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Premierenkritik

Die Stalkerin



(Gescantes) Cover des Programmhefts zu La voix humainemit dem c/o chamber orchestra | Grafik Design: Raban Ruddigkeit

Bewertung:    



Francis Poulenc' Monooper La voix Humaine (dt.: Die menschliche Stimme), nach dem gleichnamigen Theaterstück von Jean Cocteau, scheint zeitlos und fern jedes zwischenmenschlichen (Direkt-)Kontakts:

Eine Frau (Alter unbekannt) hatte, nach Eigenaussagen zu ihrer Vorgeschichte, eine Beziehung zu einem Mann (Alter ebenfalls unbekannt), Elle und Joseph hießen resp. heißen die zwei Menschen, und fünf Jahre sollte ihre Paargeschichte währen. Beide hatten sich am Anfang dieser Zeit geliebt, ja und Marseille, als Ort ihrer Begegnung und ihrer womöglich schönsten Augenblicke dieser Liaison, wird nun von der Zurückgelassenen oder Zurückgestoßenen oder Zurückweichenden während ihres einstündigen Monologs, den sie mit sich höchstselbst und zweitrangigerweise in ein Telefon entäußert, ab und zu erwähnt; man spürt, wie traurig und verzweifelt Elle sich fühlt, wie sie mit diesem Schmerz über ihr unglücklich Verlorenes sprich dieses von ihr nicht oder nur schwer zu akzeptierende Verlustigsein von Liebe - ihrer höchstwahrscheinlich einseitigen Liebe - schwer zurande kommt, wie es sie mehr und mehr in eine autogene Krise stürzt, wie es sie bis zur Grenze an den Wahnsinn treibt...

Es ist vielleicht nicht allzu abwegig, wenn ich - ein Hörer und Wortleser dieses Werkes, das ich gestern Nachmittag zum allerersten Male überhaupt zur Kenntnis nahm - vermute, dass sie (= Elle) ihre Telefonitis nur als Vorwand und das Telefon schlechthin als Krücke nutzt, um alles das, was in ihr gärt, verbalisier'n zu können, ganz egal, ob da letztendlich irgendwer (= Joseph) am andern Telefonende verweilt, um sich ihre "Befindlichkeiten" höflich und geduldig anzuhören.

Fakt war/ ist, dass es nach der gelebten und geliebten fünfjährigen Zeit aus irgendeinem nicht genannten Grund zu Ende war und er, im Gegensatz zu ihr, den Schlusstrich zog, wogegen sie aufständig wurde - und nachdem ihr endlich klar war, dass es halt für ihn dann eine Neue gab und er mit dieser Neuen viel, viel lieber als mit ihr, der Alten, leben wollte, potenzierte sich Elles plötzliches Aufständigsein zu "handgreiflichen" Taten einer Stalkerin, obgleich natürlich bloß am Telefon.

Eine Geschichte also, wie sie heutzutage hunderttausend- und millionenfach auf dieser Welt geschehen könnte und wohl auch geschieht - - daher erscheint La voix humaine so zeitlos und so ohne jeden zwischenmenschlichen (Direkt-) Kontakt.

*

Die argentinische Sopranistin Mercedes Gancedo (als Elle) hat eine derart suggestive Ausstrahlung, dass ich versucht war sie mir zwingend als Straussens Elektra oder (wenigstens) Chrysothemis kurz vorzustellen, und obgleich die stimmliche, gesangsdarstellerische Anforderung ihrer Elle-Partie weit anspruchsvoller wiegt als die der beiden Strauss-Rollen zusammen; aber das war lediglich als Beispiel zu Vergleichszwecken gedacht. Sie hat ein rundes, warmes und abrupt aus sich 'raus explodierbares und dennoch "lineares" Timbre, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie gottlob keinerlei Vibrati und schon gar nicht an den falschen Stellen singt.

Phänomenal auch das - dirigentenlose (!!!) - c/o chamber orchestra mit seinen mehr als 30 international zusammengewürfelten jungen Musikerinnen und Musikern; eine Extra-Entdeckung dieser hochgrandiosen Aufführung!

Und mit sehr wenigen szenischen Mitteln (weißes Sofa, weißer Stuhl und weißer Sessel zwischen den zwei sich gegenüber sitzenden Orchestermitgliedern sowie einem an die Wand gebeamten Libretto mit divers gestalteter Typografie) gelingt es Regisseur Manfred Schweigkofler und dem Culiner Creative Circle (Video, Licht & Ton), La voix humaine geistig und psychologisch auf den Punkt zu bringen; Claire Greidanus kreierte übrigens das schöne Elle-Kleid.

Geistig anregendes und emotional aufwühlendes Konzertereignis!!



c/o chamber orchestra | Foto (C) Peter Adamik

Andre Sokolowski - 20. September 2021
ID 13152
LA VOIX HUMAINE (Theater im Delphi, 19.09.2021)
Regie: Manfred Schweigkofler
Video, Licht & Ton: Culiner Creative Circle
Kostüme: Claire Greidanus
Maske: Manuela Reut
Mit: Mercedes Gancedo (19. + 21.09.) und Sara Gouzy (20.09.) sowie dem c/o chamber orchestra
Premiere war am 19. September 2021.
Weitere Termine: 20., 21.09.2021


https://www.co-chamberorchestra.com/

https://theater-im-delphi.de/


http://www.andre-sokolowski.de

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