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Performance

Mj'a sin

Die armenische Tragödie im Berliner Ballhaus Naunynstraße


Foto (C) Rabecca Sampson



Wie tanzt man einen Massenmord?

Kammerspiel mit Fernsehern. Ein TV-Turm aus Apparaten. Sie schalten sich ein und zeigen Vielfalt im Tanz. Sie zeigen ein Kulturvereinsprogramm. In der Kammer des Geschehens riecht es verträumt nach Weihrauch. So rochen die Kifferkommunen in den Siebzigern. Fehlt nur noch eine Renaissance des Patschuli. Antike Aufnahmen osmanischer Familien haften auf Folien. Sehen alle sehr türkisch aus, wie Kolonialwarenbebilderungen vor hundert Jahren. Sind aber armenische Konstellationen, überwiegend vor dem Genozid von 1915 festgehalten. Das muss einem erklärt werden, die Aufnahmen erklären es nicht.

Die Installation stammt von Silvina Der-Meguerditchian, ihre Familie entging dem Völkermord nach Argentinien. Sie wuchs auf in der armenischen Diaspora von Buenos Aires – mit „der Sehnsucht nach einem Ort“, den es schon vor ihrer Geburt nicht mehr gab. Nun erzählt sie Geschichten von Flucht und Vertreibung: ohne ein Wort zu sagen. Das erledigen Einspielungen. Einspielungen sind die Geschirrspülmaschinen der zeitgenössischen Kunst. Solange sie laufen, können Künstler dies und das erledigen. Man registriert geografische Stationen der Neuanfänge, Hochzeitsszenen. Männer tanzen mit Taschentüchern. Silvina Der-Meguerditchian isst schließlich ein Bild. Klingt knusprig. Ein Teil der Veranstaltung geht so zu Ende. Pause auf der Ballhausterrasse, ich denke über Erinnerungen nach. Eine Weile lässt sich ein Andenken bewahren, endlich wird es zur Last. Mächtige wissen das. Man muss nur genug Menschen umbringen und Bücher vernichten, dann wird die Angelegenheit unfassbar.

Ballhausterrassenraucher rufen den Mond an, der Mond gibt keine Auskunft. Wenn Silvina Der-Meguerditchian die Installateurin des Abends ist, dann ist Jasmin İhraç seine Choreografin. Sie hat einen armenischen Großvater, es war nicht oft die Rede von ihm am Küchentisch ihrer Kindheit. Er bot sich an als Ziel einer Reise auf der Suche nach noch einer verlorenen Zeit. So koinzidieren die Beiträge von Silvina Der-Meguerditchian und Jasmin İhraç. Sie treffen sich in dem armenischen Wort für „Zusammen“ – Mj’a sin.

Die Bühne ist ein Laufsteg. Drei Frauen bevölkern die Fläche mit ihrer Vehemenz. Sie heißen Jasmin İhraç, Tümay Kılınçel und Julia Schunevitsch. Sie tanzen aus der Reihe und aus der Gegenwart in eine verblutete Vergangenheit. Sie beamen das Publikum in die Gegenwart von İhraçs armenischen Ahnen. Mir geht die Plausibilität des Vorgangs auf. Er konkretisiert sich in Kreis- und in narrativen Tänzen. Das sind Erzählungen aus Bewegungen. Denkt man an Folklore, denkt man an was Falsches. Die Bewegungen konservieren nicht Reste armenischer Volkstümlichkeit. Sie schaffen einen neuen Text. Seine Protagonistinnen drehen durch in abrupten Stilwechseln. Sie treten den Laufsteg zusammen. Sie rütteln sich wach aus dem Albtraum Geschichte.


Bewertung:    
Jamal Tuschick - 20. Dezember 2013
ID 7478
MJ’A SIN (Ballhaus Naunynstraße, 19.12.2013)
Installationen und Performance: Silvina Der-Meguerditchian
Choreografie: Jasmin İhraç
Choreografische Mitarbeit: Tümay Kılınçel, Julia Schunevitsch
Tanz und Performance: Jasmin İhraç, Tümay Kılınçel und Julia Schunevitsch
Mit Kompositionen von Hanan EL Shamouty und Dzovinar Mikirditsian
Dramaturgie: Lidy Mouw
Assistenz: Andrea López Goñi
Uraufführung war am 19. Dezember 2013
Weitere Termine: 20. - 22. 12. 2013


Weitere Infos siehe auch: http://www.ballhausnaunynstrasse.de


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