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Operette

Mach’s noch

einmal,

Jacques



tutti d*amore: Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl von Jacques Offenbach | Foto (C) Matthias Pfänder

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Was für eine komische Zeit. Nein, sie ist nicht komisch im Sinne von lustig, sie ist merkwürdig, ungewohnt, fremdartig. Mein letzter Musiktheaterabend liegt auf den Tag genau drei Wochen zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der populäre Bizet im großen, subventionierten Haus längst abgesagt (die Carmen vor leeren Staatsopernrängen ist derzeit in der RBB-Mediathek bzw. auf Youtube zu bestaunen), doch ich hatte das große Glück, einen Raritäten-Offenbach im privat finanzierten, intimen Kreis erleben zu dürfen, was damals noch gestattet war.

*

In der sog. Europacity von Berlin ist abends total tote Hose, zumindest in kultureller Hinsicht. Einzig der Artspace Petersburg - laut Kulturamt Mitte ein “Geheimtipp” - hält dort künstlerisch die Stellung, was bitt’schön auch so bleiben soll. Ich betrete einen kleinen Saal mit offener Küche, gegenüber eine Bühne, vor welcher wiederum bunt gewürfeltes Stuhlwerk steht, auch der eine oder andere Polstersessel. Mein alkoholisches Kaltgetränk bekomme ich am Küchentresen gereicht - von einem englisch sprechenden Barmann. Und ich gebe ehrlich zu Protokoll, den Altersdurchschnitt des anwesenden Publikums diesmal nicht zu drücken. Nie und nimmer würde man hier die Aufführung einer 150 Jahre alten Opérette-bouffe vermuten - und doch hebt sich der Vorhang für Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl, eine Faschingsburleske nach Jacques Offenbach.

Das verwegene Projekt wurde vom Berliner Musiktheaterkollektiv tutti d*amore auf die Beine gestellt, das aus AbsolventInnen der HfM Hanns Eisler besteht und von sich selbst behauptet “einen alternativen und vorurteilsfreien Zugang zur Kunstform Oper*ette zu ermöglichen”. Das Verblüffende am Ergebnis ist nicht, dass die Truppe ihr Versprechen auch eingelöst hat, sondern wie dicht sie dabei an Offenbach blieb. Das fängt schon beim bestens gelaunten, keck aufspielenden Salonorchester an, denn in Jacques’ erstem Theater hatten auch nur eine handvoll Musiker im Graben Platz. Dennoch entfalten die Offenbach’schen Melodien vollen Ohrwurmcharakter und funkeln, federleicht.

Dazu hat Anna Weber eine szenische Schlachteplatte mit viel Situationskomik angerichtet, in welcher der gelackte Immobilieninvestor den Einheimischen vermeintlich zum Fraß vorgeworfen wird. Am Ende stellt sich heraus, dass stattdessen der Berliner Bär den Löffel abgeben musste. Doch nicht nur Gesellschaftskritik ist typisch Offenbach, auch das Durcheinanderwirbeln von Geschlechterrollen, die Hosenrolle, Travestie, Parodie, schwarzhumorige Ironie gehören dazu und werden hier auf eine frisch-frech-schamlose Art & Weise dem Theatervolk dargeboten. Der Cast wirft sich mit ungeheu’rer Spiellust ins Geschehen: Ekaterina Bazhanova (Biberhahn), Caroline Schnitzer (Atala), Klara Günther (Koch), Ludwig Obst (Abendwind) und Ferdinand Keller (Arthur) geben dem Bühnenaffen ordentlich Zucker.


Im letzten Jahr feierte die Produktion ihre Premiere auf dem Performing Arts Festival. Das Sisyphos, ein Techno-Club in Berlin-Rummelsburg, war ausverkauft. Da verwundert es doch sehr, dass man in Köln nicht auf die Idee kam, diesen Häuptling zum Offenbach-Jahr einzuladen. Er hätte einen schönen Kontrast zum mitunter arg konventionellen Kram geboten - und ein junges Publikum angelockt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.




tutti d*amore: Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl von Jacques Offenbach | Foto (C) Matthias Pfänder

Heiko Schon - 2. April 2020
ID 12132
Weitere Infos siehe auch: http://www.tuttidamore.de/


Post an Heiko Schon

Übrigens: Heiko Schon unterstützt die privaten Theater, die von der Corona-Pandemie betroffen sind, und verschenkt gegen eine Spende von min. 30 EUR jeweils ein signiertes Exemplar seiner Bücher [Jacques Offenbach. Meister des Vergnügens z.B.]. Näheres unter twitter.com/schonheiko oder per o.g. E-Mail.

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