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CD-Kritik

Aus dem

Repertoire





Bewertung:    



Dem ersten Violinkonzert von Max Bruch hat Thomas Bernhard in seiner Auslöschung den Todesstoß versetzt. Tschaikowskis Violinkonzert aber hat überlebt. Es behauptet unangefochten den ersten Platz in der Liste der meistgespielten Exemplare der Gattung, vor den Bestsellern von Beethoven, Mendelssohn, Brahms und Sibelius. Es gehört zum Repertoire jeder Violinistin und jedes Violinisten wie Francisco Tárregas Recuerdos de la Alhambra zum Pflichtprogramm jeder Gitarristin und jedes Gitarristen.

Auch die 32jährige Sarah Christian kann und will auf Tschaikowskis Erfolgsgaranten nicht verzichten. Sie hat das Violinkonzert mit der von Jérémie Rhorer dirigierten Deutschen Kammerphilharmonie Bremen aufgenommen, deren Konzertmeisterin sie mit nur 23 Jahren wurde, in Kombination mit dem Sextett Souvenir de Florence des russischen Komponisten.

Sarah Christian hat sich für die Originalfassung des Komponisten entschieden, nicht für die von vielen Geigern bevorzugte Bearbeitung durch Leopold Auer, dem Tschaikowskis Entwurf zu schwierig erschienen war.

Unüberhörbar ist Christians symbiotische Beziehung zu „ihrem“ Orchester, das Paavo Järvi zu einem der exzellentesten Klangkörper Deutschlands gemacht hat. Der Solistin gelingt es, das hundert Mal gehörte Werk, insbesondere in der Kadenz im Mittelteil des ersten Satzes, mit Spannung aufzuladen. Die Herausforderung an die Geläufigkeit nimmt sie an, ohne die Töne zu verschmieren. Das Cantabile des während der Arbeit an dem Violinkonzert ausgetauschten zweiten Satzes kontrastiert sie überzeugend, aber nicht aufdringlich gegenüber den virtuosen Exzessen der Ecksätze.

So erfolgreich Tschaikowskis Violinkonzert wurde, zählt es doch zu den am kontroversesten rezipierten Werken der Musikgeschichte. In den Anekdotenschatz eingegangen ist Eduard Hanslicks bissige Bemerkung: „Tschaikowskys Violin-Concert bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört.“ Ob man nun ein Fan oder ein Verächter Tschaikowskis ist: der Verdacht drängt sich auf, dass sich die Langlebigkeit dieses Zitats, wie die mancher kolportierter Kritiken der Vergangenheit, nicht so sehr einem Argument verdankt, wie dem Witz der Formulierung. Es lohnte sich, Rezensionen von Kerr, Polgar oder, ein paar Etagen tiefer, von Reich-Ranicki unter diesem Aspekt zu sichten.

Mit dem zwölf Jahre später entstandenen Souvenir de Florence präsentiert Sarah Christian in mehrfacher Hinsicht einen Gegensatz zum Violinkonzert: Kammermusik versus Orchester, Daseinsfreude versus Exaltiertheit, an italienischen und russischen Anregungen orientierte Volkstümlichkeit versus raumgreifendem Universalismus. Nach ihrer Tour de Force nimmt sich die Geigerin hier zurück: nicht als Solistin, sondern als eine von sechs Gleichberechtigten tritt sie auf. Die übrigen fünf sind Johannes Strake an der zweiten Violine, Wen Xiao Zheng und Jano Lisboa an den Violen, Maximilian Hornung und Jan-Erik Gustafsson an den Celli. Die Violine zaust und bläut nicht. Eduard Hanslick wäre zufrieden. Wobei man sich aus heutiger Sicht fragen mag, was eigentlich dagegen spricht, dass eine Violine „zaust, zupft und bläut“ (was immer das in diesem Zusammenhang sein mag). Aber damit wären wir wieder bei einer normativen, fortschrittsfeindlichen Kritik, die jede Innovation für einen Fehler hält.


Thomas Rothschild – 21. Mai 2021
ID 12925
Link zur CD mit Sarah Christian (Violine)


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