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Premierenkritik

Nibelungen-

Überschreibung,

langweilig

inszeniert

HILDENSAGA. EIN KÖNIGINNENDRAMA
von Ferdinand Schmalz


hildensaga von Ferdinand Schmalz am Deutschen Theater Berlin
Foto (C) Thomas Aurin

Bewertung:    



Nach der Uraufführung bei den Wormser Nibelungen-Festspielen im Juli 2022 haben viele deutschsprachigen Bühnen von Baden-Baden über München bis nach Wien Ferdinand Schmalz‘ emanzipatorische Umdeutung des deutschen Helden-Epos mit dem Titel hildensaga. ein königinnendrama recht erfolgreich ins Programm genommen. In der Regie von Markus Bothe nun auch das Deutsche Theater Berlin. „Die Zeit der Helden ist Geschichte. Packt eure Heldentaten ein. Bindet sie wem andren auf.“ brüllt hier Svenja Lisau als von Siegfried für Ehemann König Gunter vergewaltigte Brünhild. Die andere Hilde ist die Wormser Königstochter Kriemhild und Gattin des besagten Helden, der Brünhild für König Gunter im Wettkampf mit einer Tarnkappe erringt. Daraus entwickelt sich im originalen Sagenstoff, den neben Friedrich Hebbel und Richard Wagner u.a. auch Heiner Müller bearbeitet hat, ein hinterlistiges Intrigenspiel, das zum Mord an Siegfried führt, was in einen blutigen Rachefeldzug Kriemhilds gegen die Burgunden mündet. Dabei werden die beiden Frauen durch ihren gesellschaftlichen Stand und die Macht der Männer gesteuert zu Konkurrentinnen.

Das wollte der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz ändern. Aus männlichen Helden werden bei ihm selbstermächtigte Hilden und Schwestern im Geiste, die gegen das Patriarchat und ihre Rolle im Spiel der Männer-Macht aufbegehren. Unterstützt werden sie im Stück dabei von den Nornen, die nordischen Schicksalsgöttinnen, die hier an bestimmten Stellen in die selbst gewebten Schicksalsfäden einzugreifen versuchen, um das Unabwendbare doch noch zu wenden. Am DT übernimmt diese Rolle Ulrich Matthes, der sich im samtroten Wallegewand immer wieder das Spiel kommentierend zu Word meldet. Mit den Nornen im Bunde schließen sich die Hilden zusammen, um ihr Schicksal und die Rache an den sie benutzenden Männern in die eigenen Hände zu nehmen.

So weit, so gut. Aber vorher muss auch bei Schmalz noch der Plot der alten Heldensage bis zum Mord an Siegfried durchgespielt werden. Das allerdings mit anderem Text, der nicht ganz unironisch aus den alten Recken ziemliche Pappnasen macht. Entsprechend faschingsaffin hat Justina Klimczyk die Wormser Brüder Gunter (Florian Köhler) Gernot (Jeremy Mockridge) und Giselher (Andri Schenardi) sowie ihren hinterlistigen Vasallen Hagen (Jonas Hien) in neonfarbene bis zur Brust reichende Bodies gepackt, über denen sie ebenso knallfarbene aufgerissene Flokati-Teppiche als Mäntel tragen. Etwas besser kommt da Jung-Held Siegfried weg, der in Jeans und T-Shirt zunächst mit Muskel-Posing beschäftigt ist, bevor er zu Brünhild auf Isenstein „ins herz hinein“ will. Weil die ihn aber nicht für immer da haben will, trollt er sich eingeschnappt wieder und kommt dann getreu der Sage mit den Burgunden wieder zurück. Zuvor hat der nordische Gottvater Wotan (teuflisch schmierig Felix Goeser) seine unbotmäßige Tochter noch mit dem Fluch belegt, dass sie den zum Manne nehmen muss, der sie in einem Zweikampf besiegt. Wer allerdings unterliegt, muss sterben.

