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CD-Kritik

An der Schwelle

zum 20. Jahrhundert





Bewertung:    



Das Alban Berg Quartett zählte bis zu seiner Auflösung im Jahr 2008, nachdem der langjährige Bratschist Thomas Kakuska (en passant: wir kannten uns in unserer Kindheit, er wohnte schräg gegenüber im Vorderhaus des Döblinger Bads und war schon damals ein „Wunderkind“) drei Jahre zuvor verstorben war, zu den angesehensten Streichquartetten der gegenwärtigen Musiklandschaft. Jetzt hat sich ein neues Ensemble, nicht weniger programmatisch als das renommierte Quartett, den Namen des großen Komponisten der Wiener Schule gewählt. Das Hugo Wolf Quartett hat sich mit einer Flötistin, einem Klarinettisten und einer Pianistin zum Alban Berg Ensemble Wien erweitert.

Ihre erste CD vereint drei Komponisten, die zwar Zeitgenossen waren, musikalisch aber nicht allzu viel gemeinsam hatten, ja in gewissem Sinne sogar Antagonisten waren: Gustav Mahler, Richard Strauss und Alban Bergs Lehrer Arnold Schönberg. Gemeinsam hatten die drei freilich, dass zwei von ihnen, Mahler und Schönberg, Altösterreicher waren und der in München geborene Strauss durch seine Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal mit einem gewissen Recht als solcher gilt. Was, wenn nicht der Rosenkavalier, wäre österreichisch?

Die drei fast exakt gleich langen Kompositionen der CD wiederum haben den symphonischen Charakter gemeinsam. Man möchte seinen Ohren kaum trauen, wenn man sich klar macht, dass es bloß sieben Musiker sind, die diese Klangfülle produzieren.

Das Adagio, das die CD eröffnet, ist denn auch eigentlich für ein großes Orchester gedacht. Es ist der erste Satz aus Mahlers unvollendeter 10. Symphonie, mit der sich der Namensgeber des interpretierenden Ensembles ausgiebig beschäftigt hat. Mit der kleinen Besetzung folgt das Alban Berg Ensemble dem Modell von Schönbergs nur drei Jahre existierenden Verein für musikalische Privataufführungen, bei dem Beifalls- und Missfallensbekundungen per Satzung verboten waren. Das Adagio liegt in unzähligen Aufnahmen vor, darunter auch in diversen Transkriptionen, etwa durch die Kremerata Baltica. Die Version für ein Septett mag Mahler-Fans befremdlich klingen – überzeugen kann sie durchaus.

Die erste Kammersymphonie von Arnold Schönberg, wenige Jahre vor Mahlers Zehnter entstanden, ist dem Spätromantiker Mahler näher als dem Zwölftonkomponisten, an den viele beim Namen Schönberg denken. Sie wurde in ihrer ersten Fassung, op. 9a, von vornherein für ein kleines Ensemble – für 15 Instrumente – geschrieben. Anton Webern hat das Werk seines Lehrers für Quintett-Besetzung bearbeitet. In der ersten Version für Orchester von Schönberg selbst wurde die einsätzige Kammersymphonie 1913 in einem Konzert aufgeführt, das zu einen in die Musikgeschichte eingegangenen Skandal provozierte. Heute kann man die Erregung von damals kaum nachvollziehen.

Das eingängigste Stück der CD ist die Rosenkavalier-Suite, die Richard Strauss 1945, 34 Jahre nach der Uraufführung der Oper, zusammengestellt hat. Sie enthält in verdichteter Form und naturgemäß ohne Text die Hits der Oper, die wohl wie nur noch Die Zauberflöte und vielleicht die Operette das österreichische Verständnis von Musiktheater geprägt hat. 30 Jahre lang wurde die beliebte sonntägliche Sendung des Österreichischen Rundfunks Aus Burg und Oper von Heinz Fischer-Karwin mit einem Walzer aus dem Rosenkavalier eingeleitet. Dafür jedenfalls bedarf es keiner Privataufführung. Das goutieren selbst jene, die bei Alban Berg immer noch erzürnt den Konzertsaal verlassen. Es ist noch nicht so lange her, dass ein österreichischer Ministerialbeamter zu dem Komponisten Friedrich Cerha sagte: „Aber Cerha, Sie sind ja begabt, – warum geh'n S denn nicht ins Ausland?“ Mit dem Rosenkavalier hat niemand Probleme, der darf im Inland bleiben. Und Schönberg? Na ja...


Thomas Rothschild – 18. Juli 2020
ID 12359
Link zum Alban Berg Ensemble Wien


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