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Theater Bielefeld, Premiere am 19. Juni 2004

Eine psychoanalytische Fallstudie

Bielefeld: Regula Gerber inszeniert ihre Sichtweise auf Leos Janáceks Oper „Katja Kabanowa“

Wer ist eigentlich Katja Kabanowa? Über diese Frage hat sich Hausherrin Regula Gerber für die Bielefelder Neuinszenierung der Janácekschen Opernballade vom langen Sterben der unglücklich verheirateten und noch unglücklicher liebenden Kaufmannsgattin gründlich Gedanken gemacht. Ihre Antwort: Katjas Untergang ist nur mittelbar Resultat des viel beschworenen Konflikts zwischen Individuum und Gesellschaft und in erster Linie die Folge einer Introjektion des repressiven Moralkodex ihrer Umwelt in die eigene Ich-Struktur: ein innerpsychischer Konflikt, aus dem nur der Freitod erlösen kann. Die Schwiegermutter Kabanicha wird bei Gerber zu einer Funktion von Katjas psychischem System und geradezu deren Komplizin bei der Ermöglichung der „ersehnten Katastrophe“. Sandra Meurer hat für dieses Regiekonzept wieder eines ihrer grandiosen Bühnenbilder gebaut: Eine wuchtig-düstere Staumauer mit furchteinflössenden Pumpenaggregaten zur Wasserregulierung versinnlicht die von Katja verinnerlichten Mechanismen der Triebunterdrückung. Doch geht die Rechnung für die Regie am Ende nicht ganz auf. Indem ein sozialer Konflikt so stark privatisiert wird, empfindet man im letzten Bild zwar großes Mitleid für die unglückliche Protagonistin, aber das Gefühl, dass hier an einem Menschen ein empörendes gesellschaftliches Unrecht begangen wurde, stellt sich nicht ein, die kompromisslos anklagende Parteilichkeit der Musik steigert sich nicht zur Katharsis.
Sabine Paßow (Katja) mimt eine von Beginn an in ihrem Seelenleben destruierte Frau, die ständig neben ihren sich mächtig artikulierenden Glücksbedürfnissen steht. Im darstellerischen Ausdruck gelingt das nicht immer mit der notwendigen Selbstverständlichkeit einer zur zweiten Natur gewordenen Unnatürlichkeit. Nicht wenige von Katjas hektischen Verzweiflungsgesten geraten eine Spur zu gewollt. Grundsätzlich aber lässt das Rollenverständnis der Regie zu wenig Raum für die Utopie fraulicher Wärme, die Janácek komponiert hat. Leider hat Sabine Paßow auch ihre musikalische Interpretation der Titelpartie zu sehr dem schauspielerischen Zerrissenheits- und Gehemmtheitsgestus angepasst - auf Kosten der seelischen Weite. Veristische Affektverstärkungen sowie fehlende Leuchtkraft schmälern den Reiz ihres durchaus gebärdenreichen Gesangs. Das gut disponierte und typengerecht besetzte, tschechisch singende Solistenensemble vermag sich gegen die routiniert und präzise, doch phasenweise etwas leidenschaftslos agierenden Bielefelder Philharmoniker unter der Leitung von Dirk Kaftan mühelos zu behaupten. Mit ausgefeilten Charakterstudien überzeugen besonders Markus Brutscher (Wanja Kudrjasch) und Kaja Plessing (Barbara), die beide zärtlich die Alternative jugendlichen Aufbruchs beglaubigen und Paul McNamara mit seinem auch tragische Akzente setzenden Portrait des Schwächlings Tichon.


ct - red / 22. Juni 2004
ID 00000001117
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bielefeld.de/






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