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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Carmen hält's

mit Marx und

Lenin



Das ist Stella Doufexis als neue CARMEN an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Iko Freese


Barrie Kosky, designierter neuer Intendant der Komischen Oper Berlin, nannte es neulich "dekadent", das klassisch-herkömmliche Repertoire von (beispielsweise) Wagner, Strauss, Puccini, Verdi - also das, was ohnehin schon an den beiden andern Häusern in der Hauptstadt bis zum Brechen läuft und läuft - auch noch im edel-kleinen Tempel in der Behrenstraße abzunudeln; und womit er gleich nach seiner Inthronisation dann kräftig aufzuräumen willens sein wird... Könnte gut auch klappen, dass dann CARMEN (dieser Traditionsschinken im alten Laden Walter Felsensteins) hier nicht mehr ganz sooft wie in den andern Buden liefe!

Also wieder einmal CARMEN:



CARMEN und die Anderen im Vodoofieber - Foto (C) Iko Freese

Außer CARMEN gibt es auch noch Micaela (Ina Kringelborn) und Don José (Timothy Richards) in der gleichnamigen Oper von Bizet - Foto (C) Iko Freese

Der große Dritte in dem CARMEN-Bund von Mann-Frau-Mann ist Escamillo (Günter Papendell) im Zentrum dieses Gruppenbildes - Foto (C) Iko Freese



Dieses Mal ging es, dem programmatischen und im Programmheft nachzulesenden Vernehmen nach, um eine Entklischierung durch die spielerische Übertreibung des Klischees an sich oder so ähnlich. Regisseur Sebastian Baumgarten wollte uns also CARMEN - und von der er felsenfest und richtig annimmt, dass die mittlerweile jeder (Opern-)Leckarsch kennt - mit allen ihren überkommnen Mustern vorführen. Doch nicht nur das - denn wenn's nur das gewesen wäre, wäre es für den im Philosophischen perfekt geschulten Intellektuellen armutszeugnisreif - ; er wollte ihr selbstredend auch so was wie eine aktuelle oder "neue" Story angedeihen lassen: Und da spielt die CARMEN halt jetzt aktuell in einer ziemlich abgefuckten kleinen Stadt in Spanien oder irgendwo, wo man halt spanisch spricht - im Hintergrund 'ne Wohnhaus-Bauruine und davor die Halbtrümmer eines halb abgefackelten Kurzwarenladens (Supermarkt? gebaut von Bühnenbildner Thilo Reuther), aus dem dann sogleich die Tabakdreherinnen nach und nach hervorsteigen - - ein Ghetto- und Sozialstück also; fast so armselig und düster, trotz der vielen ablenkenden Farben, wie im WOZZECK; nur dass WOZZECK sich von andalusischen Mentalitätsgegebenheiten in der In-sich-Schwere, also was das Dennoch-Lustige als generelle Lebensform und -weise bei den schönen Südländern ("Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen" und noch viel, viel weiter runter zum Äquator) angeht, prinzipiell dann unterscheidet - - soweit klar? Nein?? Auch egal / auf jeden Fall ist Carmen (die Stella Doufexis spielt und singt) so einer zwielichtigen Untergrund-Kleingruppe - was dann eigentlich die Schmuggler in dem O-Stück waren - beigetreten, und mit denen macht sie halt dann illegal etwas; auch Marx und Lenin, die als Pappgerippe von den Untergründlern hochgehalten werden, lassen uns einen gottlob mehr links (statt rechts) gerichteten Zusammenschluss von Menschen voller guter Absichten erahnen... Und in diese Richtung läuft das Alles dann erwartbar fort und immer weiter.

Hübscher Einfall so zum Schluss: Der Chor, und insbesondere die Damen, tragen alle so klischierte CARMEN-Sachen (Kostüme: Ellen Hofmann); also alle Frauen waren dann urplötzlichst lauter Carmen's.

Auch die Tötung-im-Affekt-Hinrichtung Carmens durch den Don José (Timothy Richards) hatte uns doch schwer beeindruckt.

Überhaupt ging diese CARMEN musikalisch wie ein D-Zug ab! Der junge Dirigent Yordan Kamdzhalov (weltweit hoch begehrt und sehr begehrlich um- und angeworben) leitete ein lange nicht mehr derart allerbestens aufgelegt gewesenes Orchester der Komischen Oper; und das ließ uns auch die eigentlich stinklangweilige Oper George Bizets uneingeschlafen und recht gut gelaunter Weise überstehen. // Wer fiel, außer selbstverständlich dem von André Kellinghaus betreuten Chor der Komischen Oper, sonst noch auf? Besonders: Ana Menjibar, eine grandios spielende als wie tanzende und in Berlin geborene Flamenco-Tänzerin aus andalusischer Familie, die von Rayko Schlee & Zamná Urista-Rojas (Gitarren) musikalisch assistiert wurde; so eine typisch Baumgarten'sche Szeneneinlage.

Jan Speckenbachs Vervideosierung dieser Inszenierung nervte üppigst.

Das Premierenpublikum war dennoch lautstark voll der Freude.


Andre Sokolowski - 28. November 2011
ID 00000005504
CARMEN (Komische Oper Berlin, 27.11.2011)
Musikalische Leitung: Yordan Kamdzhalov
Inszenierung: Sebastian Baumgarten
Bühnenbild: Thilo Reuther
Kostüme: Ellen Hofmann
Dramaturgie: Ingo Gerlach
Chöre: André Kellinghaus
Licht: Franck Evin
Video: Jan Speckenbach
Besetzung:
Carmen ... Stella Doufexis
Micaela ... Ina Kringelborn
Mercedes ... Karolina Gumos
Frasquita ... Ariana Strahl
Don José ... Timothy Richards
Escamillo ... Günter Papendell
Dancairo ... Peter Renz
Remendado ... Thomas Ebenstein
Morales ... Ipca Ramanovic
Zuniga ... Jens Larsen
Manuela ... Ana Menjibar
Gitarristen ... Rayko Schlee und Zamna Urista-Rojas
Premiere war am 27. November 2011
Weitere Termine: 6., 12., 18., 26., 29. 12. 2011 /
4., 7., 13., 21., 27. 1. sowie 4. 7. 2012


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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