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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Berückender

Traum der

Erlösung



Lohengrin an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

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Dichte Streicherarrangements beschwören während der schwelgerischen Ouvertüre das Gralsmotiv in sphärischen Höhen. Eine junge Frau steht im Bühnenzentrum mit zum Gebet gefalteten Händen erhöht auf der Sitzfläche eines Stuhls. Sie reckt sich elektrisiert mit dem Rücken zum Publikum. Vielleicht ist es eine Vision, die ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit beansprucht. Ihr kleiner Bruder, der zunächst ihre Haltung nachahmte, wendete sich alsbald einem Bilderbuch zu. Während sich die junge Frau ihrer Verzückung hingibt, wird der Knabe alsbald von einer anderen Frau abgelenkt. Sie lockt ihn mit einem Geschenk in den Abgrund.

Der Schweizer Bühnenbildner und Opernregisseur Marco Arturo Marelli inszeniert Richard Wagners Lohengrin an der Oper Bonn im Sinne einer klassischen Lesart recht altmodisch-konservativ. Die unschuldig-naive, schwärmerisch-unterwürfige und mädchenhaft-verzweifelnde Herzogstochter Elsa von Brabant steht durchgehend im Zentrum des Geschehens. Sie wird vom Grafen Friedrich von Telramund, ihrem abgeblitzten Brautwerber, vor dem König des Brudermordes angeklagt. Ihr kleiner Bruder Gottfried verschwand unter mysteriösen Umständen. Gottfried und Elsa – beide unmündig – unterstehen der Vormundschaft von ebendiesem Grafen. Elsa sehnt in träumerischer Verzückung einen Heilsbringer herbei, um den bösen Verdacht abzuwenden und sie vor harter Bestrafung zu bewahren. Lohengrin erscheint von oben herab, in tiefblaues Licht gehüllt. Er sitzt am Klavier, neben ihm seine Rüstung. Er scheint keiner irdischen Sphäre zu entstammen.

Das vom Regisseur gestaltete Bühnenbild bleibt während der gesamten Vorführung weitestgehend erhalten. Elsas Bett steht auf einer hellen Ebene inmitten aufgetürmter dunkler Bühnenelemente. Solisten und Chöre gruppieren sich stets neu um das Bett, so dass auch durch effektvolles Spiel mit Licht und Schatten (Marelli zeichnet sich auch für das Licht verantwortlich) das in dunklen und hellen Farben changierende Bühnenbild nie statisch wirkt. Während im dritten Akt Trompeten im Zuschauersaal von der Seite und von hinten zum Kampf blasen, fallen dramatisch überdimensionierte Speere in unregelmäßiger Abfolge von der Decke. Sie rammen sich senkrecht in den Bühnenboden. Truppen in Armeeuniform marschieren gleich danach auf.

Beim Gottesgericht und Zweikampf vermag Telramund nicht, sein Schwert zu heben. Lohenrin gewinnt quasi kampflos. Während die verzweifelnde Elsa wiederholt in die starken Arme ihres Beschützers sinkt, agiert ihre intrigante Gegenspielerin Ortrud, inzwischen mit Telramund verheiratet, sehr viel taktischer und selbstbestimmter.

Die russische Sopranistin Anna Princeva glänzt als Elsa mit mädchenhafter Erscheinung, Verve, Intensität und Leidenschaft. Ihr lyrischer Sopran vermag farbenreich auch in den Piani zu leuchten. Der gebürtige Dortmunder Mirko Roschkowski gibt einen sanften und selbstgewissen Lohengrin. Er singt die Titelpartie voller Strahlkraft, hell timbriert, biegsam phrasierend, mit tenoralem, lyrischem Schmelz in der Stimme. Insbesondere seine kraft- und gefühlvoll umgesetzte Gralserzählung mit fein akzentuierten Pianissimi wird zu einem Erlebnis. Die gebürtige Wuppertalerin Dshamilja Kaiser [begeisterte an der Oper Bonn bereits als Schoecks Penthesilea] verkörpert die Ortrud als machtvoll-erhabene Figur mit intensivem, dramatisch-kraftvollem und fokussiertem Mezzosopran. Der Isländer Tómas Tómasson wird als Friedrich von Telramund von Ortrud zum Widersacher Lohengrins angestachelt. Stimmlich fällt er gegenüber seiner Bühnenpartnerin etwas ab, weiß jedoch dies mit starker und eindrücklicher Bühnenpräsenz wettzumachen. Auch Pavel Kuninov als König Heinrich und Ivan Krutikov als Heerrufer reihen sich in das hochkarätige Sängerensemble mit sachlichem Auftreten und stimmlicher Präsenz exzellent ein.

Die Chöre agieren differenziert und setzen präzise Akzente mit klanglicher Wucht im Forte. Unter dem Dirigat von Dirk Kraftan kann das Beethoven Orchester Bonn mit nuancierten Instrumentensoli etwa von Bühnentrompeten auf oberen Zuschauertribünen aufwarten. Wagners farbenreiche Musik wird mit allen dramatischen Zuspitzungen, Spannungsbögen und Entwicklungen ausgekostet.

Sehnsucht, Hoffnung, Macht und Liebe und das Scheitern dieser großen Gefühle werden in der schwelenden Musik immer wieder –wie traumvollendet - greifbar. Am Ende zieht die vermeintliche Lichtgestalt von dannen. Es herrscht trostlose Desorientiertheit unter den Brabantern. Vielleicht ist es niemals heldenhaft, einen Erlöser herbeizusehnen. Denn der Glaube vermag auch in die Irre zu leiten. Der sirrende Geigenklang Wagners hallt auf dem Heimweg noch lange nach.



Lohengrin an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 10. November 2018
ID 11034
LOHENGRIN (Oper Bonn, 04.11.2018)
Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Inszenierung, Bühnenbild und Licht: Marco Arturo Marelli
Kostüme: Ingeborg Bernerth
Dramaturgie: Andreas K. W. Meyer
Choreinstudierung: Marco Medved
Einstudierung Kinder- und Jugendchor: Ekaterina Klewitz
Besetzung:
Heinrich der Vogeler … Pavel Kudinov
Lohengrin … Mirko Roschkowski
Elsa von Brabant … Anna Princeva
Friedrich von Telramund … Tómas Tómasson
Ortrud … Dshamilja Kaiser
Der Heerrufer des Königs … Ivan Krutikov
Chor des Theater Bonn
Extrachor des Theater Bonn
Kinder- und Jugendchor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 4. November 2018.
Weitere Termine: 11., 24.11. / 21., 26.12.2018 // 06., 17.01. / 01., 23.02. / 16., 30.03. / 14.04.2019


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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