Für Kinder nur das Beste
A CHRISTMAS CAROL am Nationaltheater Griechenland in Athen
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Bewertung:
Mit dem Weihnachtsmärchen auf der Bühne ist das so eine Sache. Es erweist sich stets aufs Neue als künstlerisch-pädagogische Gratwanderung. Auf der einen Seite darf es sein Zielpublikum, die Kinder, nicht überfordern, sie gar in ihre Träume hinein mit Schreckensbildern verfolgen, auf der anderen Seite sollte es nach einem modernen Verständnis nicht allzu lieblich, allzu weit vom wirklichen Leben entfernt sein. Hinzu kommt die veränderte mediale Sozialisation in einer Welt, in der schon Kleinkinder mit Fernsehen, DVDs und Smartphone aufwachsen.
Wenn man im Nationaltheater in Athen auf die Weihnachtsgeschichte – A Christmas Carol von Charles Dickens zugreift, ist man zumindest literarisch auf der sicheren Seite. Was die pädagogische Eignung angeht, mögen einem schon Zweifel kommen, wenn die von Kindern vorwiegend im Vorschulalter besuchte Vorstellung um 20:30 Uhr beginnt. Immerhin: die Kinder verhalten sich erstaunlich ruhig, sind vom Bühnengeschehen gebannt. Offenbar haben sie in Griechenland, wo das europäische Theater bekanntlich seine Ursprünge hat, einen anderen Tagesrhythmus als bei uns, selbst vor Weihnachten, wo es nicht an den hohen Mittagstemperaturen liegen kann.
Die Geschichte von der Belehrung eines hartherzigen reichen Mannes, eines Geizigen und Menschenfeindes in einer Person, durch Geister ist ja nicht unbedingt eine Kindergeschichte, und auf der Bühne rückt sie nahe an die Besserungsstücke von Molière oder Ferdinand Raimund heran. Auch Frank Capras Filme mögen einem einfallen.
Die Athener Bearbeitung nähert sich durch reichlich Gesang dem Musical. Fünf Musiker, die zu Beginn die Bühne betreten und dann in der Versenkung verschwinden, sowie ein Gesangsquartett, das abwechslungsreich kostümiert immer wieder über die Bühne spaziert und ganz vorzüglich englische Weihnachtslieder singt, sorgen für ein Niveau, das Kinder nicht als ein Publikum von geringeren Ansprüchen betrachtet. Auch die Schauspieler – allen voran Alexandros Mylonas als der fiese Ebenezer Scrooge, an dessen Leben die Milieutheorie demonstriert wird – beweisen hier, dass für Kinder das Beste gerade gut genug ist. Dass sie nebenbei Gefallen finden an Bühneneffekten und dem Zauber des Theaters inklusive Drehbühne, ist anzunehmen.
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Es ist gelegentlich behauptet und mit Belegen untermauert worden, dass A Christmas Carol wie übrigens mehr noch Oliver Twist antisemitisch sei (vgl. Racism in the work of Charles Dickens). In der Athener Inszenierung deutet nichts außer vielleicht sein Vorname darauf hin, dass Scrooge Jude sei. Kinder jedenfalls dürften diese Assoziation kaum haben. Was bleibt, ist eine humanistische, auch ein wenig sentimentale Geschichte. Was will man mehr zu Weihnachten.
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A Christmas Carol mit Alexandros Mylonas (als Ebenizer Scrooge) am Nationaltheater Griechenland in Athen | Bildquelle: n-t.gr
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Thomas Rothschild – 16. Dezember 2019 ID 11885
A CHRISTMAS CAROL (Nationaltheater Griechenland, 14.12.2019)
Musikalische Leitung: Melina Peonidou
Inszenierung: Giannis Moschos
Ausstattung: Tina Tzoka
Licht: Lefteris Pavlopoulos
Dramaturgie: Vivi Spathoula
Mit: Alexandros Mylonas (als Ebenizer Scrooge) u.v.a.
Premiere war am 15. November 2019.
Weitere Termine: 18.-22., 25.-29.12.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.n-t.gr
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