Georg Friedrich Händel - "Tamerlano"
Oper Bonn Premiere am 27. Februar 2011
Weitere Termine: 12., 20., 27. und 31.03., 08., 15. und 30.04., 15.05. und 09.06.2011
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Geometrie der Gefühle
Keine Berührung, kaum Blicke. Jede der Figuren aus Händels Oper „Tamerlano“ hat ihr Leid und ihre Emotionen in Philipp Himmelmanns Inszenierung, die in der Oper Bonn Premiere feierte, mit sich selbst auszumachen. Die Kontaktlosigkeit zwischen den Figuren macht es anfänglich recht schwer, zu verstehen, wer wer ist und wie die jeweiligen Interessen gelagert sind. Da hilft nur ein Blick auf die Übertexttafel. Und dieser Linie bleibt Regisseur Philipp Himmelmann den Abend über treu. Mirko Roschkowski darf als besiegter Feldherr Bajazet furios im Sterben den Gegner Tamerlano beschimpfen, bleibt aber sowohl zu diesem als auch zu seiner Tochter Asteria, die er im Verlauf seiner Arie adressiert, auf Distanz. Auch in Momenten der räumlichen Nähe zwischen zwei Protagonisten gibt es immer noch eine Trennung: Antonio Giovannini schmachtet im ersten Akt als Andronico herzzerreißend Asteria (Emiliya Ivanova) an, aber ein transparenter Vorhang verhindert den direkten Kontakt.
Die Geschichte um den Feldherren Tamerlano, der Asteria, die Tochter seines geschlagenen Gegners Bajazet ehelichen will und dafür seine Braut Irene an den treuen Gefolgsmann Andronico abschiebt, spielt sich auf der Bühne des Bonner Opernhauses vor einer drehbaren, mehrere Meter breiten und hohen Wand ab, auf der architektonische Grundrisse in Schwarz oder Weiß zu sehen sind – je nachdem, auf welche Seite der Wand man als Zuschauer blickt. Ein weiteres wiederkehrendes Motiv sind minimalistisch anmutende und aufeinander gestapelte Würfel.
Das wirkt ein wenig leblos, auch wenn diese Wand sich wunderbar dreht und in kleinere Elemente zerlegt werden kann, die sich ebenfalls drehen. Zu plakativ sind hier die äußeren Zwänge und die äußere Form, in denen sich das Individuum nicht ausleben darf. Lobenswert ist die Leistung der Lichtregie von Thomas Roscher, die das Dunkel der Szenerie punktgenau auszuleuchten vermag.
Musikalisch ist der Abend eine einzige Offenbarung. Alle Solisten bewältigen ihre Partien überzeugend und mit großer stimmlicher Agilität, Sicherheit und Strahlkraft. Verständlich, dass das Bonner Publikum gerne die Gelegenheit ergriff, zu applaudieren. Das ging am Abend der Premiere allerdings auf Kosten der musikalischen Geschlossenheit, die Rubén Dubrovsky mit seinem Dirigat anstrebte, und so entspann sich im Laufe der Aufführung ein kleiner Wettstreit zwischen dem Dirigenten und dem klatschfreudigen Publikum.
Erfreulich ist an diesem Händel-Abend in der Bonner Oper zudem, dass bei aller bewundernswerten Gesangsleistung auch die szenische Präsenz der Darsteller stimmt. Und so kann sich „Tamerlano“ in Bonn auf jeden Fall hören und sehen lassen.
Georg Friedrich Händel: Tamerlano
Dramma per Musica in drei Akten
Text von Nicola Francesco Haym
Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Inszenierung: Philipp Himmelmann
Bühne: Johannes Leiacker
Kostüme: Katherina Kopp
Licht: Thomas Roscher
Dramaturgie: Michaela Angelopoulos
Tamerlano: Mariselle Martinez
Bajazet: Mirko Roschkowski
Asteria: Emiliya Ivanova
Andronico: Antonio Giovannini
Irene: Susanne Blattert
Ein Bass: Sven Bakin
Beethoven Orchester Bonn
Continuo
Christoph Sprenger, Orgel und Cembalo
Grigory Alumyan, Violoncello
Stanislaw Gojny, Laute
Ingo Klatt, Kontrabass
Karoline Bendig, 3. März 2011 ID 00000005081
Siehe auch:
www.theater-bonn.de
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