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Premierenkritik

Casanova als

Freigeist


Oper von Albert Lortzing in der Musikalischen Komödie Leipzig wiederentdeckt


Adam Sanchez ist Lortzing´s Casanova in der Musikalischen Komödie Leipzig | Foto (C) Tom Schulze

Bewertung:    



Nachdem die Musikalische Komödie schon zu Spielzeitbeginn mit Eduard Künnekes Die große Sünderin eine lang vergessene Operette ausgrub (die anscheinend aufgrund einiger Verrisse kleinkarierter Kritiker bedauerlicherweise bis auf Weiteres vom Spielplan gestrichen wurde), wartet sie zum Ende der Spielzeit mit einer weiteren Rarität auf: Albert Lortzing´s Casanova. Der leider bis heute oft verkannte Großmeister der Spieloper weilte von 1833-1844 in Leipzig und komponierte hier einige seiner bekanntesten Werke wie z.B. Zar und Zimmermann, auch Casanova wurde hier 1841 uraufgeführt.

Obwohl vom Publikum gut aufgenommen, wollte sich der Erfolg nicht so recht einstellen. Kein Wunder: Casanova ist bei Lortzing (der auch hier wieder zu Feder griff und das Libretto selbst schrieb) nicht nur ein Frauenheld, sondern v.a. auch ein Freigeist, der in seiner Auftrittsarie hymnisch die Freiheit besingt. Die Hüter des Gesetzes sind ängstliche Trottel, und die Herrschende Obrigkeit zeichnet er in Person des Festungskommandeurs als blasiert und albern. Versteckte Kritik zwischen den Zeilen - so etwas sah man zu dieser Zeit nicht gern, also sorgte man schnellstens dafür, dass das Stück abgesetzt wurde und in der Versenkung verschwand.

Dass das aus musikalischer Sicht nicht gerechtfertigt ist, merkt man, sobald die ersten Takte der Ouvertüre erklingen: Hier entfaltet Lortzing sein ganzes Können mit schwärmerischen Streicherklängen und bläserverstärkten Tutti. Stefan Klingele dirigiert präzise und mit leichter Hand, entlockt sowohl dem Orchester Musikalische Komödie als auch den Sängern die für Lortzing so wichtige Mühelosigkeit, ohne dabei zu oberflächlich zu sein. Man merkt, dass das Ensemble der MuKo hier ganz in seinem Element ist. Überhaupt ist das Stück gespickt mit den für Lortzing so typischen ausgefeilten Ensembles, bezaubernden Arien, auch der Chor spielt wieder eine zentrale Rolle und wird dieser mühelos gerecht.

Als der Vorhang sich hebt, befindet man sich inmitten der Insel Murano vor Venedig, wo Casanova ins Gefängnis soll. Doch Casanova wäre nicht Casanova, wenn er nicht einen Weg fände, sich zu befreien, nebenbei mit zwei Frauen anzubandeln und schließlich auf einem Maskenball allerhand Verwirrung zu stiften. Das Bühnenbild von Beate Zoff zeigt ein wunderschönes venezianisches Postkarten-Ambiente samt Gondeln, dessen zentrales Element eine Brücke ist, die mal als Hintergrund fürs Gefängnis oder als Freitreppe für den Ballsaal dient. Farbenfrohe Kostüme im Rokoko-Stil (ebenfalls von Beate Zoff) runden das Gesamtbild ab.

Regisseur Cusch Jung setzt statt in biedermeierartiger Betulichkeit auf Humor, auch wenn die Doppelbödigkeit nicht so recht zum tragen kommt. Da hätte man sicher noch mehr herausholen können. Das gilt im Übrigen auch für die Dialoge, die oft zu weitschweifig sind, da hätte die eine oder andere Kürzung sicher gut getan.

