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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Farne

und

Polypen



Siegfried an der Oper Leipzig | © Kirsten Nijhof

Bewertung (der Inszenierung):    



Als Die Walküre-Premiere an der Oper Leipzig im Dezember vor zwei Jahren stattfand, echauffierten wir uns hiernach hochgereizt über das zwanghaft ambitionierte Tanzgebaren, das die Choreografin Rosamund Gilmore (die derzeit für den neuen Ring inszenatorisch in der Pleißestadt zuständig ist) dem Ersten Tag des Wagnerischen Bühnenfestspiels zufügte und ihn sodurch thematisch/stofflich weder abzuqualifizieren noch zu "bereichern" vermochte. Und sehr lange konnten wir uns keinen Reim drauf machen, warum ausgerechnet sie es sein müsste und schlussendlich geworden war, die für den seit Jahrzehnten immer wieder aufgeschobenen Regie-Kraftakt - Der Ring des Nibelungen an der Oper Leipzig - den entscheidend-arbeitgeberischen Zuschlag von den Oberen sprich den bzw. dem Verantwortlichen (Stichwort: Dirigentenintendant) bekam. Jetzt ging uns, und nachdem wir's in der Künstler-Kurzvita Gilmores [die dem Programmheft beigelegt wurde] gelesen hatten, irgendwie ein Lichtlein auf: Die Beiden, also Rosamund Gilmore und GMD Ulf Schirmer, machten nämlich vor paar Jahren mal zusammen an der Bayerischen Theaterakademie August Everding die Peter Eötvös-Oper der Tri Sestri, und das muss gewiss sehr gut zwischen den Beiden und gewiss auch ganz im Sinne des von ihnen aufgeführten Komponisten abgelaufen sein, also man kannte/kennt sich...

Dass Ulf Schirmer aktuell zu seiner sozusagen "Ersten Wahl" demonstrative Position bezog, indem er die Gilmore persönlich zur Entgegennahme ihres etwas buhdurchwachsenen und mehr wohl faden Schlussbeifalls nach Siegfried vor das Bühnenbild geleitete, zeichnete ihn als einen unverrückbaren Charakter aus und machte diese Geste menschlich schön.

Dass das Gesehene die fünfeinhalb Stunden zuvor das Hochpeinliche des Gesehenen in der Walküre von 2013 allerdings noch toppen sollte - wer hätte sich wohl nach dem Premieren-Sonntagabend Derartiges vorzustell'n gewagt?

Was wir nach alledem empfehlen würden: dass der Richard-Wagner-Verband Leipzig dem gastierenden Regie-Star eine Eintrittskarte für Frank Castorfs Ring in Bayreuth zuschanzt, dass er live erleben dürfte, wie man heutzutage Wagner neu und trefflich 'rüberbrächte; insbesondere, und wie gesagt, was Siegfried anbelangt.



Tänzerinnen und Tänzer in Siegfried an der Oper Leipzig | Foto (C) Tom Schulz


Es sind auch - falls uns Tanzlaien das hier zu sagen hoffentlich gestattet ist - weniger diese Tänze als vielmehr die Pantomimen resp. pantomimischen "Verlautbarungen", die bereits im Ersten Akt als bloß illustrative Zuschmückungen für den Siegfried dienen; sagen wir es so: Tanzende Farne und/oder Polypen fleischfressender Pflanzen oder was auch immer die Botanik fantasiequelliger Weise bietet/bot - die Choreografin legte Wert darauf, auf dem Programmzettel ihr "in Zusammenarbeit mit den Tänzern" [Namen s.u.] abdrucken zu lassen; damit wollte sie womöglich die Total-Verantwortung ihrer choreografierten Zutuung auf 12 + 1 umschultern, so was macht sich eigentlich dann viel, viel besser bei so Gastspielen zum Festival TANZ IM AUGUST, mit andern Worten ausgedrückt: So etwas kennen wir Berliner aus der Hauptstadt zu genüge.

Gar nicht unberücksichtigt oder gar unbeachtet sollen hier die Namen von Ziv Frenkel (= Grane) oder Sandra Lommerzheim (= Waldvogel) sein. Ihre Präsenz im Dritten/Zweiten Akt schien diesbezüglich einen künstlerischen Sinn zu machen; Grane ist das während der Gesamt-Story des Rings partout vorhandene Brünnhilde-Ross mit gleichem Namen; und den Waldvogel an sich wollte und durfte Eun Yee You halt nur aus dem Orchestergraben singen.

