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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Gefangen im

Labyrinth der

Macht



Don Carlo an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Bewertung:    



Nicht nur in Opernhits wie Tosca, Nabucco oder dem erst Ende der letzten Spielzeit in Leipzig wiederentdeckten Cinq Mars würzen die überaus beliebten Zutaten Macht, Religion und Liebe den Musikgenuss, auch in Giuseppe Verdis Don Carlo entfaltet dieses Rezept seine volle, umwerfende Wirkung. Don Carlo, der Infant von Spanien, liebt Elisabeth von Valois, die jedoch aus machtpolitischen Gründen seinen Vater heiraten musste, somit seine Stiefmutter ist. Das mag verwirrend sein, ist aber angesichts der verqueren Heiratspolitik der Habsburger im Grunde genommen nicht weiter verwunderlich (der historische Don Carlo hatte nur vier statt acht Urgroßeltern). Natürlich gibt es auch eine Rivalin, die durch ihre Eifersucht das Ihrige dazu beiträgt, dass die ganze Geschichte nicht gut ausgeht: Prinzessin Eboli. Und der beste Freund darf hier natürlich auch nicht fehlen: Marquis von Posa, ein Mann mit für die damalige Zeit ungeheuer aufrührerischen, idealistischen Ideen ("Geben Sie Gedankenfreiheit").

Wie schon bei den (allerdings weitaus seltener gespielten) Vorgängern wie Luisa Miller oder I masnadieri nahm Verdi ein Drama von Schiller als Vorlage und ließ es von seinen Librettisten - in diesem Fall Joseph Méry und Camille Du Locle - in einen packenden, bühnenwirksamen Opernstoff verwandeln. Insgesamt gibt es insgesamt nicht weniger als sieben verschiedene Fassungen des Werks, in Leipzig zeigt man die vieraktige italienische Fassung von 1884, immerhin gut drei Stunden lang. Zwar fehlt hier die Vorgeschichte, doch ein Blick ins Programmheft schließt diese Wissenslücke schnell.

*

Regisseur Jakob Peters-Messer inszeniert das Ganze als düsteres schwarz-weiß- Drama: Das gesamte Geschehen spielt sich in einem gruftartigen Palast ab, mit labyrinthischen dunklen Gängen, klaustrophobisch engen Räumen (Bühnenbild: Markus Meyer), in die kaum ein Lichtstrahl vordringt und aus denen es kein Entrinnen gibt. Es herrscht eine bedrückende Stimmung, Totenschädel stapeln sich in der Gruft, der unheimliche Geist Karls V. treibt sein Unwesen, und zu allem Überfluss verbreitet der Großinquisitor Angst und Schrecken. Dass inmitten eines solchen kompromisslosen Machtsystems, verwoben mit fanatischer Religiosität, jegliche Liebe von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, dürfte wohl jedem klar sein. Wer anders denkt, wird als Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Bezeichnenderweise sind auch die historisch angelehnten Kostüme (bis auf das von Don Carlos) von Sven Bindseil komplett in Schwarz gehalten.

Wir erleben hier das fatale Geflecht zwischen weltlicher und klerikaler Macht, in das die privaten Schicksale der einzelnen Protagonisten eingebettet werden: Der Vater-Sohn-Konflikt, die verbotene Liebe zwischen Carlo und Elisabeth, die enge Freundschaft Carlos und Posas, die sogar den Tod überdauert, die unerwiderte Liebe Ebolis und die daraus resultierende Eifersucht auf Elisabeth. Und über all dem steht wie eine unheilvolle Bedrohung die übergroße Gestalt des Großinquisitors, die Verkörperung der allmächtigen Kirche, deren Willen sich sogar der König beugen muss.

Verdis musikalische Vielfalt und Reife hier ist beeindruckend und geht unter die Haut.

Anthony Bramall, nunmehr neuer Chefdirigent des Münchner Gärtnerplatztheaters, dirigiert das Gewandhausorchester mit gewohnter Souveränität und Klarheit sowie der nötigen Expressivität an den entscheidenden Stellen. Kleine Ausrutscher bei den Bläsern (vor allem zu Beginn) trüben diesen Eindruck nicht.

Gaston Rivero meistert den Don Carlo mit wunderbar expressiver, nicht nur in der Höhe klangstarker und geschmeidiger Stimme, nur darstellerisch hätte man sich etwas mehr Intensität gewünscht. Ebenfalls großartig: der Marquis Posa von Matthias Hausmann. Mit kräftigem, ausdrucksstarkem Bariton gibt er einen impulsiven Freiheitskämpfer. Riccardo Zanellato singt einen starken König Phillip mit überzeugend majestätischer Ausstrahlung und vermittelt glaubhaft sowohl den unbeherrschten Machtmenschen als auch den einsamen, von Zweifeln geplagten Ehemann. Gal James dagegen singt die Elisabeth mit wenig tragfähiger, blass wirkender Stimme, selbst bei Soloszenen fällt es ihr teilweise schwer, über das Orchester zu kommen. Im Vergleich zu ihren stimmgewaltigen Kollegen fällt das zusätzlich auf. Kathrin Göring dagegen bietet in der auch charakterlich farbiger angelegten Rolle der leidenschaftlichen Prinzessin Eboli eine mehr als achtbare Leistung und zieht vor allem in der berühmten Arie alle dramatischen Register ihrer Stimme, auch wenn man sich hier einen etwas sinnlich-weicheren Mezzo gewünscht hätte.

Mit wahrhaft voluminöser Stimmpracht und tiefschwarzem Bass stattet Rúni Brattaberg den Gorßinquisitor aus, die bedrohliche Verkörperung der absoluten Macht.

Am Ende gab es ordentlich Beifall, vor allem der ebenfalls scheidende Chordirektor Alessandro Zuppardi wurde mit viel Applaus belohnt.

*

Fazit: Verdis bis dahin reifstes Werk als in sich stimmiges Licht-und-Schattenspiel mit einer stimmlich stark besetzten Herrenriege.



Don Carlo an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Eva Hauk - 2. Oktober 2017
ID 10292
DON CARLO (Oper Leipzig, 30.09.2017)
Musikalische Leitung: Anthony Bramall
Inszenierung: Jakob Peters-Messer
Bühne: Markus Meyer
Kostüme: Sven Bindeseil
Besetzung:
Phillip II von Spanien ... Riccardo Zanellato
Don Carlo ... Gaston Rivero
Rodrigo, Marquis von Posa ... Mathias Hausmann
Großinquisitor ... Rúni Brattaberg
Elisabeth, Königin von Spanien ... Gal James
Prinzessin Eboli ... Kathrin Göring
Tebaldo, Page Elisabeths ... Magdalena Hinterdobler
Stimme vom Himmel ... Danae Kontora
Ein Mönch ... Randall Jakobsh
Graf von Lerma/ Herold ... Sven Hjörleifsson
Deputierte ... Andrii Charkov, Gregor Einspieler, Arvid Fagerfjäll, Joshua Morris, Jean-Baptiste Mouret und Viktor Rud
Premiere war am 30. September 2017.
Weitere Termine: 08., 15.10. / 26.11. / 15.12.2017 // 24.02.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-leipzig.de


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OPERNPREMIEREN



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