Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Premierenkritik

Der Regisseur

als Hochstapler

TOSCA


Musikalische Bewertung:    



Vorweg: die Bewertung verdankt sich dem Gesang. Der war weit mehr als „schon gut“. Für die Inszenierung lässt sich das nicht sagen. Jedenfalls nicht, wenn man nicht auf jede künstlerische Hochstapelei hereinfällt und sich nicht scheut, zu vermelden, dass der Kaiser nackt ist. Ein guter Teil des Premierenpublikums bekundete genau dies mit lauten Buhs für die Regie. Es hat die hinter viel Aufwand versteckte Hochstapelei durchschaut.

Vor sechs Jahren hat Damiano Michieletto in Salzburg seinen Falstaff in ein Altersheim verlegt und den Schwerenöter sich an sein bewegtes Leben erinnern lassen. Krzysztof Warlikowski stellt das Geschehen um Iphigenie ebenfalls aus der Retrospektive, aus der Erinnerung der Titelheldin in der Seniorenresidenz dar. Christophe Honoré, von Haus aus Filmregisseur, scheint mit seiner Tosca beim renommierten Opernfestival in Aix-en-Provence an seiner eigenen Originalitätssucht zu ersticken und ist doch nichts weniger als originell. Jeden einzelnen „Einfall“ hat man anderswo schon gesehen. Diese Tosca ist ein Paradebeispiel für die Erinnerung an Opern, die die Regisseure langweilen. Sie haben weder Lust, noch das Vermögen, sich ernsthaft auf sie einzulassen.

Alban Ho Van hat einen luxuriösen Salon auf die Panoramafreilichtbühne im Innenhof des Erzbischöflichen Palais gebaut. Eine Glaswand gibt den Blick frei auf einen kitschigen Zimmerbrunnen, an der Wand steht eine Vitrine mit Auszeichnungen. Wir befinden uns bei der von Puccini nicht eingeplanten Prima Donna, die in Gestalt der 71jährigen Catherine Malfitano leibhaftig anwesend ist, sich an ihre eigene Vergangenheit als Opernsängerin erinnert und der 36 Jahre jüngeren eigentlichen Tosca Angel Blue Ezzes gibt. Über dem ganzen Gewurle befindet sich – drei Mal darf man raten, richtig – eine Videowand. Im zweiten Akt wird alles verdoppelt, der Bühnenraum, die Videowand. Notenständer begleiten die halb szenische Inszenierung, in der die Handlung, wie wir sie seit mehr als 100 Jahren kennen, mal angedeutet, mal etwas eindringlicher dargestellt wird. Im dritten Akt schließlich sitzt das Orchester auf der Bühne, Catherine Malfitano tritt in der Videoprojektion vor einem kerzenumrahmten Modell der Engelsburg auf und Joseph Calleja als Cavaradossi singt seine Arie mit allem erforderlichen Schmelz als Konzertsänger im Smoking. Tosca kommt alsbald im bodenlangen Glitzerkleid hinzu. Es löst das rote Kleid ab, in dem wir Tosca als Kopie von Maria Callas sehen. Die wiederum wird in einer Montage von legendären Sängerinnen und Sängern auf die Videoflächen projiziert. Christophe Honoré erinnert nicht nur an das tragische Schicksal von Tosca, sondern auch gleich an die Geschichte der Oper. Uff.

Der Proustsche Gedanke, dass die realen Dinge weniger schön seien als der Traum, den wir von ihnen haben, soll der Scheinkonzeption Tiefe verleihen: Hochstapelei. Im Programmheft spricht der Regisseur vom „Mysterium der Tosca“, wobei nicht klar ist, ob er die Figur oder die Oper meint. Was auf der Hand liegt und was Tosca mit Shakespeares Maß für Maß teilt, die sexuelle Geilheit und der Missbrauch von Macht, interessiert ihn nicht. Dabei ist genau dies das Thema, das jenseits der Oper die Gemüter bewegt. Na ja, schön gesungen haben sie ja.




Tosca beim Festival d'Aix-en-Provence 2019 | Foto (C) Jean Louis Fernandez

Thomas Rothschild - 5. Juli 2019
ID 11548
TOSCA (Théâtre de l'Archevêché, 04.07.2019)
Musikalische Leitung: Daniele Rustioni
Inszenierung / Video: Christophe Honoré
Bühne: Alban Ho Van
Kostüme: Olivier Bériot
Licht: Dominique Bruguière
Besetzung:
Floria Tosca ... Angel Blue
Primadonna ... Catherine Malfitano
Mario Cavaradossi ... Joseph Calleja
Baron Scarpia ... Alexey Markov
Cesare Angelotti ... Simon Shibambu
Il sagrestano ... Leonardo Galeazzi
Sciarrone ... Jean-Gabriel Saint Martin
Spoletta ... Michael Smallwood
Un Carceriere ... Virgile Ancely
Chor und Orchester der Opéra de Lyon
Premiere beim Festival d’Aix-en-Provence war am 4. Juli 2019.
Weitere Termine: 06., 09., 12., 15., 17., 20., 22.07.2019
Koproduktion mit der Opéra de Lyon


Weitere Infos siehe auch: https://festival-aix.com


Post an Dr. Thomas Rothschild

FESTIVAL D'AIX-EN-PROVENCE

Konzertkritiken

Premierenkritiken

Rothschilds Kolumnen



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:





MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BAYREUTHER FESTSPIELE

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE MIT MUSIK

LIVE-STREAMS |
ONLINE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)