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Die Botschaft

des Babys

REQUIEM


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Eine Veranstaltung, die neben jenen in Salzburg und Glyndebourne als das bedeutendste Opernfestival gilt, mit Mozarts Requiem zu eröffnen ist, nun, sagen wir einmal: apart. Ganz neu ist Romeo Castelluccis Unterfangen, ein Werk, das für den Gottesdienst konzipiert ist, szenisch umzusetzen und zugleich in den säkularen Raum zu transferieren, freilich nicht. John Neumeier hat die Matthäuspassion als Ballett choreographiert, Peter Sellars hat Ähnliches mit der Johannespassion getan. Herbert Wernicke hat unter dem Titel Actus tragicus Kantaten von Johann Sebastian Bach und Claus Guth hat den Messiah inszeniert.

Castelucci macht in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Raphaël Pichon aus dem um einige Musikstücke unterschiedlicher Provenienz erweiterten Requiem eine Totenmesse für fast alle und alles. Sein „Grauer Bote“ bringt den Auftrag wohl von der Vorsehung. Nach einer düsteren Introduktion, in der sich eine Frau zögernd in ein Bett legt, um darin sterbend zu verschwinden, wird der Chor zum Hauptakteur, und muss fast ununterbrochen tanzen: Kompliment für die Atemtechnik. Die Tänze, die von Volkstänzen der Völker und den entsprechenden Trachten inspiriert sind, stehen für den Gegensatz zum Tod, für das Leben. So weit, so konventionell. Der Tod freilich tritt in mancherlei Gestalt auf, am hartnäckigsten durch Schriftprojektionen an die Hinterwand, die sich die ganze Vorstellung hindurch ziehen. Sie melden, was alles im Lauf der Jahrtausende ausgelöscht wurde, von Tieren und Pflanzen über Sprachen und Bauwerke bis zu Bildern und Religionen. Je näher diese Aufzählung der Gegenwart kommt, desto fragwürdiger und auch kitschiger wird sie. Ist das Wort „ich“ tatsächlich ausgestorben? Müssen wir uns um den Tod des Christentums Sorgen machen?

Dazu gesellen sich lebende Bilder, von Verkehrstoten etwa auf der eingedepschten Motorhaube eines Autos. In manche Einfälle ist der Regisseur so verliebt, dass er sie allzu oft wiederholt. Wir haben begriffen, müssen aber durchhalten, bis Mozarts Meisterwerk, immerhin fabelhaft interpretiert von dem Ensemble Pygmalion, dem Sopran Siobhan Stagg, dem Alt Sara Mingardo, dem Tenor Martin Mitterrutzner, dem Bass Luca Tittoto und einem nicht ganz so fabelhaften Knabensopran, einen Abschnitt beendet. Das ist zeitweise hübsch anzuschauen, zeitweise allzu mechanistisch und zeitweise auch prätentiös.

So viel Pessimismus freilich, wie all die Todesarten implizieren, wollte Castelucci seinem Publikum nicht zumuten. Am Schluss betreten vier Frauen die Bühne und hinterlegen dort ein Baby. Der arme Kleindarsteller soll uns davon überzeugen, dass es weitergeht. Großes Aufatmen, heftiger Applaus. Ein schwacher Trost für Mozart. Er wurde bekanntlich nur 35 Jahre alt.




Mozarts Requiem beim Festival d'Aix-en-Provence 2019 | Foto (C) Pascal Victor

Thomas Rothschild - 7. Juli 2019 (3)
ID 11553
REQUIEM (Théâtre de l'Archevêché, 05.07.2019)
Musikalische Leitung: Raphaël Pichon
Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht: Romeo Castellucci
Dramaturgie: Piersandra di Matteo
Choreografie: Evelin Facchini
Mit: Siobhan Stagg (Sopran), Sara Mingardo (Alt), Martin Mitterutzner (Tenor)und Luca Tittoto (Bass) sowie den TänzerInnen Elliot Bussinet, Benedetta Cimadamore, Marie-Estelle de Fougerolles, Simone Gatti, Ana Isabel Gomez Torres, Hinako Maetani, Filippo Nannucci, Hiroki Nunogaki, Agathe Peluso, Igor Prandi und Michelle Salvatore
Chor und Orchester Pygmalion
Premiere beim Festival d’Aix-en-Provence war am 3. Juli 2019.
Weitere Termine: 08., 10., 13., 16., 18., 19.07.2019


Weitere Infos siehe auch: https://festival-aix.com


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