Valentin Schwarz inszenierte
zwei Kurzopern nach
Kleist-Stücken
PENTHESILEA & DER ZERBROCHENE KRUG am Deutschen Nationaltheater Weimar
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Bewertung:
Das neue Leitungsteam am DEUTSCHEN NATIONALTHEATER WEIMAR setzt sich seit dieser Saison aus einer Teamintendanz (bestehend aus den drei Herren Valentin Schwarz, Dorian Dreher und Timon Jansen), der Kaufmännischen Geschäftsführerin (Sabine Rühl), dem Team Change & Referentinnen der Teamintendanz (bestehend aus den drei Damen Julia Langeder, Justine Rohland und Magdalena Schnitzler) sowie drei weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inkl. einer studentischen Aushilfe im Büro der Teamintendanz zusammen.
Der Prominenteste unter den obig Genannten dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der österreichische Bühnen- und Filmregisseur Valentin Schwarz sein, dessen tiefenpsychologische und gleichsam humoristische RING-Version in den vergangenen vier Jahren auf dem Grünen Hügel (Bayreuther Festspiele 2022, 2023, 2024, 2025) für Furore sorgte - die ersten beiden Zyklen hatte ich mir nacheinander angesehen, in den Folgejahren testete ich separat den Siegfried und die Götterdämmerung hieraus, mit welcher ich schlussendlich Schwarzens RING in diesem Sommer ein für alle Mal beendete; und es bleibt jammerschade, dass die Produktion jetzt also abgelaufen ist und sich der Großteil einer selbsternannten und -begriffenen Wagner-Gemeinde absolut nicht mit ihr aussöhnen geschweige denn vertragen wollte.
Mit diesem Berühmtheitsrucksack bepackt schlug er jetzt also in der klassischsten aller Klassikerstädte auf und wird und will am DNT (in der ihm zugeteilten Position und Funktion eines künstlerischen Geschäftsführers und Chef-Regisseurs) Karriere machen, und da standen/ stehen gleich mal zwei bemerkenswerte Inszenierungen auf seinem Plan - die erste (Penthesilea & Der zerbrochene Krug) hatte gestern Premiere; die zweite (Faust et Hélène & Faust :: Mein Brustkorb : Mein Helm) findet am 15. Mai 2026 statt. Beide Male handelt es sich um jeweils zwei miteinander gekoppelte Stücke; beim ersten sind es die zwei selten gespielten Kleist-Opern von Othmar Schoeck und Viktor Ullmann, beim zweiten die zwei Faust-thematische Dichtungen bzw. Dramen von Lili Boulanger/Eugène Adenis und Werner Schwab.
Ob diese zweifache Koppelung von eigentlich nicht sonderlich bekannten Werken bei den Weimarianern (und um ihretwegen wollen sich die obig genannten Verantwortlichen sicherlich besonders mühen, hoffe ich doch sehr) von dauerhaftem Glück gekrönt ist, muss sich nach den zwei Premieren noch herausstellen; ich prophezeie mal, dass sich der Schwarz spätestens ab der nächsten Spielzeit wieder "deutlich größeren" und v.a. publikumswirksameren Projekten zuwenden wird...
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"Die Amazonenkönigin Penthesilea führt gegen Achilles einen erbarmungslosen Krieg und zerstört sich dabei selbst. – Die schuldlose Eve entlarvt den Dorfrichter als verlogenen Täter und stellt die Ordnung auf den Kopf.
Erst im 20. Jahrhundert wagen sich zwei Komponisten an versgetreue Vertonungen dieser beiden kompromisslosen Dramen von Heinrich von Kleist: Othmar Schoeck bereichert das antike Trauerspiel mit filmischen Klangwelten und zeigt die Brutalität Penthesileas als gewaltigen Grenzgang zwischen Sprache und Gesang. – Mitten im Zweiten Weltkrieg fragt uns der jüdische Komponist Viktor Ullmann mit Kleists Lustspiel, wie lange wir uns taub stellen wollen, wenn das Recht an die Tür des Unrechts klopft."
(Quelle: dnt-weimar.de)
Schoecks Penthesilea (Dauer: 75 min) und Ullmanns Der zerbrochene Krug (Dauer: 45 min) stehen also zur Debatte. Zwei Kurzopern, die nicht gegensätzlicher sein können und sich demzufolge auch so anhören; Schoeck wollte die Elektra von Strauss, allein schon von der Orchesterbesetzung her (11 Kontrabässe, 8 Klarinetten usf.), toppen, und Ullmann verkürzte und erheiterte die Kleist'sche Vorlage durch Transparenz und Ironie ("Leichtigkeit, Leichtigkeit" heißt es da, und zu Ullmanns Krug irgendwie passend, in Thomas Manns Lotte in Weimar).
