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Premierenkritik

Den aktuellen Mahagonny-Machern an der Staatsoper im Schiller Theater muss dialektischer Analphabetismus attestiert werden



Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny an der Staatsoper im Schiller Theater - Foto (C) Matthias Baus

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"'Du darfst!' lautet das oberste Gesetz der 'Paradiesstadt' Mahagonny, die sich den Genuss in Form von Alkohol, Sex und Boxkämpfen auf die Fahnen schreibt. Dieser Genuss führt in seiner pervertierten Form bald zum Exzess und die entfesselte, anarchisch-hedonistische Gesellschaft in Mahagonny beginnt mit ihrer Selbstdestruktion.

Seine Musik zu Bertolt Brechts Radikalsatire, die zugleich eine geniale Stilstudie darstellt, betrachtet der Komponist Kurt Weill als 'eine Beschreibung von Zuständen'. Bei der Uraufführung 1930 im Neuen Theater Leipzig kam es im Zuschauerraum zu Krawallen durch Reaktionäre und NSDAP-Anhänger, so dass die Oper nur mit Mühe zu Ende gespielt werden konnte."


(Quelle: Staatsoper im Schiller Theater)

* * *

Aber wahrscheinlich gab es für das internationale Macher-Team (Candide, 2011), das jetzt das Werk von Brecht & Weill an der Staatsoper im Schiller Theater zu verantworten hatte, keine stückbegleitenden oder -erklärenden Fortbildungs- oder Vorbereitungsseminare. Denn wie anders ließe sich die vollkommene inszeniererische Unbedarftheit und (im Umkehrschluss) totale Ahnungslosigkeit in puncto Episches Theater - auch die Brecht'sche Mahagonny-Oper zählt selbstredend mit dazu - erklären; was man freilich nicht beherrscht und auch nicht weiß, kann man (wieder: im Umkehrschluss) auch nicht als Adäquat-Produkt verhandeln und verkaufen.

Aber immerhin: Dem Modeschöpfer und Kostümbildner Christian Lacroix bot das vermeintlich erste Haus am Platz mal wieder ein 1A-Werbeschaufenster für sein kreatives (unternehmerisches) Können - das hätte dann wiederum dem alten Brecht gefallen, und er hätte hieraus sicherlich Stoff für eine Theater-Farce mit ganz besonders scharfem Zungenschlag geschöpft.

In Mahagonny geht es eigentlich ausschließlich um den einen Fakt, dass nämlich derjenige, der kein Geld hat und in Folge nicht bezahlen kann, zum Tod verurteilt werden muss! Das wiederum ist zwar die "Endlösung" der zweieinhalbstündigen Oper, wo es um die Gründung jener Fantasiestadt, einer dialektisch-scharfsinnigen Kopfgeburt von Bertolt Brecht, geht; doch die ganze Handlung führt auf diesen einzig-einen Punkt, der wohl den B.B. ausschließlich interessiert hatte, brachialisch zu.

Dies [s.o.] und noch mehr vermochte seiner Zeit einer der fähigsten und angesehensten Jahrhundert-Opernregisseure in den 1980er Jahren an der damaligen Ostberliner Komischen Oper auf umwerfend geniale Art und Weise zu vermitteln; mehr noch - - Joachim Herz (der hier gemeint ist) bezeichnete Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny einst sogar als fünften Teil von Wagners Ring und meinte damit eine quasi-logische Fortführung von der Götterdämmerung, die er in 1976 als postkapitalistisches Industrialisierungs-Spektakel an der Oper Leipzig in Szene setzte. Was war'n das für regieliche Sternstunden!!

Jetzt also - gestern Abend - "nur" noch Haute Couture mit vielen teueren Klamotten und mit jeder Menge bühnenfirlefanzigem Design. Welch geistiger Verfall!





Gabriele Schnaut als Leokadja Begbick in Brecht/Weills Aufstieg und Fall der Stadt Magahgonny hat sich bestimmt gefreut, dass Modestar Christian Lacroix ihr dieses schöne Glitzerkleid maßschneidern ließ - Foto (C) Matthias Baus



Und nicht mal musikalisch hatte die Premieren-Aufführung ein Staatsopern-Niveau - daher erinnern wir uns umso wehmütiger an die von uns ganz zuletzt gesehene (Regie: Andreas Homoki) sowie gehörte Mahagonny-Version an der Komischen Oper Berlin (2006); die leitete damals Kirill Petrenko - und auch der war freilich ein ganz anderes Kaliber als jetzt Wayne Marshall, der sich zwar viel Mühe gab, aber der Staatskapelle Berlin einen von uns mehr "unterbuttert"-empfundenen Weill-Klang verordnet zu haben schien.

Zwei sängerische Lichtgestalten sollen hier Erwähnung finden: Evelin Novak (als Jenny Hill) und Michael König (als Jim Mahoney).

Gabriele Schnaut (als Witwe Begbick) hatte zwar eine gewisse schauspielernde Grundpräsenz, doch stimmlich ist der vormalige Wagner-Superstar (Isolde in dem legendären Berghaus-Tristan an der Hamburgischen Staatsoper oder Brünnhilde in Flimms Bayreuth-Ring, z.B.) kaum noch tragbar...

Langweiliger Abend, Buh's.


Andre Sokolowski - 7. Juni 2014
ID 7893
AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY (Staatsoper im Schiller Theater, 06.06.2014)
Musikalische Leitung: Wayne Marshall
Inszenierung: Vincent Boussard
Bühnenbild: Vincent Lemaire
Kostüme: Christian Lacroix
Licht: Guido Levi
Choreografie: Helge Letonja
Video: Isabel Robson
Chor: Frank Flade
Dramaturgie: Katharina Winkler
Besetzung:
Leokadja Begbick ... Gabriele Schnaut
Fatty, der "Prokurist" ... Dietmar Kerschbaum
Dreieinigkeitsmoses ... Tobias Schabel
Jenny Hill ... Evelin Novak
Jim Mahoney ... Michael König
Jack O'Brian / Tobby Higgins ... Norman Reinhardt
Bill, genannt Sparbüchsenbill ... Arttu Kataja
Joe, genannt Alaskawolfjoe ... Grigory Shkarupa
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 6. Juni 2014
Weitere Termine: 8., 12., 15., 20., 25. 6. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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