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Premierenkritik

The

Crying

Game



Rusalka an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

Bewertung:    



Antonín Dvořáks Oper Rusalka verarbeitet einen in Europa verbreiteten Märchenstoff, dessen namengebende Gestalt eine Wassernixe ist, eine Verwandte von Andersens Meerjungfrau oder von La Motte Fouqués Undine.

Rusalka liebt einen Prinzen und bittet die Hexe Ježibaba, sie in einen Menschen zu verwandeln. Der Preis: sie muss stumm bleiben und ins Wasserreich zurück kehren, wenn der Prinz aufhört, sie zu lieben. Es kommt, wie es kommen muss. Die Liebe des Prinzen erkaltet, und er wendet sich der „fremden Fürstin“ zu. Rusalka hat ihre Stimme wieder gewonnen (was wäre eine Oper mit einer zentralen Figur, die nicht singen kann), ist aber weder in der „menschlichen“ Welt des Prinzen, noch im Wasser daheim. Irrlichternd führt die Betrogene ihre Opfer ins Verderben. Der Prinz bereut – aber zu spät. Er stirbt, als er Rusalka küsst.

Der Stoff enthält zahlreiche Elemente, die geradezu nach einer modernen Interpretation oder nach einer kritischen Umdeutung verlangen: Die Gefahr, die sich ergibt, wenn jemand sein Milieu verlässt und versucht, in eine andere Welt überzuwechseln; das Schweigegebot gegenüber der liebeshungrigen Frau; die Verderben bringende Schöne und ihr Todeskuss.

Dvořák war 60 Jahre alt, als er Rusalka, drei Jahre vor seinem Tod, komponierte. Er hatte, wie Beethoven, neun Symphonien, unzählige Stücke für Orchester, für Kammerensemble und für Soloinstrumente sowie Vokalwerke geschrieben. Rusalka war seine vorletzte Oper.

*

In Stuttgart gibt der Regisseur Bastian Kraft mit Rusalka sein Debüt. Die Figur der Nixe, die statt zwei Beinen, die sich spreizen lassen und zwischen denen sich entscheidet, ob sie Frau oder Mann ist, einen Fischschwanz aufweist, fügt sich nahtlos in die gegenwärtigen Debatten über Geschlecht, Gender und Diversität. Die Ankündigung verspricht oder, je nach Geschmack, droht, Kraft stelle „den hybriden Wald- und Wasserwesen in Antonín Dvořáks geisterhaft schön von nächtlichen Parallelwelten erzählender Oper Rusalka Drag- und Burlesque-Performer*innen zur Seite. Sie konterkarieren durch ihre fantasievoll von Freiheit sprechende fluide Performance von Geschlecht eine durch und durch von fixen Rollenbildern besessene Welt“.

Während die Performer*innen auf der Bühne spielen, was von einem großen Spiegel im Winkel von 45 oder 90 Grad verdoppelt wird, und dabei die Lippen synchron zum Ton bewegen, wird von oberhalb, von einem Laufsteg herab gesungen. Nach einer Stunde begeben sich die Sänger*innen hinab auf die Bühne und gesellen sich in unterschiedlichen Formationen zu den Performer*innen. Sogar das Orchester und die Dirigentin Oksana Lyniv kommen ins Bild. Bastian Kraft ist unübersehbar verliebt in den mehrfach variierten Spiegeleffekt, aber offenbar trifft er damit, dem heftigen Applaus nach zu schließen, auf das Einverständnis des Publikums. Die Erwartungen an die Oper haben sich mit Mikroport, Video und Computer augenfällig verändert.

Unter den Sänger*innen ragen Esther Dierkes als Rusalka, Katia Ledoux als Ježibaba und Goran Jurić als Wassermann heraus. Die Drag- und Burlesque-Performer*innen genießen offenkundig die nicht alltägliche Rolle, die ihnen zugewiesen wurde, aber allzu anspruchsvoll ist die Choreographie, die man ihnen abverlangt, nicht gerade. Der baumlange australische Drag-Darsteller der Rusalka Joel Small mit dem Pseudonym Reflektra nimmt vor dem Ende seine Perücke ab, entfernt die künstlichen Wimpern und die dicke Schminke und zeigt sein wahres (männliches) Gesicht. Wie sich der Prinz bei dieser Enthüllung gefühlt haben mag, konnte man vor 30 Jahren aus Neil Jordans Film The Crying Game erfahren.



Rusalka an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

Thomas Rothschild - 5. Juni 2022
ID 13657
RUSALKA (Staatsoper Stuttgart, 04.06.2022)
Musikalische Leitung: Oksana Lyniv
Regie: Bastian Kraft
Bühne: Peter Baur
Kostüme: Jelena Miletić
Videodesign: Sophie Lux
Licht: Reinhard Traub
Chor: Manuel Pujol
Dramaturgie: Franz-Erdmann Meyer-Herder
Besetzung:
Prinz ... David Junghoon Kim
Fremde Fürstin ... Allison Cook
Rusalka ... Esther Dierkes und Reflektra
Wassermann ... Goran Jurić und Alexander Cameltoe
Ježibaba ... Katia Ledoux, Judy LaDivina
Heger ... Torsten Hofmann
Küchenjunge ... Alexandra Urquiola
1. Elfe ... Natasha Te Rupe Wilson und Vava Vilde
2. Elfe ... Catriona Smith und Lola Rose
3. Elfe ... Leia Lensing und Purrja
Jäger ... Ángel Macías
Mitglieder des Staatsopernchores
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 4. Juni 2022.
Weitere Termine: 09., 11., 16., 19., 25.06. / 02.07.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de/


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