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Konzertkritik

Die Rückkehr einer Legende

COLOSSEUM - The Return Of A Legend Tour 2023

Bewertung:    



Das Stuttgarter Theaterhaus ist ein Erbe der Jugendclubbewegung, die im Gefolge der 68er-Revolte überall in der Bundesrepublik für neuen Wind sorgte und pflegte, was man nach Theodore Roszak „Gegenkultur“ nannte. Sein Ideenproduzent und Leiter, selbst aus der immer noch alive and kicking existierenden Schorndorfer „Manufaktur“ hervorgegangen, war Werner Schretzmeier, der, mittlerweile 79 Jahre alt, keine Absicht zeigt, sich in den sogenannten Ruhestand zurückzuziehen. Zu seinen besonderen Leidenschaften, auch als Fernsehmacher, gehörte jene Musikrichtung, die in den siebziger Jahren unter dem Namen Jazzrock Erfolge feierte, darunter auch die englische Band COLOSSEUM. Vom Jazz lieh sich COLOSSEUM die Freiheit der Improvisation zwischen einprägsamen Themen und Riffs und komplexere harmonische Strukturen, als sie bei Rockbands – mit Ausnahmen wie etwa Soft Machine, Henry Cow, Gentle Giant oder auch Genesis – üblich waren. Zudem galt das Saxophon gegenüber Gitarre und Keyboards im Rock nicht als satisfaktionsfähig. Dem Rock schuldete COLOSSEUM den Beat, die Dominanz des Schlagzeugs sowie die Auskostung von Lautstärke und rhythmischem Akzent. Im Lauf der Zeit hat sich COLOSSEUM aufgelöst, nur um in alter Pracht wieder aufzuerstehen. Werner Schretzmeier hielt der Band die Treue und lud sie alle paar Jahre in sein Theaterhaus ein.




COLOSSEUM - The Return Of A Legend Tour 2023: Chris Farlowe (lead vocals), Clem Clempson (guitars & vocals), Mark Clarke (bass & vocals), Malcolm Mortimore (drums), Nick Steed (keyboards) und Kim Nishikawara  (saxophones) | Bildquelle: theaterhaus.com


Jetzt machte COLOSSEUM, wie sollte es anders sein, auf The Return Of A Legend Tour 2023, die, man höre und staune, mehr als zwei Jahre dauert (Schlagzeilen macht in dem Alter nur Mick Jagger), wieder Station im Theaterhaus. Von den Bandmitgliedern der frühen Jahre sind nach wie vor Clem Clempson (g) und Mark Clarke (b) dabei, und auch der unverwechselbare Sänger Chris Farlowe, mittlerweile 82 Jahre alt, ist mit von der Partie. Der atemberaubende Drummer Jon Hiseman ist vor vier Jahren an einem Hirntumor gestorben, im vergangenen Jahr folgte ihm seine Frau, die an Parkinson erkrankte, aber nicht entmutigte Saxophonistin Barbara Thompson, nach. Dick Heckstall-Smith, der zu den Gründungsmitgliedern gehörte und dessen Saxophon den Sound der ursprünglichen Band prägte, ist bereits 2004 gestorben. Die Legende kehrt zurück, aber es lässt sich nicht verheimlichen: sie besteht aus verbliebenen Veteranen. Zu Clempson, Clarke und Farlowe haben sich inzwischen der Keyboarder Nick Steed, der Saxophonist Kim Nishikawara und der ehemalige Schlagzeuger von Gentle Giant Malcolm Mortimore gesellt.

Das Erstaunliche ist ja, dass die Musik von COLOSSEUM, obwohl jedenfalls zum Teil mehrere Jahrzehnte alt, also wenn man so will: museal, moderner klingt als die Fließbandproduktion der heutigen Musikindustrie, der mit Schablonen gestanzten und für den schnellen Massenabsatz gefertigten Billigware. Die Solisten von COLOSSEUM ziehen keine Show ab. Was sie zu sagen haben, sagen sie mit ihrer Musik. Die geht allerdings durch den Körper, durch den der Interpreten, aber auch durch den der Zuhörer. Chris Farlowe hat nicht mehr das charakteristische Vibrato in den Höhen, den unverwechselbaren kehligen Sound, aber immer noch eine kraftvolle Stimme und keinerlei Probleme mit der Intonation. Er ist gewiss eher ein Rock- als ein Jazzsänger, aber, wie er im Theaterhaus einmal mehr überzeugend bewies, auch ein hervorragender Interpret jener Musik, in der Jazz und Rock ihre gemeinsamen Wurzeln haben – des Blues. Wenn Farlowe als Zugabe Theme for an Imaginery Western (manchmal auch als Theme from an Imaginery Western zitiert) singt, dann erinnern er und die Band an einen weiteren großen Namen aus den heroischen Jahren des Rock, an Jack Bruce, den genialen Bassisten von, unter anderem, Cream, der diesen Song geschrieben hat.

Und natürlich, unvermeidlich, als Mittelstück, die Valentyne Suite von 1969, die übrigens in Europa in veränderter Form auf den Markt kam. Das aus drei Teilen bestehende siebzehnminütige Stück hatte seinerzeit Kultstatus wie vielleicht nur noch das ein Jahr davor erschienene und ebenso lange In-A-Gadda-Da-Vida von Iron Butterfly. Im Theaterhaus dauerte die Valentyne Suite 23 Minuten, keine Minute zu lang.

Clem Clempson lässt seine Gitarre im Dialog mit den Keyboards aufjaulen oder liefert sich in Lost Angeles mit dem E-Bass von Mark Clarke ein Duett – oder soll man sagen: ein Duell? Es sind Höhepunkte in einem fast zweistündigen Konzert, das, genauer betrachtet, nur aus Höhepunkten besteht. Das Publikum gehörte erkennbar der Generation der Musiker an. Ob die Jungen wissen, was sie sich da entgehen lassen?
Thomas Rothschild – 26. September 2023
ID 14401
Weitere Infos siehe auch: https://www.theaterhaus.com


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