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Von London nach Athen

Nicholas Hytners 2008er DON CARLO-Inszenierung jetzt auch an der Griechischen Nationaloper

Bewertung:    



Im 19. Jahrhundert baute die zur wirtschaftlichen Macht gelangte Bourgeoisie, die einer kulturellen Legitimation bedurfte, ihre prachtvollen Opernhäuser neben die Börsen in die Zentren der Städte. Heute sind die wenigen bebaubaren Innenstadtgrundstücke den Banken und den Shopping Malls vorbehalten. Neue Opernhäuser, Museen, Kultureinrichtungen verlegt man an den Stadtrand. So auch in Athen, wo sich der vor zwei Jahren eröffnete Opernquader [der GNO] zusammen mit der noch eindrucksvolleren Nationalbibliothek näher an Piräus als am Stadtzentrum befindet. Dazu kommen Wasserspiele zu Walzern von Tschaikowski und Schostakowitsch und zur Habanera von Bizet, ein Eislaufplatz, ein Park mit dem geometrischen Charme eines Friedhofs ohne Grabsteine und eine Kantine, in der man die Tagessuppe weder nach dem Aussehen, noch nach dem Geschmack, sondern ausschließlich nach der Benennung als Lauchsuppe identifizieren kann. Mit der Gigantomanie von Renzo Pianos Vorzeigearchitektur kontrastiert der Shuttle, der einen an den entlegenen Ort zu bringen verspricht. Einmal in der Stunde fährt der Minibus mit 20 Sitzplätzen, die von Ballettelevinnen eilig eingenommen werden. Pech gehabt.



Der von Stararchitekt Renzo Piano entworfene Komplex mit der Griechischen Nationaloper in Athen | Bildquelle: nationalopera.gr


Hat man den Stavros Niarchos Park erreicht, dessen Gebäudekomplex „den höchsten und strengsten internationalen Standard für nachhaltiges Design und Bauen“, was immer das sein mag, erlangt hat, kommt man im modernen, aber sehr roten Saal bei einem eher konventionellen Don Carlo an. Der ist nämlich elf Jahre alt und eine Koproduktion mit dem Royal Opera House, London, der New York Metropolitan Opera und der Norwegischen Nationaloper in Oslo, die eine geplante Neuproduktion des erkrankten Graham Vick ersetzt. Regie führte Sir Nicholas Hytner, der langjährige Direktor des Londoner National Theatre. Bob Crowley hat historisierende Kostüme beigesteuert und ein Bühnenbild, das sich an Kinderbuchillustrationen zu orientieren scheint.

Sängerisch lässt die Besetzung nichts zu wünschen übrig. Marcelo Puente verfügt über eine klangschöne, in allen Registern unbeirrbare Tenorstimme für das italienische Fach. Die Elisabeth der Barbara Frittoli zeigt die Sicherheit und das Differenzierungsvermögen einer erfahrenen Sängerin. Allenfalls die Eboli der russischen Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova überbietet sie an Fülle des Tons bei uneingeschränkter Schönheit des Ausdrucks. Als der Page Tebaldo (Miranda Makrynioti) während des „Schleierliedes“ („Nel giardin del bello saracin“), dessen Koloraturen Ekaterina Gubanova zu Miniaturkunstwerken steigert, mit ihr schäkert, als wäre er ein Verwandter von Cherubino und Octavian, senkt sich der Vorhang und die Saallichter gehen an. Ein technischer Defekt macht eine Unterbrechung von 20 Minuten notwendig.

Danach besticht die zentrale Szene zwischen Philipp (Alexander Vinogradov – man könnte den Eindruck gewinnen, dass die europäischen Opernhäuser die Bass-Partien ohne Importe aus Russland nicht mehr besetzen können) und Posa (Dimitri Platanias) mit einem Minimum an Körpersprache durch Intensität und psychologische Dichte. Dem gegenüber nimmt Carlo immer wieder Posen wie aus alten Grafiken ein. Alles in allem passt auf Hytners Regie das selbe Attribut wie auf das Dirigat von Philippe Auguin: solide. Er setzt keine auffälligen Akzente – weder auf das politische Drama, noch auf seine Menschenzeichnung –, aber er unterschlägt auch weder das eine, noch das andere. Eine gegenwärtige Deutung wird nicht angestrebt. Dabei fiele es nicht schwer, für die Inquisition, vor der Philipp den Marquis von Posa warnt, eine heutige Entsprechung zu finden. In England glaubt man noch weitgehend an das Libretto. Und in Griechenland?




Don Carlo an der Griechischen Nationaloper Athen | Foto: Catherine Ashmore

Thomas Rothschild – 14. Dezember 2019
ID 11882
DON CARLO (Griechische Nationaloper Athen, 13.12.2019)
Musikalische Leitung: Philippe Auguin
Inszenierung: Sir Nicholas Hytner
Ausstattung: Bob Crowley
Choreografie: Scarlett Mackmin
Licht: Mark Henderson
Chöre: Agathangelos Georgakatos
Besetzung:
Philipp II. ... Alexander Vinogradov
Don Carlo ... Marcelo Puente
Rodrigo ... Dimitri Platanias
Der Großinquisitor ... Rafal Siwek
Ein Mönch ... Petros Magoulas
Elisabeth von Valois ... Barbara Frittoli
Prinzessin Eboli ... Ekaterina Gubanova
Tebaldo ... Miranda Makrynioti
Gräfin von Aremberg ... Lyudmila Bondarenko
Graf von Lerma / Herold ... Yannis Kavouras
Stimme aus der Höhe ... Niki Chaziraki
u.v.a.
Chor und Orchester der Griechischen Nationaloper (GNO)
Premiere am Royal Opera House London war 2008.
Premiere in Athen: 8. Dezember 2019
Weitere Termine: bis Januar 2020
Koproduktion mit dem Royal Opera House, London, der Metropolitan Opera New York und der Norwegischen Nationaloper Oslo


Weitere Infos siehe auch: https://www.nationalopera.gr


Post an Dr. Thomas Rothschild

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