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nachDRUCK # 6

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Tanztheater

Eine fulminanten Show,

die die 1930er Jahre

mit dem heutigen

Berlin verbinden



Steph Quinci in Goodbye Berlin von Constanza Macras und Dorky Park | Foto (C) Thomas Aurin

Bewertung:    



Die vorerst letzte Produktion von Constanza Macras an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz trägt den Anlass schon im Titel: Goodbye Berlin sagt und tanzt ihre Truppe Dorky Park. Es war bereits seit Wochen Thema in den Zeitungen der Stadt. Der designierte Volksbühnen-Intendant Matthias Lilienthal wird Macras und ihre seit Jahren erfolgreich in Berlin aktive Tanzkompanie nicht übernehmen. Das kann man bedauern. Die Hoffnung, dass andere Häuser hier in die Bresche springen, besteht natürlich und ist bei der Reputation der Truppe auch nicht unbegründet.

Goodbye to Berlin heißt auch ein 1939 erschienener, halb-autobiografischem Roman von Christopher Isherwood, der neben dem Essay Watching Weimar Dance von Kate Elswit und dem Vermächtnis prominenter TänzerInnen jener Zeit wie Kurt Jooss, Anita Berber und Valeska Gert eine weitere Inspirationsquelle für den Abend, der „das amoralische Universum des berauschenden Spektakels“ in den turbulenten Jahren der Weimarer Republik ins Visier nehmen will. Isherwoods Roman war auch die Vorlage für das in den 1960er Jahren entstandene Musical Cabaret. Also ganz großes auch politisches Kino gepaart mit einem ekstatischen Tanz auf dem Vulkan der internationalen Berliner Varietészene kurz vor der Machtübernahme der Nazis. Das ist hoch aktuell in einer Zeit, in der MigrantInnen in Deutschland selbst vom amtierenden Bundeskanzler wieder als Problem im „Stadtbild“ bezeichnet werden. Und wie damals ist die allgemeine Stimmung am Kippen.

Hier kippt zunächst nur ein Engel mit goldenen Flügeln, der auf der leeren Bühne versucht abzuheben. Dann gibt es eine erste Gruppenchoreografie zu den Elektrobeats von Robert Lippok, seit Jahren immer wieder für die Musik bei Constanza Macras verantwortlich. Zwei Tänzer treten in Skelettkostümen mit Totenköpfen (Slavna Martinovic) auf und geben so die Richtung vor. Das Amüsement einer Stadt am Abgrund, in der sich alles immer auf dem Sprung befindet. Campbell Caspary gibt den erzählenden Conférencier. Von einer Showtreppe (Bühne: Simon Lesemann) herabsteigend berichtet er über den Charme dieser Stadt. Bewegung und Offenheit seien die Vorteile gegenüber London oder Paris. Das ist ein Statement aus dem Roman. Ein Bild Berlins aus den 1930er Jahren als Zauberstadt. Man kennt das nicht erst seit der Serie Berlin Babylon.

Die Textbeiträge des Abends sprechen da immer wieder von Berlin als Stadt der Partys, Drogen, des Sex und Okkulten in den Clubs und Bars. Eine Parallelführung der Nachtschwärmer in der Hauptstadt der Weimarer Republik mit der Metropole der Expats von heute. Das internationale Ensemble von Dorky Park ist wie gemacht für diese Darstellung des alten und neuen Berlins. Candaş Baş berichtet, warum sie von Istanbul nach Berlin gekommen ist, und singt einmal ein ergreifend trauriges Lied. Der Tänzer Campbell Caspary ging auf der Suche nach sich selbst den umgekehrten Weg nach Amerika. Die Brasilianerin Fernanda Farah erzählt vom Berlin der 1930er Jahre mit der Arbeiterkneipe „Hackepeter“, der Sexindustrie, dem Hellseher Hanussen oder dem Börsencrash. Ganz nebenbei erfährt man auch die Geschichte der Tänzerin Sally Bowles aus dem bekannten Musical.

Zu den dynamisch treibenden Beats von Robert Lippok zuckt das Ensemble in wilden Choreografien. Die TänzerInnen fallen übereinander her. Ein Ballett der historischen Figuren in kriegerischen Gewaltposen. Da wird geohrfeigt und gekuschelt. Dazu gibt es noch die direkte Gegenüberstellung von softem Ausdruckstanz ala Mary Wigman und den harten Technobeats einer Fetischparty. Steph Quinci führt als queere Nachteule durch die sterbende Berliner Clubkultur und tanzt ganz nackt ein blutiges Solo. Fast akrobatisch hängt das Ensemble immer wieder an Pool-Dance-Stangen, und in Songs und Medleys wird der alten und jüngeren Popkultur gehuldigt. Die Unbekümmertheit einer diversen Szene vor der Apokalypse und dem Rückfall ins Traditionelle. Der Abend endet in einer bedrohlichen Choreografie des Uniformen vor den projizierten Kriegsruinen Berlins und spiegelt prophetisch in einer herabschwebenden Wand das Publikum im Saal, das den beteiligten KünstlerInnen beim Schlussapplaus in Standing Ovations dankt.




Goodbye Berlin von Constanza Macras und Dorky Park | Foto (C) Thomas Aurin

Stefan Bock - 31. Oktober 2025
ID 15539
GOODBYE BERLIN (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 30.10.2025)
von Constanza Macras und Dorky Park

Konzept, Regie & Choreographie: Constanza Macras
Bühne: Simon Lesemann
Kostüme: Slavna Martinovic
Musik: Robert Lippok
Licht: Kevin Sock
Live-Kamera: Pablo Villar
Dramaturgie: Carmen Mehnert, Tamara Saphir und Lili Hering
Mit: Candaş Baş, Alexandra Bódi, Emil Bordás, Campbell Caspary, Chloe Chua, Oksana Chupryniuk, Deborah Dalla Valle, Fernanda Farah, WooSang Jeon, Moritz Lucht, Thulani Lord Mgidi, Miki Shoji, Shiori Sumikawa und Steph Quinci
UA war am 30. Oktober 2025.
Weitere Termine: 03., 06., 29.11./ 23.12.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin


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