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nachDRUCK # 6

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Freie Szene

Die irre

Angelika



Jan Viethen als Erzähler Theodor in Das öde Haus nach der gleichnamigen Erzählung von E.T.A. Hoffmann - im ACUD-Theater, Berlin | Foto (C) Michael Felsch

Bewertung:    



"Während daß man Kaffee nahm, fand ich Gelegenheit, mich dem Grafen P. zu nähern; er merkte gut, warum. 'Wissen Sie wohl, daß ihre Nachbarin die Gräfin Edwine von S. war? – Wissen Sie wohl, daß in dem öden Hause die Schwester ihrer Mutter, schon seit Jahren unheilbar wahnsinnig, eingesperrt gehalten wird? – Heute morgen waren beide, Mutter und Tochter, bei der Unglücklichen. Der alte Hausverwalter, der einzige, der den gewaltsamen Ausbrüchen des Wahnsinns der Gräfin zu steuern wußte, und dem daher die Aufsicht über sie übertragen wurde, liegt todkrank, und man sagt, daß die Schwester endlich dem Doktor K. das Geheimnis anvertraut, und daß dieser noch die letzten Mittel versuchen wird, die Kranke, wo nicht herzustellen, doch von der entsetzlichen Tobsucht, in die sie zuweilen ausbrechen soll, zu retten. Mehr weiß ich vorderhand nicht.' – Andere traten hinzu, das Gespräch brach ab."

(Das öde Haus von E.T.A. Hoffmann)


*

Das [s.o.] "klingt" schon sehr nach Hypothesen und Gerüchten und Familientratsch und -klatsch, kurzum:

Das öde Haus - eine der früheren Erzählungen E.T.A. Hoffmanns - speist sich aus Gesprächen, Dialogen, die der Ich-Erzähler Theodor, ein zur (erzählten) Jetztzeit in Berlin, konkret Unter den Linden, hin und her flanierender Student aus Süddeutschland in dem (erzählten) Nachhinein vor/ mit seinen Kommilitonen, Kumpeln peu à peu so von sich gibt; und wir erfahren demgemäß die unheimliche Nachtgeschichte der total versumnambulten Adligen Angelika, die in dem Öden Haus angeblich wohnt und haust und spukt; und so korrespondieren es halt Theodor, der Icherzähler, und all die zu Worte kommenden Zweiten und Dritten.

Felix Goldmann hatte justament aus dieser typisch Hoffmann'schen Skurril- und Geisterprosa eine atmosphärisch-stimmige und zeitgemäße Stückfassung für das ACUD-Theater in Berlin gemacht; als Dramaturgin unterstützte ihn dabei Sibille Roth:


"Stellen Sie sich vor: Sie kommen in eine große Stadt, sagen wir, eine Metropole, sie schlendern herum, genießen das vielstimmige Miteinander der unterschiedlichsten Menschen. Sie sehen teure Villen und schöne Parks, herunter gekommene Mietshäuser und Plätze, auf denen Müll und Hundekot herumliegen – alles fein säuberlich nach Bezirken getrennt.

Und da entdecken Sie in einer superteuren Gegend, direkt auf der Luxusmeile, ein eingeklemmt zwischen Protzbauten hockendes, kleines, abgerissenes, vergammeltes Haus: Die Fenster zugetackert, im Erdgeschoss sogar zugemauert, keine Klingel, kein Türschild, nichts.

Natürlich fragen Sie sich, was wohl mit dem Besitzer los ist, warum er das Haus verkommen lässt. 'Ganz zufällig' erhalten sie unterschiedliche, sich widersprechende Informationen. Eine zarte, wunderschöne Frauenhand mit einem blitzenden Diamanten am Finger erscheint kurz in einem der Fenster, aber der Verwalter bestreitet die Anwesenheit einer Frau im Haus. Sie beginnen das Haus zu beobachten, entdecken Anzeichen von 'Verschleierung und Verdunklung'. Sie werden misstrauisch gegenüber den banalen Erklärungen, die man Ihnen liefert und fragen sich, ob da nicht vielleicht richtig schreckliche Dinge geschehen, jemand gefangen gehalten, gequält, gefoltert wird..?!"


(Quelle: acud-theater.de)




Das öde Haus am ACUD-Theater in Berlin | Foto (C) Michael Felsch


* *

Jan Viethen spielt und spricht den Theodor.

Yael Schüler ist die alte und die einstmals jung gewesene Angelika, also diejenige, die (später und im hohen Alter) einen an der Waffel hat.

Heribert Gietz fällt unter anderem als Dr. K., welcher den an sich selbst und seinem irrlichternden Nervenkostüm zweifelnden Studenten sehr gern "operieren" würde, auf.

Ja und Patricio Tonato besticht und überzeugt als der die somnambulende Angelika im Öden Haus gekäfigt resp. eingekerkert habende Ex-Diener jener Adligen; auch spielt er sensationell Gitarre, und er singt auch wunderbar dazu.

Allmählich will uns die Regie dann weismachen, dass all das Wunderliche, was dem Theodor dann so passiert, ein kreativer und seine Persönlichkeit voranbringender Fantasieausbruch gewesen sein könnte, und dass es immer gut ist, seinen eigenen Verstand mitunter aus dem herkömmlichen (bürgerlichen!) Einerlei herauszumanövrieren, um nicht völlig an dem Stinknormalen dieses (bürgerlichen!) Lebens vollends zu verzweifeln resp. zu verblöden. Recht so.

* *

Abgesehen von der etwas allzu breiigen Apotheose unserer Angelika, die uns durch die finale Aufbereitung der umständlichen Familien-Vorgeschichte (noch dazu im "altmodischen" Hoffmann'schen Originaltext) dargebracht wird, ist das Stück an sich vergnüglich anzusehen/ anzuhören.

Doch, schon gut im Ganzen.

Andre Sokolowski - 29. Oktober 2021
ID 13254
DAS ÖDE HAUS (ACUD-Theater, 29.10.2021)
Regie: Felix Goldmann
Regieassistenz: Melanie Gebker
Ausstattung: Jens-Uwe Behrend
Video: C. Kernich
Sounds: Or Sarfati
Dramaturgie: Sibille Roth
Produktionsleitung: Mali Haustrate Ohana
Mit: Heribert Gietz, Yael Schüler, Jan Viethen und Patricio Tonato
Premiere war am 29. Oktober 2021.
Weitere Termine: 30., 31.10.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.acud-theater.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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