Die beiden Ausstatter von Schwarz (der Bühnenbildner Andrea Cozzi und der Kostümdesigner Andy Besuch) treten hinsichtlich der beiden Stücke unterschiedlich stark in Erscheinung - in Penthesilea bestechen die an Star-Wars-Filme oder die Pekingoper gemahnenden Klamotten, im Krug bestimmt eine den heutigen Theaterbetrieb (am DNT?) sehr augenzwinkernd vorführende Drehbühne die kurzweiligen Auf-/ Abgänge der Dramatis personae.
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Michael Kupfer-Radecky (als Achill) und Sayaka Shigeshima (als Penthesilea) in Othmar Schoecks Oper Penthesilea - am DNT Weimar | Foto (C) Sandra Then
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Ensembleszene aus Viktor Ullmanns Oper Der zerbrochene Krug - am DNT Weimar | Foto (C) Sandra Then
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Der Mezzo-Alt von Sayaka Shigeshima grollt umbarmherzig, doch was seine dramatischen Steigerungen und stimmlichen Exaltationen - immerhin: sie singt Penthesilea - anbelangt, überzeugt er nicht annähernd so stark wie die mit ihm gesegnete Akteurin. Ihr männlicher Konterpart hingegen (Michael Kupfer-Radecky als Achill) scheint sie, obwohl er schlussendlich von ihr zerstückelt und gefressen wird, eine ziemlich lange Zeitlang gesanglich dominiert zu haben. Heike Porstein, Anna Schoeck und Sarah Mehnert (als die drei Begleitamazonen der liebestollen Kannibalin) fallen hin und wieder durch exzessiv hoch und spitz artikulierte "Redebeiträge" auf.
Daniel Carter, der Dirigent, müht sich mit der brillant musizierenden Staatskapelle Weimar die orchestralen Fäden in der Hand zu behalten - bei Schoecks überbordender Partitur ist das wohl mehr als angebracht; beim Ullmann ist die Freude umso größer, dass der große Krach und Spuk (nach Absolvieren einer etwas ausgedehnten Pause zwischen den zwei Kurzopern) einer fast kammermusikalischen Gediegenheit gewichen ist und fühlbar Ruhigeres als vorher im Orchestergraben Einzug hält.
Uwe Schenker-Primus singt und spielt den durch den Regisseur und den Dramaturgen (Sören Sarbeck) zum "Intendanten/ Chefregisseur" umgemodelten Richter Adam; der war gegenüber Eve, einem "Ensemblemitglied Musiktheater" (Anna Schoeck), sexuell übergriffig geworden, weswegen die ihm eine verpasste o.s.ä.
Besonders dieser zweite Teil der Doppelinszenierung kommt sowohl beim Publikum als auch den Darstellenden prima an.
Sehr herzlicher Premierenapplaus.
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Andre Sokolowski - 21. September 2025 ID 15472
PENTHESILEA/ DER ZERBROCHENE KRUG (Deutsches Nationaltheater Weimar, 20.09.2025)
Musikalische Leitung: Daniel Carter
Inszenierung: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüme: Andy Besuch
Dramaturgie: Sören Sarbeck
Chorleitung: Jens Petereit
Besetzungen:
Penthesilea
Musiktheater in einem Aufzug von Othmar Schoeck, Text vom Komponisten nach Heinrich von Kleist
Penthesilea ... Sayaka Shigeshima
Prothoe ... Heike Porstein
Meroe ... Anna Schoeck
Oberpriesterin ... Sarah Mehnert
Achill ... Michael Kupfer-Radecky
Diomedes/ Hauptmann ... Alexander Günther
Herold ... Andreas Koch
Opernchor des DNT
Staatskapelle Weimar
Der zerbrochene Krug
Oper in einem Akt von Viktor Ullmann, Text vom Komponisten nach Heinrich von Kleist
Walter ... Andreas Koch
Adam ... Uwe Schenker-Primus
Licht ... Jörn Eichler
Marthe Rull ... Sarah Mehnert
Eve ... Anna Schoeck
Veit Tümpel ... Ilya Silchuk
Ruprecht ... Alexander Günther
Brigitte ... Annie MacCallum
Ein Bedienter ... Oliver Luhn
Erste Magd ... Katrin Niemann
Zweite Magd ... Anne Weinkauf
Staatskapelle Weimar
Premiere war am 20. September 2025.
Weitere Termine: 05., 24.10./ 16., 28.11./ 19.12.2025// 09.01.2026
Weitere Infos siehe auch: https://www.dnt-weimar.de
https://www.andre-sokolowski.de
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