So zweifelt dann auch hier der nicht besonders heldenhaft schlotternde König Gunter, ob die Idee, sich auf den Kampf im kalten Island einzulassen, wirklich eine gute Idee war. Schmalz spielt hier sehr schön mit großen Worten und Blankvers fast wie für eine Wagnerparodie. Da steckt auch viel Oper drin. Allerdings wird das bei Markus Bothe auf der kreisrunden mit einem Loch in der Mitte versehenen Bühne von Kathrin Frosch tatsächlich mehr zu einer Farce mit lauter männlichen Knallchargen. Der Witz der Vorlage wird dabei recht billig verspielt. Gelacht wird bis zur Pause trotzdem viel. Ulrich Matthes Nornenfigur als ernsthafter Sidekick stellt hier das Gegengewicht zur reichlich leichtgewichtigen Alberei. Etwas gelangweilt sieht man zu, wenn der gefakte Zweikampf zwischen dem angeseilten Gunter und Brünhild mehr erzählt als gespielt wird.

Die beiden Hilden, neben Brünhild hier die zunächst noch recht naive Frohnatur Julischka Eichel als Kriemhild, möchte man da gerne ausnehmen. Dass es die Wormser Königstochter unter den depperten Männerkarikaturen nicht leicht hat, will man gerne glauben. Es fehlt dann allerdings der letzte Wille zur echten emanzipatorischen Tat. An Thelma und Louise lässt einen das denken. Erst zicken sich die beiden Hilden im Hochzeitskleid wie im Original vorm Gang in die Kirche an. Doch bis zum Bund muss noch viel altbekannter Plot über die Bühne geschoben werden, der hier mit dem von Schmalz geschickt auf alt getrimmten Text doch etwas altbacken und ohne rechten Regiezugriff abläuft.

Mit der zweiten Hochzeitsnacht, bei der sich Recke Siegfried wieder eine Nylonstrumpf-Tarnmaske überzieht, um die widerspenstige Brünhild gefügig zu machen, kommt die Wende. Svenja Lisau geht nun vollends auch sich heraus und brüllt den Burgunden ihren Hass ins Gesicht. Doch dann ist Pause, nach der zur Jagd geblasen wird und die Intrige zu Siegfrieds Tod ihren Lauf nimmt. Da ist die Luft aus der Inszenierung aber schon ziemlich raus. Kriemhild reicht nun Brünhild zur gemeinsamen Rache die Hand und beide streifen ihre Hochzeitskleider ab. Die Jagdtrophäen der Männer gehen nun selbst zur Jagd. Aber der Doppel-Wumms bleibt aus. Der fast dreistündige Abend zieht sich nun im Wald bis alle außer Brünhild weiß bestäubt tot am Boden liegen. So die Umdeutung des blutigen Endes des Nibelungendramas von Ferdinand Schmalz. Das nun die Bühne bestimmende Gerippe des toten Drachen lässt nicht viel Platz zum Agieren. Eine lähmende Endzeitstimmung mit im Text losgelassenem Fenriswolf als Bild für heutige Naturkatastrophen beendet einen Abend, der zwar ausstattungsmäßig punkten kann, aber spielerisch nicht viel zu bieten hat.



hildensaga von Ferdinand Schmalz am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Thomas Aurin

p. k. - 28. März 2024
ID 14677
HILDENSAGA. EIN KÖNIGNNENDRAMA (Deutsches Theater Berlin, 28.03.2024)
von Ferdinand Schmalz

Regie: Markus Bothe
Bühne: Kathrin Frosch
Kostüme: Justina Klimczyk
Musik: Friederike Bernhardt
Video: Fritz Gnad, Alexander Rechberg
Licht: Matthias Vogel
Dramaturgie: Jasmin Maghames
Mit: Svenja Liesau (Brünhild), Julischka Eichel (Kriemhild), Ulrich Matthes (Nornen), Felix Goeser (Wotan), Janek Maudrich (Siegfried), Florian Köhler (Gunther), Jonas Hien (Hagen), Jeremy Mockridge (Gernot) und Andri Schenardi (Giselher)
UA bei den Nibelungenfestspielen Worms: 15. Juli 2022
Berliner Premiere war am 28. März 2024.
Weitere Termine: 03., 11.,14.04.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de


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