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Konzertkritik

Der singende

Schlagzeuger

SPEAKING DRUMS von Peter Eötvös mit den Stuttgarter Philharmonikern


Bewertung:    



Wer häufiger als nur gelegentlich ins Konzert geht, ist dankbar, wenn sich Veranstalter und Ausführende auch einmal auf „Abwege“ begeben und nicht zum xten Mal das abgenudelte, freilich auch mit Erfolgsgarantie versehene Repertoire abspielen. Es gibt kein vernünftiges Argument, weshalb man die Beethoven- oder die Brahms-Symphonien öfter konsumieren sollte als, sagen wir, Hamlet oder Kabale und Liebe. Zumal es hinreichend musikalische Werke gibt, die es (wieder) zu entdecken lohnt. Man muss sich nur die Mühe machen.

Die Kulturgemeinschaft, Stuttgarts verdienstvolle Besucherorganisation, und die Stuttgarter Philharmoniker, mit denen sie eine enge Zusammenarbeit verbindet, haben sich unter der Leitung von Frank Dupree dreier zwar nicht unbekannter, aber im Konzertbetrieb unterrepräsentierter Komponisten entsonnen und ihrer Kompositionen, deren älteste unmittelbar vor der vorletzten Jahrhundertwende entstanden ist. Es sind dies Béla Bartók und seine Tanz-Suite von 1923 (bearbeitet für Kammerorchester von Joolz Gale), Péter Eötvös und seine 90 Jahre später entstandenen Speaking Drums - Vier Gedichte für Percussion-Solo und Orchester sowie Edward Elgar und seine Enigma Variations op. 36. Das Schlagzeug liefert den Vorwand für eine Verbindung, die einem bei den genannten Komponisten nicht unbedingt gleich einfällt: zum Jazz. Der 30. April wurde 2011 von der UNESCO zum Internationalen Tag oder Welttag des Jazz ausgerufen, also feiert man zwischen Ostern und Pfingsten, was man den Rest des Jahres links liegen lässt. Nun haben diverse Komponisten von Gershwin bis Antheil, von Copland bis Strawinsky, von Darius Milhaud bis Gunther Schuller seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts Anregungen und Elemente des Jazz aufgenommen. Die Stücke von Bartók, Eötvös und Elgar gehören entschieden nicht dazu. Aber ein weiterer Zusammenhang wird durch den Titel des Konzerts suggeriert: „Versteckte Botschaften“. Das Stichwort „Enigma“ mag derlei rechtfertigen. Allerdings ist dieses Motto so allgemein, dass es auf unzählige Kompositionen nicht weniger zutrifft als auf jene von Bartók oder Eötvös.

Die vierzehn Enigma Variationen, die dem Anspruch nach Personen aus Elgars Umkreis porträtieren, schwelgen in süffiger Melodienseligkeit. Bei Eötvös hingegen, bedingt durch die dominierende Rolle des Schlagzeugs, steht das andere konstituierende Element von Musik, der Rhythmus im Vordergrund. Bei Bartók schließlich kommen beide Komponenten gleichermaßen zur Geltung, Melodie und Rhythmus, unüberhörbar inspiriert von der ungarischen Folklore, der Bartók so viel zu verdanken hat.

*

Das einzige Werk eines noch lebenden Komponisten, Peter Eötvös' Speaking Drums, ist entgegen den Vorurteilen über zeitgenössische Musik keineswegs schwer zugänglich. Der Schlagzeuger Kai Strobel beginnt mit „bedeutungslosen“ Silben, mit „transmentaler Sprache“, wie man sie aus dem Russischen Futurismus und dem Dadaismus kennt. Die menschliche Stimme wird also perkussiv eingesetzt. Dann nimmt Strobel mit seinen Instrumenten die „gesangliche“ Vorgabe auf, das Orchester tritt in einen Dialog ein. Hier kann man, wenn man denn will, auf vergleichbare Tendenzen im Jazz verweisen, auf Max Roach mit Abbey Lincoln oder auf Lauren Newton in diversen Konstellationen. Zu Jazz machen solche Verwandtschaften die Speaking Drums jedoch noch lange nicht.

Und wann wird man die Drums wieder in einem Konzertsaal sprechen hören? Die Komposition ist zu reizvoll, als dass man sie wieder in die Vergessenheit entlassen dürfte.
Thomas Rothschild – 1.Mai 2023
ID 14171
STUTTGARTER PHILHARMONIKER (Liederhalle, 30.04.2023)
Béla Bartók: Tanz-Suite
Peter Eötvös: Speaking Drums - Vier Gedichte für Percussion-Solo und Orchester
Edward Elgar: Enigma Variations op. 36
Kai Strobel, Schlagzeug
Stuttgarter Philharmoniker
Dirigent: Frank Dupree


Weitere Infos siehe auch: https://www.stuttgarter-philharmoniker.de/


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