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nachDRUCK # 5

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CD-Kritik

Die Kunst der

Gegenstimme





Bewertung:    



Der unvergleichliche Glenn Gould hat zwar Mozart interpretiert, aber bekanntlich gab er Bach vor dem „Wunderkind“ den Vorzug. Dem Apologeten des Kontrapunkts fehlte bei Mozart, der für ihn „mit Abstand der am meisten überschätzte Komponist“ war, die elaborierte Kunst der linken Hand (am Klavier, versteht sich). Dass, was Gould da konstatiert, nicht auf Unkenntnis beruhte, dass Mozart durchaus den Kontrapunkt seines, wenn auch erst mit 26 Jahren entdeckten Vorgängers bewundert und studiert hat, belegen seine Arrangements von sechs Fugen von Johann Sebastian und Wilhelm Friedrich Bach für Streichtrio aus dem Jahr 1782.

Mit den ersten drei aus dem Wohltemperierten Klavier mit von Mozart selbst stammenden „langsamen Einleitungssätzen" eröffnet das Trio Montserrat seine heterogene CD, die den Titel German Counterpoint trägt. Und doch: Mozarts Präludien und die arrangierten Fugen bilden eher einen Gegensatz als eine Einheit und machen drastisch bewusst, wie sehr sich die Musik in den nur 32 Jahren seit dem Tod Johann Sebastian Bachs verändert hat.

Auf diese Expedition in die Vergangenheit folgen drei Beispiele für die Kunst des (deutschen) Kontrapunkts im 20. Jahrhundert: eine Triosonate von Paul Büttner, eine Kammersonate von Heinz Schubert und ein Streichtrio von Reinhard Schwarz-Schilling. Die ersten beiden entstanden in den dreißiger Jahren, das dritte ist ein Spätwerk des 1985 verstorbenen Komponisten von 1983. Büttners aus sieben sehr kurzen Sätzen bestehende Triosonate wirkt allerdings anachronistisch. Der Komponist, zehn Jahre jünger als Gustav Mahler und nur vier Jahre älter als Arnold Schönberg, beschreibt die Form seiner Triosonate wie folgt: "Kanons mit Umkehrungen im doppelten Kontrapunkt der Duodezime". Diese komplizierte Struktur ist wohl allenfalls für den Musikwissenschaftler identifizierbar. Für den „naiven“ Hörer haben die verspielt kurzatmigen Einfälle etwas Aphoristisches, ohne die kompositorische Stringenz von etwa Béla Bartóks oder Anton Weberns Bagatellen, die gleichzeitig und schon davor geschrieben wurden. Das euphorische Lob des Produzenten im Beiheft jedenfalls ist schwer nachzuempfinden und eher peinlich. Wer die CD erst einmal in der Hand hat, dem braucht man sie ja nicht zu verkaufen. Weil aber die Verzückung des Beihefts nicht zu überbieten ist, hat ein Dr. Ingobert Waltenberger, im bürgerlichen Beruf Finanzattaché der Österreichischen Botschaft Berlin, den Text – ohne Quellenangabe, wie sonst? – einfach abgeschrieben oder gescannt und als Rezension auf der „internationalen Kulturplattform“ Online Merker aus Wien veröffentlicht.

Deutlich anspruchsvoller als Büttners Triosonate ist mit ihrer dichten Stimmführung Heinz Schuberts Kammersonate, in der sich die heitere Fuge des dritten Satzes von den düsteren ersten zwei Sätzen abhebt. Das Allargando al fine beschließt, was man als moderne Reverenz an Johann Sebastian Bach verstehen kann.

Während Schubert die drei Streichinstrumente mit dem gleichen Gewicht versieht, lässt Reinhard Schwarz-Schilling das Cello erst im zweiten seiner beiden Sätze zu seinem Recht kommen. Über den Status einer Skizze scheint sein Streichtrio nicht hinaus zu gelangen. Als Argument für den Kontrapunkt, den deutschen oder den Kontrapunkt ohne spezifizierendes Attribut, ist es nur sehr bedingt brauchbar. Zu Gunsten der CD lässt sich freilich vorbringen, dass sie, „aufgehängt“ an Bach und Mozart, vernachlässigtes und so gut wie unbekanntes Material dokumentiert. Das hat zumindest archivarischen Wert.


Thomas Rothschild – 6. Februar 2021
ID 12732
Link zur CD mit dem Trio Montserrat


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