Wozzeck zum 100.
Christian Thielemann dirigierte Bergs Oper erstmals an der Uraufführungsstätte
|
Musikalische Bewertung:
Christian Thielemann hat den Wozzeck von Alban Berg, der gestern genau vor 100 Jahren an der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt wurde, zur Chefsache gemacht und ihn (in der klaustophobisch-düsteren Inszenierung von Andrea Breth) komplett neu, und zwar für sich selbst komplett neu, einstudiert; vor 35 Jahren hatte er ihn erst- und letztmals in Turin dirigiert. Für ihn ist Wozzeck...
... "ein Werk, das der Gegenwart der insgesamt so widersprüchlichen Zwanziger Gesicht, Stimme und Klang gab", und seine Instrumentierung nennt er "nicht luxuriös, gewissermaßen „straussisch“, sondern wesentlich trockener, sachlicher, holzschnittartiger". (Quelle: staatsoper-berlin.de)
Für Thielemann und die Staatskapelle Berlin also ein gefundenes Fressen!
Für die Staatskapelle (als Uraufführungsorchester) sowieso. Mit ihr gabs in den letzten 40 Jahren zwei bemerkenswerte Produktionen: die Inszenierungen von Ruth Berghaus (1984) und Patrice Chereau (1994) gelten bis heute als regieliche Meilensteine. Hinzu gesellte sich 2011 die Inszenierung der Breth, in die der Thielemann jetzt quasi einstieg. Die beiden Letztgenannten wurden allesamt von Daniel Barenboim musikalisch geleitet, der Wozzeck war jahrzehntelang eines seiner wichtigsten "Aushängeschilder", und Waltraud Meier brillierte ebenso lang als die Verkörperung von Wozzecks Marie schlechthin.
Die Latte lag demnach sehr hoch - ja und wie schlug sich Thielemann nun so?
Standesgemäß sehr gut.
Allein die Orchesterüberleitungen bzw. -verwandlungen in dem aus 15 Szenen bestehenden Dreiakter ließen die teils ohrenbetäubende Vermutung aufkommen, dass es sich insbesondere bei und mit der Staatskapelle um den eigentlichen "Star" des einunddreiviertelstündigen Jubiläumsabends gehandelt haben sollte; Thielemann holte aus ihr das Expressivste, was ich je bei einem Wozzeck zu hören kriegte, heraus, und das hatte fast schon Mahler'sche Dimensionen.
Die solistische Besetzungsliste schien adäquat und handverlesen: Simon Keelyside (Wozzeck), Andreas Schager (Tambourmajor), Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Hauptmann) und Stephen Milling (Doktor) - alle neu im Cast.
Und Anja Kampe (die als Marie auch schon in Wien und London in Aktion war) verlieh ihrer Figur mehr zupackend "Proletarisches", als dass das die Meier vor ihr je gesanglich zu investieren bereit gewesen wäre, ihr (Meiers) Vorteil gegenüber Kampe war dann allerdings, dass sie dem flirrend Transzendalen ergo Seelischen der Rolle deutlich mehr verhaftet war.
Alles in allem war der Hundertjahr-Hype ein Triumph des Musikalischen.
(Die Inszenierung Breths: vergessenswert.)
|
Wozzeck mit Simon Keenlyside (in der Titelrolle) und Andreas Schager (als Tambourmajor) - an der Staatsoper Unter den Linden 2025 | Foto (C) Stephan Rabold
|
Andre Sokolowski - 15. Dezember 2025 ID 15608
WOZZECK (Staatsoper Unter den Linden, 14.12.2025)
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung: Andrea Breth
Szenische Einstudierung und Spielleitung: Caroline Staunton
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Silke Willrett und Marc Weeger
Licht: Olaf Freese
Choreinstudierung: Dani Juris
Besetzung:
Wozzeck ... Simon Keenlyside
Marie ... Anja Kampe
Tambourmajor ... Andreas Schager
Andres ... Florian Hoffmann
Hauptmann ... Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Doktor ... Stephen Milling
Margret ... Anna Kissjudit
Erster Handwerksbursche ... Friedrich Hamel
Zweiter Handwerksbursche ... Dionysios Avgerinos
Ein Narr ... Stephan Rügamer
Ein Soldat ... Soongoo Lee
Mariens Knabe ... Jacob Tougas Gigling
Kinderchor der Staatsoper
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere (im Schllertheater) war am 16. April 2011.
Weitere Termine (in der Lindenoper): 18., 21.12.2025// 04.01.2026
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de
https://www.andre-sokolowski.de
Ballett | Performance | Tanztheater
Konzerte
Musiktheater
Neue Musik
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CD / DVD
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
MUSIKFEST BERLIN
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|