Und gespielt (gespielt?) wird sowieso nur meistens an der Rampe. Interaktionell geschieht zwischen den Hauptgestalten resp. den sie darstellenden Sängern meistens nix oder so gut wie nix. Der Umkehrschluss muss heißen: Die Gilmore hat meistens und/oder im Großen und im Ganzen wenig resp. keine Ahnung von Personenführung!



Dan Karlström (als Mime) und John Lundgren (als Wanderer) in Siegfried an der Oper Leipzig | Foto (C) Tom Schulze


Und wie sah es zur Premiere musikalisch aus?

Das Gewandhausorchester Leipzig musizierte "seinen" Siegfried in erwartungvoller Hochform, und obgleich es wieder - wie bereits in der Walküre - den absonderlichsten Tempi-Vorgaben des Dirigenten zu folgen genötigt war. Auffiel die musikalisch-hochabstruse Zeitlupenobliegenheit des Generalmusikdirektors insbesondere im Ersten Akt, wo noch besonderer der Alt-Tenorstar Christian Franz (der das gesamte Wagner-Fach seit Jahren und Jahrzehnten weltweit rauf und runter schmetterte und dessen doch längst abklingende Ära nunmehr ein so völlig unerwartet-überraschendes Comeback erfuhr) unter der exzessiven "Langsamkeit" seiner Partie zu leiden schien und daher sichtlich als wie hörbar etwas auf das Gaspedal zu treten sich erdreistete - Franz fuhr dann in der Tat zu kulminanter Gipfelstürmerei auf, dass es einem stellenweise fast den Atem stockte; dieser Siegfried-Sänger war und bleibt bewundernswert!

An seiner Seite (Dritter Akt) die noch recht junge schwedische Brünnhilde Elisabet Strids - in ihren Mittellagen müsste sie noch etwas wachsen, aber sonst: berückend hell und leuchtend schön.

Der Alberich von Jürgen Linn fiel uns noch auf - der hatte eine dunkel-gurgelnd tiefe und "brutale" Pracht, dass es schon einschüchterte. Seine Textverständlichkeit: superb!

Dan Karlström (= Mime) mimte besser als er sang, und bei John Lundgren (= Wanderer) machten sich peu à peu stimmliche Abnutzungserscheinungen bemerkbar.

Nicole Piccolomini grundierte ihre Erda kernig, fruchtig, schollenstark.

Und Rúni Brattaberg (= Fafner) stak in 'ner ausgestopften Riesenpuppe drin und war, nur so gesichtlich, durch die Mundbewegungen in live während des kurzen Riesenauftritts wahrzunehmen.

* *

Wir sind sehr gespannt, was die Gilmore dann in der Götterdämmerung mit all den Chormassen im Zweiten Akt beginnen wird. Und außerdem ahnen wir jetzt schon, wie sie was im letzten Teil des Rings mit ihren TänzerInnen illustriert - doch wir verraten es an dieser Stelle nicht, nein:

Etwas Vorfreude möchte schon sein.



Christian Franz und Elisabet Strid in Siegfried an der Oper Leipzig | Foto (C) Tom Schulze


Andre Sokolowski - 14. April 2015
ID 8568
SIEGFRIED (Oper Leipzig, 12.04.2015)
Musikalische Leitung: Ulf Schirmer
Inszenierung und Choreografie: Rosamund Gilmore
Bühne: Carl Friedrich Oberle
Kostüme: Nicola Reichert
Dramaturgie: Christian Geltinger
Besetzung:
Erda ... Nicole Piccolomini
Brünnhilde ... Elisabet Strid
Stimme des Waldvogels ... Eun Yee You
Siegfried ... Christian Franz
Mime ... Dan Karlström
Der Wanderer ... John Lundgren
Alberich ... Jürgen Linn
Fafner ... Rúni Brattaberg
Tänzerinnen und Tänzer: Leila Bakhtali, Sidnei Brandao, Heloise Fournier, Unita Gay Galiluyo, Gustavo, Elodie Lavoignat, Sandra Lommerzheim, Martina Morasso, Juliette Rahon, Marie Schruoffeneger, Alicia Varela Carballo und Ziv Frenkel
Gewandhausorchester Leipzig
Premiere war am 12. April 2015
Weitere Termine: 26. 4. / 24., 30. 5. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-leipzig.de


http://www.andre-sokolowski.de

Die Walküre (07.12.2013)

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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




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