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Premierenkritik

Putin-

Bashing

mit Folgen



Pussy Riot – Anleitung für eine Revolution am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

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Wir sollten den Namen Putins so oft wie möglich beschmutzen, ruft eine Frau aus. Dieser Mann, der halbnackt auf einem Pferd posiere, sei lächerlich. Trotzdem ließen sich die Insignien seiner auch religiösen Macht nicht ignorieren. Immerhin stehe hinter Putin, der weite Teile Russlands an Oligarchen verschenkte, auch der Patriarch Kyrill I., Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche.

Um weiterzukommen, müsse man in Russland männlich sein, kein Putin-Kritiker und Oligarch, erklärt eine Sprecherin. Faire Wahlen gibt es schon lange nicht mehr, nur elf Prozent Frauen sitzen im Parlament. Putins einzige Angst gilt Homosexuellen, so setzt die Putin-Regierung seit Jahren Anti-Homosexualitäts-Propaganda durch. Drei Figuren (Markus J. Bachmann, Linda Belinda Podszus, Birte Schrein) ereifern sich auf der spärlich mit einem dreigliedrigen Gestell ausgestatteten Bühne über fehlende Perspektiven und Unterdrückung von Frauen, Widerständigen und Minderheiten in Russland.

Die szenische Einrichtung am Theater Bonn widmet sich mutigen Frauen, die dem Regime Putins Kunst als aktive Form des Widerstands entgegensetzen: Pussy Riot spielen schon im Namen (dt.: „Muschi-Krawall“) mit dem archaischen Gewalt-Kult, der in Russland vorherrscht. Die Frauen opponieren dagegen, in Russland aufgrund ihres sogenannten Liebreizes beurteilt und bloß als Objekte angesehen zu werden. Feministinnen wird Männerhass unterstellt. Es heißt, Feminismus zerstöre die Familie. Die Punkband steht unter ständiger Beobachtung durch Russlands Sicherheitsbehörden.

Die Aufführung beruht auf dem Manifest Anleitung für eine Revolution von Nadja Tolokonnikowa. Das Pussy Riot-Mitglied wurde zu zwei Jahren Haft im mordwinischen Straflager verurteilt. Die Figur der Tolokonnikowa (Linda Belinda Podszus) versucht die harten Haftbedingungen mit Humor zu nehmen, denn jede Haft hört einmal auf. Sie geht in Hungerstreik für faire Arbeitsbedingungen während der Zwangsarbeit. Eine Wärterin (Birte Schrein) erklärt ihr hinter vorgehaltener Hand, dass sie insgeheim auch auf die große Revolution und den großen Ansturm gegen das russische Regime warte. Eine andere Figur fragt auf der Bühne, warum Putin seine einzigen Kinder - die beiden Töchter - zum Studium nach Europa schickte, wenn er Europa so ablehne. Leider verharmlost die Vorführung durch solche Verweise etwas die Gefahr, die von Russland ausgeht.

Frieden ist sehr verletzbar. Weltweit sind Antidemokratisierungsbewegungen auf dem Vormarsch. Der Einfall Russlands in die Ukraine irritierte das trügerische Sicherheitsgefühl hierzulande nachhaltig. Eine Regierung, die Demokratiebewegungen im Nachbarland nicht toleriert, erscheint gerade als totalitäre Bedrohung. Vladimir Putin nutzte die Schwächung des Westens durch die Coronakrise für seinen Einfall. Angst ist jedoch stets ein schlechter Ratgeber.

Die mittlerweile vierte Amtszeit Putins in Russland festigte eine autoritäre, freiheitsfeindliche und faschistische Regierung. Weltweit wurden künstlerische Protestaktionen, die einstehen im Kampf für Freiheit und Demokratie, in Russland wahrgenommen. Diese widerspenstige Gegenbewegungen zur chauvinistisch reaktionären und aggressiven Politik Putins erregen nun auch am Theater Bonn eine gewisse Aufmerksamkeit.

Am Ende zählt eine Stimme aus den Off (Markus J. Bachmann) bemerkenswerte andere Widerstände von Frauen gegen das Regime des russischen Präsidenten auf. In Sibirien sollen so Frauen junge Männer durch ihren Protest vor Zwangsrekrutierungen geschützt haben. Die kurzweilige szenische Einrichtung von Maximilian Immendorf und Darstellerin Linda Belinda Podszus stellt wichtige Fragen, bleibt jedoch ein bisschen zu skizzenhaft und brav, ohne einschneidende dramatische Wendepunkte. Insbesondere Birte Schrein glänzt nichtsdestotrotz in wechselnden Rollen, mal als Pussy Riot-Aktivistin, dann wieder als Gefängnisvorsteherin. Während der etwa einstündigen Performance berühren zudem zahlreiche gekonnte authentische Gesangseinlagen (Musik: Linda Belinda Podszus).



Pussy Riot – Anleitung für eine Revolution am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 17. Oktober 2022
ID 13858
PUSSY RIOT – ANLEITUNG FÜR EINE REVOLUTION (Werkstatt, 15.10.2022)
Szenische Einrichtung, Konzept & Regie: Maximilian Immendorf und Linda Belinda Podszus
Kostüme: Djamilja Brandt
Musik: Linda Belinda Podszus
Licht: Jana Erbeling
Mit: Markus J. Bachmann, Linda Belinda Podszus und Birte Schrein
Premiere am Theater Bonn: 15. Oktober 2022
Weitere Termine: 31.10./ 08.11.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


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