Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Konzertkritik

Cornelius

Meister

dirigiert

Mahlers

Zweite



Cornelius Meister | Foto (C) Marco Borggreve

Bewertung:    



Es gibt Kunstwerke, die allein durch ihre Dimension den Rahmen des Üblichen sprengen. Die 2. Symphonie c-Moll, die sogenannte Auferstehungssinfonie von Gustav Mahler zählt dazu. Ihr haben das Staatsorchester Stuttgart und ihr Leiter Cornelius Meister, verstärkt vom mehrfach zum Chor des Jahres gekürten Staatsopernchor Stuttgart und von den Sängerinnen Christiane Karg und Stine Marie Fischer das 5. Sinfoniekonzert dieser Saison gewidmet.

Bereits der erste der fünf Sätze gibt Rätsel auf, die sich ohne einen Blick in die Partitur, aufgenommen lediglich mit den Ohren, kaum entziffern lassen. Auch danach findet sich der Hörer in den durcheinander purzelnden Proportionen nur schwer zurecht. Cornelius Meister scheint sich dessen bewusst zu sein, wenn er nach dem ersten Satz das Orchester nach dem Wunsch des Komponisten zu einer Pause von sage und schreibe sieben Minuten anhält. Unbeweglich wendet er dem Publikum den Rücken zu, das wohl in der Regel nicht weiß, wie lange diese Stille dauern wird, und zugleich die Erfahrung macht, wie wohltuend die Absenz von Geräusch, Musik inbegriffen, nach einem rauschhaften Schluss wie dem des ersten Satzes sein kann. Sie macht Platz für das danach einsetzende traditionalistische Menuett des auch durch seine extreme Kürze mit dem Einleitungssatz kontrastierenden zweiten Satzes.

Cornelius Meister hebt die heterogenen Teile pointiert von einander ab, glättet die Kontraste nicht, sondern verschärft sie vielmehr. Es fällt schwer, beim Einsatz von Chor und Solistinnen sowie von Sprache im letzten Satz – Klopstocks Gedicht Auferstehung, das der Symphonie ihren Namen gab, nach einem Text aus Des Knaben Wunderhorn im vorausgehenden Satz – nicht an Beethovens Neunte zu denken, obwohl Mahler diesen Vergleich abgelehnt hat.

Zwar liegt Mahlers 2. Symphonie ein religiöser Gedanke zugrunde, den Cornelius Meister jedoch nicht forciert. Sein Ansatz lässt sich mit größerer Berechtigung dramatisch als spirituell nennen. „Todtenfeier“ und „Auferstehung“ bleiben Stichwörter, die nicht aufdringlich als Botschaft daherkommen. Was in der Liederhalle zu erleben war, ist Musik im strengen Sinne, nicht ein Gottesdienst. Das Publikum applaudierte lange und ließ sich Zeit, ehe es zu den Garderoben floh.

Eine historische Kuriosität am Rande: Auf die Idee, die Symphonie in Klopstocks Auferstehung gipfeln zu lassen, kam Gustav Mahler bei der Trauerfeier für den verstorbenen Hans von Bülow, der noch drei Jahre zuvor sein Entsetzen über den späteren ersten Satz bekundet hatte. Hans von Bülow gehörte zu den Erstunterzeichnern der sogenannten Antisemitenpetition von 1880, in der Bismarck aufgefordert wird, sich dafür einzusetzen


„1. dass die Einwanderung ausländischer Juden, wenn nicht gänzlich verhindert, so doch wenigstens eingeschränkt werde;

2. dass die Juden von allen obrigkeitlichen (autoritativen) Stellungen ausgeschlossen werden und dass ihre Verwendung im Justizdienste – namentlich als Einzelrichter – eine angemessene Beschränkung erfahre;

3. dass der christliche Charakter der Volksschule, auch wenn dieselbe von jüdischen Schülern besucht wird, streng gewahrt bleibe und in derselben nur christliche Lehrer zugelassen werden, daß in allen übrigen Schulen aber jüdische Lehrer nur in besonders motivierten Ausnahmefällen Anstellung erlangen;

4. dass die Wiederaufnahme der amtlichen Statistik über die jüdische Bevölkerung angeordnet werde.“



Den später zum Katholizismus konvertierten Juden Gustav Mahler, der sich seiner Diskriminierung durchaus bewusst war, hat das offenbar ebenso wenig irritiert wie Daniel Barenboim, Leonard Bernstein, Michael Gielen und Sir Georg Solti, die sich 1978 für die Restaurierung von Hans von Bülows Grab eingesetzt haben.




Thomas Rothschild - 15. März 2022
ID 13519
STAATSORCHESTER STUTTGART (Liederhalle, 13.03.2022)
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 2 c-Moll, Auferstehungssinfonie
Christiane Karg, Sopran
Stine Marie Fischer, Alt
Staatsopernchor Stuttgart
(Choreinstudierung: Manuel Pujol)
Staatsorchester Stuttgart
Dirigent: Cornelius Meister


https://www.staatsoper-stuttgart.de/haus/ensemble/staatsorchester-stuttgart/


Post an Dr. Thomas Rothschild

Konzerte

Neue Musik

Musiktheater

ROTHSCHILDS KOLUMNEN



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:







MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BAYREUTHER FESTSPIELE

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE MIT MUSIK

LIVE-STREAMS |
ONLINE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)