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Duisburger Theatertreffen 2014

16. März 2014 - Gastspiel des Schauspiels Stuttgart

DER BESUCH DER ALTEN DAME

von Friedrich Dürrenmatt


Die Konstellation ist monströs: Clara, unermesslich reich, kehrt in ihre Heimatstadt zurück. Mit ihr die Hoffnung, dass nun alles besser wird, der Ort aufblüht. Und Clara ist tatsächlich bereit, eine Milliarde zu investieren, unter einer Bedingung: Sie will den Tod von Alfred Ill, der sie einst geschwängert hat.

Regisseur Armin Petras hat Dürrenmatts tragische Komödie gehörig überarbeitet und aus der Stadt Güllen eine ostdeutsche Stadt kurz nach der Wende gemacht. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, die Anleihen an Dresden herauszuhören, für dessen Schauspielhaus Petras’ Fassung ursprünglich entstand. Ein ganz schön trauriges Dresden ist das, in dem alle Fabriken geschlossen sind und man auf Touristen wartet, um Kapital aus den Museen und der Fürstengruft zu schlagen. In Duisburg, wo das Schauspiel Stuttgart mit Petras’ Inszenierung jetzt im Rahmen des Duisburger Theatertreffens zu Gast war, funktionieren diese kritischen Referenzen nur mäßig, auch wenn hier der MSV und die Mercatorhalle einbezogen werden.

Eine riesige Treppe bildet das Bühnenbild. Es ist kein privates Schauspiel, das sich in den nächsten zwei Stunden hier abspielen wird. Alle Konflikte werden im Angesicht der Öffentlichkeit ausgetragen, die Petras und seine Schauspieler auch geschickt in die Handlung einzubeziehen vermögen. Sei es, dass eine Frau aus dem Publikum die betrogene Frau des Polizisten mimen muss oder dass Wolfgang Michalek als Bürgermeister jemanden in der dritten Reihe persönlich in seine Ausführungen zu Moral und Demokratie einbezieht und die Beobachtung durch das Publikum auf diese Weise thematisiert. Übrigens auch, dass niemand den kruden Argumentationsketten auf der Bühne (einer Mutter ist ein Unrecht geschehen und das muss wieder gutgemacht werden im Sinne der Demokratie, notfalls eben auch mit Mord) widerspricht.

Am Ende stimmt der Chor eine gewaltige Schlussrede ein, die Übereinstimmung zwischen allen Beteiligten signalisiert. Alfred Ill ist hier noch dabei, nur um kurz darauf vereinzelt auf der Bühne zu sitzen und doch den Tod zu finden – reichlich unspektakulär. Clara wird währenddessen im Theaterfoyer gefilmt, nervös rauchend. Zu spät stürzt sie auf die Bühne. Hätte sie den Tod verhindern wollen?

Petras bedient im ersten Teil seiner Inszenierung die Komödie, die Bewohner der Stadt sind allesamt lächerliche Figuren: Alfred schlapp, der Bürgermeister schmierig, der Polizist zackig. Das ist bisweilen zu laut, zu krawallig inszeniert, so dass die schleichenden Entwicklungen ein wenig untergehen. Auf einmal haben immer mehr Bewohner des Ortes Anschaffungen getätigt, sind zu Geld gekommen, selbst Alfreds eigene Familie. Kein Wunder, dass bei diesem das Gefühl entsteht, die Schlinge ziehe sich zu. Clara sei doch immer ein nettes Mädchen gewesen, sie werde schon nicht auf ihrer Forderung beharren, meint Alfreds Frau und irrt sich gewaltig. Schließlich wird er im Stich gelassen von seinen Mitbürgern, die für ihren Profit votieren. Und in diesen Momenten wird die Inszenierung etwas fahriger als in den komischen Passagen. Berit Jentzsch darf als Leopard in schwarzer Kleidung mit symbolträchtiger roter (blutender) Hand mit dem einen oder anderen ein Schicksalstänzchen auf Olaf Altmanns Treppe wagen. Wenn Andreas Leupold viel später als Alfred Ill fragt, wer das eigentlich sei, kann man dem als Zuschauer nur zustimmen – schlauer ist man trotzdem nicht.

Die Idee, Dürrenmatts Drama in die Zeit um 1989 zu verlegen, erweist sich über weite Strecken als erstaunlich sinnreich. Hier wie dort ungesicherte Umstände, schwankende politische Meinungen, Werteverluste und die Anziehungskraft des Geldes. Aber zu stark lastet die eingangs erwähnte monströse Konstellation des Dürrenmattschen Dramas über diesem Ansatz, als dass er sich zu einer zwingenden Lesart entwickeln würde. Petras und sein Team hätten gerne Dürrenmatt stärker vertrauen dürfen. So betreiben sie mit einem gut aufgelegten Darstellerensemble (aus dem Wolfgang Michalek als Bürgermeister hervorsticht) enormen Aufwand, um der alten Dame Aktualität zu verleihen. Dabei hatte schon Dürrenmatt ein paar unangenehme und unbequeme Wahrheiten über die vermeintlichen Mitmenschen parat, über die sich heute noch trefflich streiten lässt – ganz ohne Wende-Bezug.



Bewertung:    

Karoline Bendig - 18. März 2014
ID 7684
DER BESUCH DER ALTEN DAME (Theater Duisburg, 16.03.2014)
Regie: Armin Petras
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Katja Strohschneider
Musik: Thomas Kürstner und Sebastian Vogel
Video: Niklas Ritter
Dramaturgie: Ludwig Haugk und Bernd Isele
Mit: Astrid Meyerfeldt (Clara), Andreas Leupold (Alfred Ill), Rahel Ohm (Frau Ill), Manolo Bertling (Sohn), Sandra Gerling (das Mädchen), Wolfgang Michalek (Bürgermeister), Paul Grill (der Polizist), Christian Schneeweiß (Journalist) und Berit Jentzsch (Leopard, eine junge Frau mit einer Krankheit)
Premiere in Stuttgart war am 22. November 2013
Übernahme einer Koproduktion des Staatsschauspiel Dresden mit dem Maxim Gorki Theater Berlin
Gastspiel des Schauspiels Stuttgart beim Duisburger Theatertreffen 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel-stuttgart.de


Post an Karoline Bendig



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