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Premierenkritik

Banales

Well-Made

Play



Birthday Candles am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



100 Jahre in 100 Kuchen, so lässt sich sehr verkürzt die Dramaturgie von Birthday Candles, einem Stück des US-amerikanischen Dramatikers und Drehbuchautors Noah Haidle beschreiben. Das Well-made Play wurde bedingt durch die Corona-Pandemie mit zwei Jahren Verspätung Anfang April im American Airlines Theatre am Broadway uraufgeführt. Nun folgte die deutsche Erstaufführung, die die Regisseurin Anna Bergmann für das Deutsche Theater Berlin eingerichtet hat.

Das Stück zeigt seine Protagonistin Ernestine Ashworth immer wieder an ihren Geburtstagen, beginnend mit dem 17. bis zum 107. Wie ein Ritual begleiten die Feiern das Backen eines ganz speziellen Geburtstagskuchens. Das Rezept wird in der Familie von Mutter zu Tochter weitergegeben. „Eier, Butter, Zucker, Salz. Ganz schlichte Zutaten. Aber wenn du dich umdrehst und weit genug blickst, siehst du Atome, die seit der Schöpfung da sind“, philosophiert zu Beginn Ernestines Mutter, als sie von ihrer erst 17jährige Tochter gefragt wird: „Mama, habe ich mein Leben vertan.“ Dazu wabert, begleitet von esoterische Musik, Sternenstaub als Videoprojektion über einen Gazevorhang.

Anna Bergmann hat ihre Ernestine wie schon in der 2019 zum THEATERTREFFEN eingeladenen Ingmar-Bergman-Adaption Persona mit Corinna Harfouch besetzt. Die großartige Schauspielerin hat momentan bei der Wahl ihrer Rollen an Berliner Theatern allerdings kein gutes Händchen. Schon die als Sternenkriegs-Klamotte daherkommende Queen Lear am Gorki-Theater war leider unerträglich. Dazu kommt nun auch noch ein an Kitsch und Banalität kaum noch zu überbietender Eso-Quark, der gern bedeutend und existentialistisch wäre, aber über ein schlichtes Mutter- und Hausfrauen-Schicksal in der US-amerikanischen Kleinstadt nicht hinaus kommt. Große Pläne und Lebensentwürfe enden in der Küche beim Rühren des bereits erwähnten Kuchens, während in mehreren kurzen Szenen über die Zeitspanne von 90 Jahren geliebt, geheiratet, geboren, geschieden und gestorben wird.

Das ist so vorhersehbar wie banal. Erst stirbt die Mutter, dann heiratet Ernestine ihren High-School-Lover (Alexander Khuon), bekommt zwei Kinder von ihm und ist im Handumdrehen 40. Ihr Schicksal scheint sich in den Kindern zu wiederholen. Die Jugend macht es nicht viel anders. Die Tochter (Kathleen Morgeneyer) nimmt sich das Leben, der Sohn (Enno Trebs) heiratet ebenfalls seine erste Liebe (Franziska Machens) und bekommt mit ihre Kinder, die wiederum Kinder in die Welt setzen. Affären und Scheidungen inklusive. Kann sein, dass Noah Haidle da eine Hymne für die verkannte Mutter und Hausfrau schreiben wollte. Anna Bergmann walzt das dürftige Drama allerdings auf zwei Stunden Spielzeit aus, inklusive Gestalttanz des Staatsballett-Solisten Martin Buczko, der den Goldfisch mit buddhistischem Namen Atman spielt. Die ewige Essenz des Geistes eingesperrt im Glas. Ein Geschenk des dauerverschmähten Jugendfreunds Kenneth, den Bernd Stempel beharrlich unterspannt und selbstironisch gibt? Mit 80 erreicht er sein Ziel, kurz bevor ihn der Krebs hinrafft.

Stoisch gutgelaunt gelaunt spielt die Harfouch ihre Rolle dem jeweiligen Alter angepasst im immer gleichen Outfit mit langem Haar. Dass sich von den 1930er Jahren bis in unsere Zeit auch die große Weltbühne unerbittlich weitergedreht hat, kommt in Haidles Stück nicht vor. Bergmann lässt nur die wie ein alter Kastenfernseher gestaltete Bühne mit Küchenzeile um sich rotieren und sich nach hinten öffnen. Hin und wieder werden auch private Fotos von Corinna Harfouch aus ihrem Leben auf den Gazevorhang projiziert. Viel mehr tritt da nicht in diesen ewigen Kreislauf des menschlichen Lebens. Für eine Regisseurin wie Anna Bergmann mit ausgestellt feministischem Anspruch ist das etwas wenig. Das viele Brimborium ihrer Inszenierung kann über den dürftigen Inhalt nicht hinwegtäuschen.



Birthday Candles am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 1. Mai 2022
ID 13601
BIRTHDAY CANDLES (Kammerspiele des DT, 29.04.2022)
von Noah Haidle

Regie: Anna Bergmann
Bühne: Jo Schramm
Kostüme: Lane Schäfer
Musik: Hannes Gwisdek
Video: Sebastian Pircher
Dramaturgie: Franziska Trinkaus
Bewegungschoreographie: Martin Buczko
Mit: Corinna Harfouch, Alexander Khuon, Franziska Machens, Kathleen Morgeneyer, Bernd Stempel, Enno Trebs und Martin Buczko
DEA am Deutschen Theater Berlin: 29. April 2022
Weitere Termine: 07., 08., 15., 28.05.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/


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