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Brechts

Edward II.



Mark Harvey Mühlemann (als Gaveston, li.) und Laurenz Wiegand (als Eduard II.) in Brechts Leben Eduards des Zweiten von England am Neuen Globe Theater, Potsdam | Foto (C) Philipp Plum

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Vor knapp 30 Jahren rückte der Filmemacher Derek Jarman die historische Schwulengeschichte Edwards II. von England (1284-1327), der wegen seiner Liebesaffäre mit dem aus Frankreich stammenden Piers Gaveston (1284-1312), welcher auf Betreiben des damaligen Erzbischofs von Canterbury enthauptet worden war, letztlich zum Abdanken gewungen wurde, genauso in den zeitgenössischen Fokus, wie es ihrer Zeit bereits schon Christopher Marlowe oder Bertolt Brecht in ihren Stücken taten. "Freie Liebe" und "große Politik" vertrugen sich schon damals nicht aufs Ideale - dieses zu behandeln oder gar womöglich zu erklären nahmen sich (nicht nur) diese drei Angsprochenen zum Ziel. Als die Corona-Lockdowns letztes Jahr zur Schließung sämtlicher Kultureinrichtungen geführt hatten, mussten sich die Theaterschaffenden das eine oder andere einfallen lassen, um nicht gänzlich ihre angestammten Zuschauerinnen und Zuschauer auf immer und ewig zu verlieren, der sogenannte Live-Stream kam seither in Konjunktur - ich sah da, beispielsweise, Eduard II. Die Liebe bin ich vom Schauspiel Köln, eine mehrteilige Soap-Opera von Ewald Palmetshofer, und die fand ich äußerst pfiffig und intelligent gemacht.

*

Jetzt zeigte das NEUE GLOBE THEATER aus Potsdam seine Version dieser Geschichte im Varieté-Saal der Berliner ufaFabrik und berief sich dabei auf die sehr selten gespielte Stückbearbeitung von Brecht (nach Marlowe): Leben Eduards des Zweiten von England - die Premiere (Inszenierung: Kai Frederic Schrickel) war schon Juni 2019; seither zählt sie zum Tournee- und Repertoireprogramm des vor ca. sieben Jahren gegründeten Potsdamer Off-Theaters.



Szene mit Laurenz Wiegand (als Eduard II.) in Brechts Leben Eduards des Zweiten von England am Neuen Globe Theater, Potsdam | Foto (C) Philipp Plum

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Im Zuge der in schlechte Mode geratenen sogenannten "Überschreibungen" klassischer Stückvorlagen oder inszenatorischen Teil- und Ganzamputationen selbiger durch das mittlerweile außer Rand und Band geratene sogenannte Regietheater im deutschsprachigen Raum war es gestern Abend eine regelrechte Wohltat, dem Originaltext Bertolt Brechts gelauscht haben zu dürfen. Der junge Autor (damals erst so Mitte 20) verfasste sein Stück - als Abgrenzung zum elisabethanischen Theater eines Marlowe, Shakespeare usw. - gemeinsam mit Lion Feuchtwanger (damals so an die 40) und debütierte hiermit gleichsam auch als Regisseur; die Uraufführung fand dann 1924 an den Münchner Kammerspielen statt.

Die v.a. für Tourneezwecke gedachte Bühne von Hannah Hamburger beschränkt sich lediglich auf einen großen breiten Holzquader, woraus/ worein sie Akteure ggf. erstehen und verschwinden lassen kann sowie einen Galgen und/ oder diverse Mikrofone an den beiden Bühnenrändern; ihre z.T. historisierenden Kostüme freilich sind sehr auffällig und also über alle Maßen sehenswert - die zumeist hocherotischen Ausstrahlungen der Schauspielerinnen und Schauspieler, welche in ihnen stecken, gewinnen oft dann erst durch sie an zielführender Qualität, kurzum: Ich guckte sehr gern hin und freut mich selstredend über jede Menge Haut & Haar, das es an diesem Abend ungeizigermaßen zu besichtigen gegeben hatte!

Zuvörderst freute ich mich allerdings über die zwei sprich drei Protagonisten dieser wunderbaren und detailgetreuen Produktion: über den trotz seines vermeintlich jungen (Stückheld-)Alters fast dann schon gefräßig, sexuell gefräßig, scheinenden Titelhelden, gespielt vom ungestümen und sowohl das weiche Schöne wie das wirre Feige adäquat zur Schau gestellt habenden Laurenz Wiegand; über die merkwürdig unberechnende (wirklich unberechnende?) und also arglos sich manifestiert habende Libido des Eduard-Geliebten Gaveston, gespielt von Mark Harvey Mühlemann; und (nicht zuletzt) über die machoartige Überpräsenz des nicht nur seine staatspolitischen sondern auch körperlichen Machtansprüche mit Intrigen und Gewalt verwirklichenden Mortimer, gespielt von Max Agné!!!

Und alle andern [Namen s.u.] dürften eigentlich dann auch nicht unerwähnt geblieben sein.

Sehr inspirierend insgesamt, ja, vielen, vielen Dank!!
Andre Sokolowski - 11. November 2022
ID 13905
LEBEN EDUARDS DES ZWEITEN VON ENGLAND (Varieté-Salon in der ufaFabrik, 10.11.2022)
von Bertolt Brecht in Zusammenarbeit mit Lion Feuchtwanger nach Christopher Marlowe

Regie: Kai Frederic Schrickel
Ausstattung: Hannah Hamburger
Regieassistenz: Falk Strehlow
Maske (Plakat): Yvonne Joseph
Mit: Maxim Agné, Andreas Erfurth, Alexander Jaschik, Marius Mik, Mark Harvey Mühlemann, Magdalena Thalmann und Laurenz Wiegand
Potsdamer Premiere war am 13. Juni 2019.
Eine Produktion des Neuen Globe Theater, Potsdam


Weitere Infos siehe auch: https://neuesglobetheater.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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