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CD-Kritik

Baltische

Entdeckungen





Bewertung:    



Gidon Kremer ist nicht nur einer der herausragenden Geiger seiner Generation. Er ist auch ein Advokat der Komponisten wie nur wenige Musiker seines Formats. Er begnügt sich nicht damit, dem Repertoire seine eigene Interpretation geläufiger Werke hinzuzufügen, sondern setzt sich für wenig oder in unseren Breiten gar nicht bekannte Komponisten ein, insbesondere für solche aus dem Baltikum, woher er selbst stammt und das bei uns kulturell immer noch weitgehend eine Terra incognita ist.

Auf der CD Songs Of Fate sind das Giedrius Kuprevičius und Raminta Šerkšnyté aus Litauen sowie Jēkabs Jančevskis aus Lettland. Hinzu kommen vier kurze Stücke von Mieczysław Weinberg, für den sich Kremer schon starkgemacht hat, ehe seine Wiederentdeckung hohe Wellen schlug.

Mit seiner Kremerata Baltica tritt neben Gidon Kremer die litauische Sängerin Vida Miknevičiūtė auf. Durch das gesamte Programm zieht sich die jüdische Thematik, namentlich das Kaddisch, das als Totengebet dient, und entsprechend eine getragene, fast durchweg nach innen gekehrte Stimmung. Aus dem Rahmen fällt Weinbergs Kujawiak, ein Volkstanz aus Kujawien – daher der Name – im Norden Polens.

Obgleich die Komponisten unüberhörbar mit modernen Kompositionstechniken vertraut sind, kann man die von Gidon Kremer ausgewählten Stücke nicht als „schwierig“ kennzeichnen. In ihnen scheint eine gemäßigte Avantgarde weiterzuleben, wie sie in der Sowjetunion gepflegt wurde und deren Traditionalismus man üblicherweise fast klischeehaft auf das Dogma des Sozialistischen Realismus und die damit verbundenen Repressionen zurückführt. Zumindest ebenso entscheidend sind jedoch wohl die Reverenzen an die – in diesem Fall: baltische – Folklore zu sein.

Die Entstehungszeit der Kompositionen reicht von 1942 – Weinbergs Aria op. 9 – bis ins Jahr 2021 – This too shall pass von Raminta Šerkšnyté. Bis auf die Titel von Mieczysław Weinberg, sind alle erst im 21. Jahrhundert, also in unserer Gegenwart entstanden. Ihre Schöpfer wurden zwischen 1944 und 1991 geboren. Es gibt einiges zu entdecken. Und wir dürfen uns angesichts unserer Unkenntnis fragen, ob das Gerede über Europa mehr ist als ein Lippenbekenntnis. Die baltischen Staaten haben und hatten auch in der Sowjetzeit eine musikalische Kultur, um die sie „der Westen“ nur beneiden kann. Was besagt es über unsere europäische Aufgeschlossenheit, wenn uns jede amerikanische Belanglosigkeit vertrauter erscheint als die Musik jener Länder, von denen uns nur Polen trennt? Und auch die jüdische Kultur ist älter als der Staat Israel. Wie interessiert ist man hierzulande an ihr? Sie gehört nicht zur deutschen Staatsräson. Also findet sie nicht statt. Wenn nicht gerade eine Autorität wie Gidon Kremer auf sie hinweist. Und selbst dann hat sie, wie zu fürchten ist, keine Chance gegen Helene Fischer.


Thomas Rothschild – 18. Januar 2024
ID 14564
ECM-Link zu Songs of Fate


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