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Premierenkritik

Der

System-

sprenger

Wagners TANNHÄUSER am Theater Magdeburg


Marko Pantelić (li.) als Wolfram und James J. Kee als Tannhäuser in Wagners gleichnamiger Oper - am Theater Magdeburg | Foto (C) Andreas Lander

Bewertung:    



"Magdeburg war für den jungen Richard Wagner die erste Wirkungs- und Kompositionsstätte zu Beginn seiner musikalischen Karriere, von 1834 bis 1836. Hier hörte er zum ersten Mal eine eigene Oper (UA 1836). Beruflich und privat war es verwickelt, stürmisch, und nicht immer eindeutig für den 21-Jährigen. Die Garnisonsstadt Magdeburg und das nahe Theater in Bad Lauchstätt boten viele Optionen, waren aber nicht immer mit Wagners eigenen Visionen und Träumen einverstanden. Die Jahre Wagners in Magdeburg bilden eine wenig bekannte und dennoch wichtige Zeit in der Entwicklung der heutigen Landeshauptstadt ab, die als Richard Wagner-Stadt geehrt wird."


So [s.o.] steht es auf der Website vom Richard-Wagner-Verband Magdeburg, und also war und ist es Fakt, dass Wagner & Magdeburg, obgleich mehr nebenläufig und halt im Vorübergehen, eine gemeinsame Geschichte verbindet - und so wollte ich dann, aber nicht nur deshalb, gestern Abend, und nachdem ich vor acht Jahren erst- und letztmals in der Magdeburger Oper war (und zwar zu Dvořáks Rusalka), live bei der Premiere von Wagners Tannhäuser zugegen gewesen sein.

*

Der US-Amerikaner James J. Kee bestimmt das Bild und auch den Ton in dieser von der walisischen Regisseurin Adele Thomas als vordergründige Systemsprengung angelegten Inszenierung. Er sieht grandios aus, darf daher auch seinen nackten Oberkörper permanent zur Schau stellen - ja und er hat zudem eine doch ziemlich kräftige Stimme; dass er nicht immer den rechten Ton trifft und an manchen Stellen höhenmäßig überfordert wirkt, mag irgendwie auch daran liegen, dass er seine stimmbandmäßige Transformation vom Bariton zum schweren Heldentenor noch nicht ganz abgeschlossen haben könnte. Alles in allem ist und bleibt er freilich der absolute Vorzeigestar des Abends!

Thomas fokussierte sich in ihrer Inszenierung (Bühne und Kostüme: Cécile Trémolières) auf eine schier karikatureske Vorführung des in Wagners Tannhäuser so unerträglich mitschwingenden Heilige-und-Hure-Prinzips; das fängt bereits in der ersten Venusbergszene nach der Ouvertüre an, wo sich die ewige Verführerin, nachdem sie einen gewissen sexuellen Überdruss des bis dahin in ihrer Obhut befindlichen Schützlings zu bemerken wähnt, aus ihrer Heiligen-Maria-Tarnung schält und man(n) urplötzlich den erotischen Bedrohungen einer vielbrüstigen Sirene ausgesetzt zu seien scheint - das als ihre vier übergriffigen Schwestern performende Tänzer- und Tänzerinnenquartett mit Lukas Bisculm, Valeria Busdraghi, Viktoriia Cherkasova und Laia Vancells Pi (Choreografie: Emma Woods) leistet so gesehen Vorbildliches. Jadwiga Postrożnas "Zuchtmeisterin" besticht in ihrer fast schon ätzenden Sopranigkeit und allerbesten Schauspiellaune!

