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Feuilleton


Admiralspalast Berlin, 13. August 2006

DIE DREIGROSCHENOPER

von Brecht/Weill


DREIGROSCHENOPER-Inszenierung Klaus Maria Brandauers im wiedereröffneten Berliner Admiralspalast



Walter Schmiedinger vermisst

Nein, keiner wird im Ernst erwartet haben, dass mit dieser als ein Volltreffer zu nennenden Eröffnungsvorstellung des Admiralspalastes in Berlin regielich neue Meilensteine hingeklotzt oder -gekleckert worden wären, dafür ist der Brandauer dann doch zu sehr der schauspielernden Selbstdarstellung als dem für ihn völlig ungewohnten Pflaster eines Regisseurs verhaftet. Ungeachtet dessen ist ihm freilich Handwerkliches durch und durch gelungen, eine Art geratene Gediegenheit machte sich im Verlauf des über zweistündigen pausenlosen Abends Stück um Stück dann breit und breiter.

DIE DREIGROSCHENOPER ist kein Pappenstil; an ihrer szenischen Gesamtumsetzung (Reich-Ranicki, ein profunder und sehr liebhabender Brechtkenner, nannte sie unlängst gar das erste deutsche Musical; nicht unwitzig!) haben sich schon ganz andere Kaliber irgendwie versucht oder verhoben. Diese dürftig-dünne Handlung - Schwerstverbrecher treibt es mit drei Frauen gleichzeitig, wobei die eine ihn aus Eifersucht und Rache an die Polizei verpfeift - verfasert sich sehr absichtsreich in einen kosmologischen Geflechtekranz, im Ganzen gehts tatsächlich um so weltbedeutende und welterschütternd-weltverändernde “Belange” wie soziale Gleichheit und Gerechtigkeit. Die so berühmten Zeitlossongs Kurt Weills, weswegen eigentlich ja DIE DREIGROSCHENOPER so ununterkriegbar ist, schreien nicht nur nach extraguten, um nicht gar zu sagen extraordinären Schauspielern mit extraexponierten Stimmen - sie sind das, woran eine DREIGROSCHENOPER, wenn man diese Extraschauspieler nicht hat oder nicht findet, letzten Endes gar zu scheitern droht!

Das ist hier, gottseidanker Weise, nicht gescheh’n.



Birgit Minichmayr (Polly) und Campino (Macheath) lagern, unter Bauschutteinfluss, wie auf Stroh. - Foto (C) Georg Soulek


Natürlich fürchtet man bereits inmitten des Verlaufs und noch viel mehr am Schluss der dritten Vorstellung um die Gesundheit insbesondere der songdarbietenden Akteure. Immerhin: Es war die letzte Zeit doch viel im deutschen Blätterwald von den geradezu unmenschlichen Bedingungen des unter lauter Bauschutt nächtlich sich vollziehenden Erprobens oder Einstudierens dieser Inszenierung “leidenschaftlich” und sehr “mitleidig” die Rede. Spuren und Blessuren dieser Volltortour sind sicherlich bis heute nicht zu unterdrücken oder zu kaschieren. Insbesondere die hörbar stimmliche Verbraucht- und Abgenutztheit fast schon aller der Beteiligten gibt Anlass sich zu sorgen, dass die Mannschaft diese Großserie an Vorstellungen (bis zum 24. September soll tatsächlich, außer montags, jeden Abend in der Gleichbesetzung abgespielt werden!!) wohlauf und unbeschadet überstehen wird; nicht dass man etwa daran zweifeln würde, nein... aber: wenn das mal gut geht!!!


Michael Kind (als Tiger Brown) würde sehr gern seinem Exsandkastengespieln Campino (als Macheath) aus diesem Käfig fortbefreien. - Foto (C) Georg Soulek


Schauspielern UND singen, wie schon angedeutet, können hier in dieser Produktion nicht wenige. Zuallererst muss Birgit Minichmayr, die die Polly gibt, Erwähnung finden; und in ihrem Falle ists dann beispielsweise so, dass ihr stimmbändlerisches Ramponiertsein einen unvergesslich merkwürdigen und “getroffnen” Sound ergibt, der diesem Prototyp einer geschundnen Kreatur so richtiggehend Schmiss verleiht. Campino (dieser Joker Brandauers! dieses gezauberte Kaninchen aus dem Hut!!) macht seine Sache sehr sehr gut; es ist das erste Mal, dass er dann überhaupt auf einer Bühne und Theater spielt, die Artikulation ist durchaus schauspielreif, bewegen kann er sich, und singen tut er sowieso nicht schlecht - allein den Mackie-Messer-Song nahm Brandauer ihm rätselhafter Weise weg - - den sang UND spielte: ??? (stand, sehr unerklärlich, nicht auf dem Besetzungszettel; schade auch, denn er war exzellent). Maria Happel als Spelunkenjenny hat das sängerisch am überzeugendste Format; bei ihr wird in den nächsten Wochen höchstwahrscheinlich weniger Verschleiß bemerkbar sein wie bei den anderen, sie weiß sich selbst sehr gut zu regulieren. Tiger Brown und dessen Tochter Lucy werden von Michael Kind und Jenny Deimling dargebracht; der erstere konnte mit Weill noch mehr als seine Partnerin beginnen, letztere bestach dafür in spielerischer Witzgewalt. Mit Gottfried John und Katrin Sass als Eheleute Peachum war ein kongeniales Paar gewonnen; was allein die Sass an diesem Abend, auch in selbstverarscherischen Wüchten, auf die Bretter legte, war von hörens-/sehenswerter Extraklasse.
Das Ensemble generell (zu nennen unbedingt dann auch die Darsteller der Platte: Alf, Berg, Bigalke, Wassermann, Korves, Waschk) in aufgelöster ansteckender Spielerlaune.
Schade, dass dann Walter Schmiedinger in jenem kleinen Auftritt Pastor Kimballs aus dem Ersten Akt - er und das Szen’chen fehlten - nicht erlebbar waren. Das hat dann die Presse doch nicht registrieren können, was der Grund für dieses ungeplante Manko war. Ich jedenfalls war schon, vor allem und in erster Linie, wegen ihm in der DREIGROSCHENOPER. Stark vermisst.


Andre Sokolowski - red / 14. August 2006
ID 00000002600
www.andre-sokolowski.de



DIE DREIGROSCHENOPER (Brecht/Weill)

Inszenierung: Klaus Maria Brandauer
Musikalische Leitung: Jan Müller-Wieland
Bühne: Ronald Zechner
Kostüme: Petra Reinhardt
Produktion: Lukas Leuenberger
Es musizieren Mitglieder des Deutschen Filmorchesters Babelsberg

Hauptrollen:
Gottfried John (Peachum)
Katrin Sass (Mrs. Peachum)
Birgit Minichmayr (Polly Peachum)
Campino (Macheath)
Michael Kind (Tiger Brown)
Jenny Deimling (Lucy)
Maria Happel (Spelunkenjenny)

Premiere am 11. August 2006, Admiralspalast Berlin

Nächste Vorstellungen: 15. 8. bis 24. 9. 2006 täglich (außer Montag)

Weitere Infos siehe auch: http://www.die-dreigroschenoper.de






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