Den titelgebenden Frauenhelden verkörpert Adam Sanchez (der bereits als schneidiger Schrenk in der Sünderin glänzte) mit viel Charme, Eleganz und Pfiff; er ist die Idealbesetzung schlechthin. Man nimmt es ihm sofort ab, dass keine Frau ihm widerstehen kann. Sein Tenor verfügt über ein wundervolles, in allen Lagen absolut ausgeglichenes Timbre, hat genau die richtige Portion Schmelz, ist geschmeidig und blüht in den Höhen voll auf. Dass er zudem auch noch gut aussieht, kommt der Rolle des weltberühmten Liebhabers natürlich zugute. Mit seinem Engagement hat die Musikalische Komödie einen ausgezeichneten Griff getan, und es bleibt zu hoffen, dass er dem Haus auch weiterhin erhalten bleibt. So ein "Komplettpaket" bekommt man auch an großen Häusern nur selten zu hören und zu sehen.

Mit dem ihm eigenen Spielwitz und einer gehörigen Portion Komik gibt Milko Milev den überaus belesenen, stets betrunkenen Kerkermeister Rocco. Gerät seine Auftrittsarie stimmlich noch etwas verschattet, singt er sich im zweiten Akt frei und kann in seiner zweiten Arie nicht nur stimmlich sondern vor allem auch darstellerisch sein ganzes komödiantisches Können voll entfalten und gibt dem Affen ordentlich Zucker.

Magdalena Hinterdobler singt mit lyrischem, gut sitzenden Sopran seine kecke Tochter Bettina, die ebenfalls Casanovas Charme verfällt. Ihr zur Seite steht Andreas Rainer in der Buffo-Partie des treuherzigen Peppo.

Lilli Wünscher hat als Rosaura, Casanovas geheimnisvolle Angebetete, leider nicht viel zu tun. Die Rolle gibt außer einer melancholischen Arie zu Beginn des dritten Akts (die sie zugegebenermaßen mit wunderbarem Piano und lyrischen Bögen singt) und dem obligatorischen Liebesduett weder musikalisch noch darstellerisch viel her, sondern bleibt für Lortzing´sche Verhältnisse ungewohnt blass und eindimensional, sodass Wünscher kaum eine Chance hat, sich hervorzutun.

Hinrich Horn (der schon als Zar seine stimmlichen Qualitäten eindrucksvoll zeigte) ist mit seinem kräftigen, prächtigen Bariton für die Nebenrolle des intriganten Gambetto fast schon eine Verschwendung. Michael Raschle singt und spielt einen überkandidelten, leicht trottligen Festungskommandeur Busoni. Wenn er mit XXL-Puderperücke, Spazierstock und sich überschlagender Stimme auftritt, sind ihm (ebenso wie Milko Milev) die Lacher sicher.

* *

Mit der Premiere dieser selten gespielten Spieloper hat die MuKo einen weiteren wichtigen Schritt in die Richtung getan, Lortzings meist stiefmütterlich behandeltes Œuvre am Leben zu erhalten und aufzuführen. Insofern bleibt zu hoffen, dass nach Wildschütz & Co. (wie von Intendant Ulf Schirmer angekündigt) weitere, auch selten gespielte Werke folgen werden.

Ob sich die Ausgrabung gelohnt hat? Das wird sich demnächst zeigen. Schön anzusehen und anzuhören ist das Stück auf jeden Fall, und das Ensemble der MuKo bietet wie immer ein tolles Zusammenspiel, das ja gerade bei Lortzing so ungemein von Bedeutung ist.



Casanova von Albert Lortzing in der Musikalischen Komödie Leipzig | Foto (C) Tom Schulze

Eva Hauk - 4. Juni 2018
ID 10735
CASANOVA (Musikalische Komödie Leipzig, 02.06.2018)
Musikalische Leitung: Stefan Klingele
Inszenierung: Cusch Jung
Bühne/Kostüme: Beate Zoff
Chorleitung: Mathias Drechsler
Besetzung:
Casanova ... Adam Sanchez
Busoni ... Michael Raschle
Rosaura ... Lilli Wünscher
Ganbetto ... Hinrich Horn
Rocco ... Milko Milev
Bettina ... Magdalena Hinterdobler
Peppo ... Andreas Rainer
Fabio ... Stefan Dittko
Komparserie
Chor und Extrachor der Musikalischen Komödie
Orchester Musikalische Komödie
Premiere war am 2. Juni 2018.
Weitere Termine: 09., 10., 12., 19., 29., 30.06. / 15., 16.09. / 06., 07.10.2018


Weitere Infos siehe auch: https://www.oper-leipzig.de/de/musikalische-komoedie


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