall. Hier gelingt der Spagat zwischen Fantasie und Ambition. Weiter so!



DER ROSENKAVALIER an der Oper Kiel - Foto (C) Olaf Struck


Heiko Schon - red. 24. Mai 2011
ID 00000005212
ZWEI RICHARDS IM NORDEN (II)

Weitere Infos siehe auch: http://www.theaterluebeck.de


http://www.theater-kiel.de



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