"Schläft ein
Lied in
allen
Dingen"
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Plakat: Benedikt Wallisser
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Bewertung:
Prachtvoll geschmückte, schreitende oder posierende Damen und Herren beschirmen sich in der Ehrenfelder Platenstraße dekorativ ihre Augen durch venezianisch anmutende Masken. Schon im Eingangsbereich des URANIA THEATERs lassen sich prachtvolle und elegante Kostüme im venezianischen Stil vom Atelier Maria Lucas bewundern. Besucher stoßen mit gefüllten Sektgläsern miteinander an. Nicht nur die Garderobe scheint kostbar und glamourös. Auch der Varieté-Abend selbst verspricht prunkvoll und opulent zu werden, beleben doch sowohl Artisten als auch Opernsolisten die Bühne. Die Szenerie im Theatersaal ist kunstvoll mit Accessoires wie Stoffblumen ausgestattet. Aufeinanderfolgende Höhepunkte versprechen einen ausschweifend phantasievollen Rausch für Augen und Gehörgänge.
„Schläft ein Lied in allen Dingen“ zitiert eine Signora aus dem hauseigenen Chor der Urania Voices zu Beginn der Aufführung aus der Wünschelrute von Joseph von Eichendorff. Mit diesen Worten öffnet sich der Raum gleich zu Beginn für romantische Vorstellungen. Regisseurin Bettina Montazem entführt uns in ihrer sechsten Regiearbeit am URANIA THEATER in die berühmte schwimmende Lagunenstadt voller Brücken, die den romantischen Beinamen „la Serenissima“ (die Durchlauchtigste) trägt. Für eine stimmungsvolle, familiäre Atmosphäre sorgt neben den nur etwa 200 Sitzplätzen die Tatsache, dass auch die beiden Töchter der Theaterleitung als Vereinsvorsitzende respektive künstlerische Theaterleitung im Familienbetrieb mitwirken. Bei der aktuellen Produktion setzen sie sich auf der Bühne effektvoll in Szene: Lea Johanna Montazem trägt ein adrettes, maßgeschneidertes Weißclown-Kostüm. Auf ihren Hut ist ein silberner Halbmond befestigt. Als La Luna stimmt Lea Johanna gleich zu Beginn gefühlvoll eine bewegende Sopranarie an. Später erhält sie Szenenapplaus für ihre Interpretation von Eduard Künnekes „Strahlender Mond (der am Himmelszelt thront)“.
Kokett, schrill und extravagant präsentiert sich hingegen ihre Schwester Rosa Halina Dahm als Grande Dame im schwarzen Kostüm. Dem Publikum gibt sie mal mit kleinen Gesten zu erkennen, dass sie für jede ihrer Bewegungen passende Applaus-Rhythmen einfordert, später sorgt sie als Gevatterin Tod für Spannung und lärmendes Entsetzen. Auch provoziert sie zwischen kurzen Szenen-Umbauten durch köstliche Flirts mit dem männlichen Cast. Insbesondere Harrison Kremo weiß die Annäherungsversuche der Grande Dame wunderbar zu parieren. Dieser überzeugt in Szenen während der Jonglage mit seinem Vater Kris, wenn beide auf beeindruckende Weise synchron rote Hüte, Zigarrenkisten oder kleine Bälle in die Luft werfend balancieren. Der gleichfalls gewinnend mit tänzerischer Gewandheit auftretende Artist Olekseij Sherbluk lässt hingegen Seifenblasen in unterschiedlichen Farben und Formen entstehen. Dabei lösen sich kleine runde Seifenblasen mitunter formschön aus Größeren.
