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Uraufführung

Sprachoperation

an offener

Gesellschafts-

wunde



Die Kunst der Wunde von Katja Brunner am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Bewertung:    



In ihrem neuen Stück Die Kunst der Wunde, das nach über einem Jahr coronabedingter Verschiebung nun doch endlich in der Diskothek am Schauspiel Leipzig zur Uraufführung kam, legt die Schweizer Dramatikerin Katja Brunner die Anamnese eines aus dem Lot geratenen Staatswesens vor. Ein Auftragswerk mit dem Anspruch einer Wundversorgung am komatösen Patienten durch Sprache.

Eine Gruppe von Ärzt*innen hockt auf einem mächtigen Felsen, der atmet und lebendig scheint. Ein Gesellschaftskörper, bestehend aus verschiedenen Gruppen und Stimmen, die durchhecheln, „woraus ein Staat gemacht ist“. Ein verloren gegangener Chor und die Mütter von „Marius“ und „Kevin“ wiegen das kränkelnde „Staatsbaby“ in ihren Armen. Das einzelne Individuum fühlt sich dabei von der Menge beobachtet und muss sich immer wieder mit ihr vergleichen und sich anpassen. Dabei entstehen Wunden. Die Kunst der Wunde ist ein Wortspiel auf „Die Gunst der Stunde“, das Ausbeuten auch der privaten Verletzungen des Individuums. So sagt es zumindest die Autorin über ihren recht unbestimmten, vielstimmigen Fließtext, in dem verschiedene sogenannte Sprechinstanzen auftreten. Sie bezeichnet das auch als „internetösen Hallraum“, in dem sich eine absturzgefährdete Mittelschicht unter einem immensen finanziellen und Repräsentationsdruck behaupten muss.

Das klingt zunächst etwas kompliziert und ist auch nur mit entsprechender Dramaturgen- Gebrauchsanweisung zu verstehen. Uraufführungs-Regisseurin Katrin Plötner schert sich nicht viel darum und steckt ihre fünf DarstellerInnen (Anne Cathrin Buhtz, Denis Grafe, Eidin Jalali, Dirk Lange, Katharina Schmidt) in eine von Anna Brandstätter gebaute Hüpfburg. Passend zur Angst und Paranoia der Sprechenden könnte das aber auch eine Gummizelle sein. Man kann in ihren Spalten verschwinden, sich rein- und rauszwängen und ein paar Turnübungen zur Belustigung des Publikums machen, was das textliche Ungetüm etwas auflockert. Und irgendwann ist auch mal die Luft raus.

„Schau wie sie gucken, guck wie sie schauen.“ So soll man sich hier auch ein wenig ertappt fühlen, wenn der Chor im Gleichklang vom Amalgamieren, Taktifizieren oder von Petrifikation spricht. Die Versteinerung der Gesellschaft im Takt der Selbstoptimierung. Der Staat mit all seinen „Säulen der Demokratie“ ist aus den Fugen, gefolgt vom Tod des gesunden Menschenverstands. Weiter ist von humanistischer Erziehung, Krisenjournalismus, Opfern rechter Terroranschläge und häuslicher Gewalt, von ritualisiertem Gedenken, Trauer- und Lohnarbeit die Rede. Ein kaum unterbrochener Wortschwall, den die Regie mit viel Bewegung, Ironie und neckischen Posen zu bewältigen versucht. „Sieh's doch mal als Challenge.“ heißt es dazu einmal in Brunners Text. Ansonsten tut diese gesellschafts- und kapitalismuskritische Sprachoperation an offener Wunde nicht wirklich weh.



Die Kunst der Wunde am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Stefan Bock - 3. Mai 2022
ID 13607
DIE KUNST DER WUNDE (Diskothek, 30.04.2022)
von Katja Brunner

Regie: Katrin Plötner
Bühne: Anna Brandstätter
Kostüme: Johanna Hlawica
Musik: Constantin John
Dramaturgie: Benjamin Große
Licht: Thomas Kalz
Mit: Anne Cathrin Buhtz, Denis Grafe, Eidin Jalali, Dirk Lange und Katharina Schmidt
UA am Schauspiel Leipzig: 30. April 2022
Weiterer Termin: 06.05.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de


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