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Premierenkritik

Tränen

hinterm

Lenkrad



Alcina am Theater Freiburg | Foto (C) Laura Nickel

Bewertung:    



Die Epoche der Pappmachékulissen ist längst vergangen, aber immer noch scheint es Zuschauer und Kritik zu beeindrucken, wenn überdimensionale Objekte mit hohem (vorgetäuschten) Gewicht eine Theaterbühne füllen: Häuserblocks, Hubschrauber oder Autos, immer wieder Autos. So auch bei der aktuellen Freiburger Alcina. Da jedes Kind weiß, dass es zu Händels Zeiten keine Autos gab, darf man so tun, als würde einen der Anachronismus noch überraschen. Dabei ist er inzwischen konventioneller als die lebenden Elefanten bei der Aida in der Arena von Verona.

Ehe freilich die Autos die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, befinden wir uns zwei Akte lang in einer Art grau in grauer Badeanstalt mit einem Ding, das ein Bruchstück eines Autos sein könnte oder auch eine Riesenliege oder eine Gangway. Hinzu kommen zu wilden Tieren verwandelte Gefangene der Zauberin. Das Halbdunkel des gesamten ersten Akts macht die Akteure gesichtslos. Keine Spur von der „schönen Gegend“, die im Libretto erwähnt wird.

Dieses Bühnenbild ist nicht abendfüllend. Eine Projektion verwandelt den Hintergrund in einen öden Highway durch die kalifornische Wüste. Was macht Alcina in Amerika? Wer dumm fragt, bekommt dumme Antworten.

Zum Glück besteht Oper jedoch aus Musik. Die Freiburger Alcina kann als Wettbewerb der Frauenstimmen reüssieren. Maeve Höglund in der Titelrolle, Cassandra Wright als ihre Schwester Morgana, Yewon Kim in der Hosenrolle der Bradamante und Sara De Franco in einer weiteren Hosenrolle des Oberto gewähren ein musikalisches Fest der Superlative. Dem Mezzosopran Lila Chrisp als Ruggiero, zu Händels Lebzeiten ein Kastrat, mangelt es zunächst an Kraft und damit an Ausdruck, ehe sich die Sängerin frei singt und dann allerdings würdig neben ihren Kolleginnen steht. Das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Leitung von Friederike Scheunchen erfreut mit beispielhafter Präzision, differenzierter Dynamik und Askese bei den Legati.

Die Farbe Rot inmitten von Schwarz und laszive Gesten signalisieren Morganas Lebenslust im Gegensatz zu Alcinas Kalkül und Bösartigkeit. Wenn sie reumütig zu Oronte zurückkehrt, trägt sie weiß und ein züchtiges Kopftuch und bittet, an die Kühlerhaube des einen Autos gelehnt, um Erbarmen. Dann setzt sie sich ans Lenkrad und weint oder tut jedenfalls so als ob. So sind sie halt, die Frauen mit den schönen Stimmen.

Eifersucht ist in dem sehr schematischen Libretto nach Ariosts Orlando Furioso eine existentielle Haltung, ohne Vorspiel, ohne Motiv – Psycholgie ist der Handlung fremd –, ein Anlass vor allem für Arien. Wo sich eine moderne Interpretation diesseits von Zauberei und Märchen anbietet, verzichtet die Regie von Pia Partum darauf. Das häufigste Wort lautet „crudele“: „grausam“. Jeder(r) beschuldigt die anderen der Grausamkeit. Am Ende werden die verzauberten Menschen rückverwadelt. Das sieht man in Freiburg leider nicht. Wir müssen’s nur glauben.




Alcina am Theater Freiburg | Foto (C) Laura Nickel

Thomas Rothschild – 20. Juni 2025
ID 15317
ALCINA (Theater Freiburg, 18.06.2025)
Musikalische Leitung: Friederike Scheunchen
Künstlerisches Konzept: Katarzyna Borkowska und Pia Partum
Regie: Pia Partum
Bühne: Katarzyna Borkowska
Video-Design: Wojciech Pus
Co-Bühnenbild: Bartholomäus Martin Kleppek
Kostüme: Katarzyna Lewinska
Licht: Michael Philipp
Ton: Julien Guiffes
Video: Laurin Lampe
Dramaturgie: Tatjana Beyer
Mit: Maeve Höglund (Alcina), Cassandra Wright (Morgana), Sara De Franco (Oberto), Lila Chrisp (Ruggiero), Yewon Kim (Bradamante), Lulama Taifasi (Oronte) und Yunus Schahinger (Melisso)
Philharmonisches Orchester Freiburg
Premiere war am 18. Juni 2025.
Weitere Termine: 05., 13., 18.07.2025


Weitere Infos siehe auch: https://theater.freiburg.de


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