Auch bei der ("heiligen") Elisabeth, so wie sie von der Thomas nachgerade dechiffriert wurde, entpuppt sich eine für sie folgenschwere Vorgeschichte: Ihr im Schrittbereich theaterblutbeflecktes weißes Kleid (im Dritten Akt) assoziiert, dass sie womöglich eine Fehlgeburt oder gar eine Abtreibung erlitten haben könnte, ergo war da höchstwahrscheinlich mal etwas mit Tannhäuser, vielleicht noch aus der Zeit, bevor er ihrer leid wurde und sie von der Wartburg weg hinauf oder hinab zum Hörselberg verließ, weswegen sie ja auch in diese Dauerdepression als Folge ihrer Liebeskrankheit unheilbar geriet; kurzum: zum Schluss steigt sie noch einmal flugs von ihrer Totenbahre auf, reicht ihrem Liebsten einen grünen Trösterzweig und tritt dann irgendwohin (in die ewigheiligen Gefilde) ab. Aurora Marthens spielt und singt das herzergreifend souverän.

Die (ost-)christliche Prüderie und gleichsam indoktrinäre Übergriffigkeit der Wartburger Belegschaft lässt sich wohl am deutlichsten in der Figurensicht des Landgrafen - der basstief grollende Johannes Stermann tritt da wie ein orthodoxer Super-Pope auf - ablesen. Auch die (im Zweiten Akt) sich gegenseitig messenden oder (besser noch:) niedermachenden Sängerkrieger sind von diesem die dortige Gesellschaft bestimmenden Grundklima nicht frei; und einzig der systemsprengende Tannhäuser versucht dort etwas freie Luft hineinzublasen, was selbstredend scheitert, weil es scheitern musste. Der Opernchor des Theaters Magdeburg und die Magdeburger Singakademie (Choreinstudierung: Martin Wagner) demonstrieren hier, aber auch beim späteren Pilgerchor, ihre imposante Stimmgewalt und einen ziemlich homogenen Zusammenklang; allein das Orchester der Magdeburger Philharmonie schleppt stellenweise etwas hinterher, null Ahnung, ob das am Dirigenten Erik Nielsen oder wem auch immer gelegen haben könnte; vielleicht war auch der Chor ein bisschen zu vorauseilend, aber egal.

Nicht zu vergessen: der traumhaft schöne Sound von Marko Pantelić als Wolfram [s. Foto o. li.]!

Standing Ovations nach der Premiere.




Die Venus mit den vielen Brüsten (Jadwiga Postrożna) und der sie begehrende Tannhäuser (James J. Kee) inkl. sexbesessner Venus-Schwestern in Wagners Oper Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg - am Theater Magdeburg | Foto (C) Andreas Lander

Andre Sokolowski - 15. September 2025
ID 15463
TANNHÄUSER (Opernhaus Magdeburg, 14.09.2025)
Musikalische Leitung: Erik Nielsen
Regie: Adele Thomas
Bühne und Kostüm: Cécile Trémolières
Choreografie: Emma Woods
Dramaturgie: Esther Beisecker
Choreinstudierung: Martin Wagner
Besetzung:
Hermann, Landgraf von Thüringen ... Johannes Stermann
Tannhäuser ... James J. Kee
Wolfram von Eschenbach ... Marko Pantelić
Walther von der Vogelweide ... Aleksandr Nesterenko
Biterolf ... Giorgi Mtchedlishvili
Heinrich der Schreiber ... András Adamik
Reinmar von Zweter ... David Howes
Elisabeth, Nichte des Landgrafen ... Aurora Marthens
Venus ... Jadwiga Postrożna
Ein junger Hirt ... Elvire Beekhuizen
Vier EdelknabenIrene ... Irene Cabezuelo, Ilka Hesse, Bomi Lee und Emilia Mitskevych
Tänzerinnen und Tänzer: Lukas Bisculm, Valeria Busdraghi, Viktoriia Cherkasova und Laia Vancells Pi
Opernchor des Theaters Magdeburg
Magdeburger Singakademie
Magdeburgische Philharmonie
Premiere am Theater Magdebureg: 14. September 2025
Weitere Termine: 27.09., 05., 19.10., 16.11., 13.12.2025/ 04.01.2026


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-magdeburg.de


https://www.andre-sokolowski.de

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