Der 19jährige Mexikaner David Meraz überrascht als Kontorsionist oder sogenannter Schlangenmensch mit außergewöhnlicher Biegsamkeit, körperlicher Flexibilität und Kontrolle. Leichtfüßig begibt er sich in den Handstand und übt sodann glanzvoll erstaunliche weitere Bewegungen aus. Seinen ganzen Körper kann er auf einer einzigen Handfläche tragen und sich wie ein Paket geschickt zusammenfalten. Begleitet wird seine Vorführung durch Ariengesang von Lea-Johanna Montazem, der durch Szenenapplaus aufgrund der akrobatischen Spitzenleistungen aufgelockert wird.
Ein weiterer Höhepunkt ist schließlich die 22jährige Amelie Kamps aus Kevelaer, die an den Strapaten oder dem großen Ring mit geschmeidiger Agilität und wendiger Flexibilität in der Luft für Glanzmomente sorgt. Ihre kraftvoll-tänzerische Luftartistik wird ebenfalls teilweise durch Live- Gesang untermalt: hier setzt Claus Renzelmann mit kraftvollen Bassbariton Akzente. Er überraschte bereits zuvor als keck-verführerischer Papageno mit einer schmachtend schillernden Version der Arie "Der Vogelfänger bin ich ja" aus Mozarts Zauberflöte. Im Duett mit James Williams, der den Abend als Pianist am Klavier durchgehend begleitet und als musikalische Gesamtleitung firmiert, singt er markant Ausschnitte aus einem Canzone del Gondoliere.
Eine weitere große Solo-Stimme des Abends ist schließlich auch die Schweizer Mezzosopranistin Paula Meyer, die unter anderem die bekannte Händel-Arie „Lascia ch’io pianga“ klangschön interpretiert und auch später betörend aufhorchen lässt. Schlussendlich seien auch die Urania Voices erwähnt, die u. a. „Nella Fantasia“ von Ennio Morricone farbenfroh zum Besten geben. Der Chor, mitunter rechts und links zu den Zuschauerreihen platziert, animiert das Publikum auch wirkungsvoll zum Mitsingen. Eine lichtdurchflutete kleine Italien-Reise, die mit eindrucksvoller Akrobatik und pointierten Gesangsmomenten, aber auch mit erfrischendem kölschen Flair für sich einnimmt.
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Maskenball in Venedig mit Amelie Kamps und David Meraz - im Urania Theater Köln-Ehrenfeld | Foto © carasana TV
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Das URANIA THEATER im Kölner Stadtteil Ehrenfeld wurde im Herbst 1985 als erstes Kölner Stadtteiltheater eröffnet. Derzeit ist das Traditionshaus ein familiengeführtes Privattheater dreier Frauen, das keine staatliche Förderung erhält, aber durch einen lokalen Förderverein unterstützt wird.
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Ansgar Skoda - 31. August 2025 ID 15437
MASKENBALL IN VENEDIG (Urania Theater Köln-Ehrenfeld, 29.8.2025)
Konzept & Regie: Bettina Montazem
Musikalische Leitung: James Williams
Coaching Stimme: Hartmut Singer
Co-Regie Artistik: Alexander Mitin
Walzer: Andreas Schmitz
Kostümdesign: Atelier Maria Lucas unter der Leitung von Andre Lucas
Lichtdesign: Jens Günther
Bühne & Plakat: Benedikt Wallisser
Artistik: Kris Kremo (Jonglage), Oleksij Sherbluik (Seifenblasen), Harrison Kremo (Jonglage), Amelie Kamps (Luftartistik) und David Meraz (Kontersion)
Schauspiel: Rosa-Halina Dahm
Gesang: Lea-Johanna Montazem (Sopran), Paula Meyer (Mezzosopran), Claus Renzelmann, Ramon Mundin (Tenor) und James Williams (Tenor & Klavier)
Urania Voices (Chor der Fördermitglieder Urania Theater)
Premiere war am 29. August 2025.
Weitere Termine: 04.-07., 11.-14., 18.-21., 25.-28.09./ 02.-05., 09.-12., 16.-19., 23.-26.10.2025
Weitere Infos siehe auch: https://uraniatheater.de
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