Jahnn und
die Musik
|
Titelzeichnung: Johannes Grützke
|
Bewertung:
Mit einem literarisch-musikalischen Programm in der Hauptkirche St. Jacobi Hamburg wurde an das Leben und Wirken des in der Hansestadt gestorbenen Schriftstellers Hans Henny Jahnn (1894-1959) gedacht - der nähere Anlass war zum einen das 75-jährige Bestehen der Freien Akademie der Künste in Hamburg (dessen Mitgründer und Spiritus Rektor er war), zum anderen das 100-jährige Jubiläum der sog. Orgeltagung Hamburg-Lübeck (an Jahnns "Nebenberuf" eines Orgelbauers und -restaurators wurde diesbezüglich erinnert):
"Jahnns große Liebe galt der alten Orgelmusik aus der Zeit Arp Schnitgers (1648-1719), für deren Veröffentlichung er einen eigenen Verlag gründete. Durch seine Initiative kam es 1925 zur ersten Orgel-Tagung in Hamburg und Lübeck mit der Schnitger-Orgel in St. Jacobi im Mittelpunkt des Interesses. Diese Tagung vor 100 Jahren war der Ausgangspunkt für ein erwachendes Interesse am historischen Orgelklang, zugleich für den daraus hervorgegangenen Verein Orgelstadt Hamburg.
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil nach Hamburg (1950) war eine der ersten Aktivitäten Hans Henny Jahnns die Gründung einer Akademie, in der ohne die von Jahnn befürchtete Gefahr staatlicher Kontrolle und Einflussnahme Künstler aller Kunstsparten sich treffen, austauschen und zusammenarbeiten sollten. Damit legte er den Grundstein für eine seit 75 Jahren erfolgreiche Einrichtung, die auf Grund ihrer Unabhängigkeit aber stets auf die freiwillige Förderung von außen angewiesen ist."
(Quelle: akademie-der-kuenste.de)
|
Blick auf den Prospekt der Arp-Schnitger-Orgel in der Hauptkirche St. Jacobi Hamburg Foto: Edward John Semon
|
Die damalige Rettung der historischen Barockorgel von Arp Schnitgers geht auf Jahnns Verdienst zurück:
"Ein schwerwiegender Eingriff in die klangliche Substanz des Instruments erfolgte 1917, als die Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg für Kriegszwecke an die Heeresverwaltung abgegeben werden mussten. Hans Henny Jahnn entdeckte 1919 bei einem Spaziergang zusammen mit seinem Freund Gottlieb Friedrich Harms die 'trostlos abgetakelte' Orgel. Als Harms auf ihr spielte, entdeckte Jahnn den Wert dieses Instruments. Nachdem die beiden erfuhren, dass es abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden sollte, schrieben sie sofort einen Brief an den Kirchenrat und informierten den Hamburger Senat. Jahnn setzte sich für die Instandsetzung und den Ersatz der fehlenden Prospektpfeifen ein und erhielt schließlich die Bewilligung zur Restaurierung. Mit der Durchführung der 1922 beginnenden Benefizkonzerte (Ugrino-Konzerte), für welche die Kirche kostenlos zur Verfügung stand, konnten wesentliche Finanzmittel dafür aufgebracht werden. Jahnn gewann den damaligen Thomasorganisten Günther Ramin, der zum ersten Mal wieder Kompositionen von Hamburger Organisten des 17. Jahrhunderts neben Werken von Buxtehude und Bach zu Gehör brachte, für die Konzerte. Bei der von Jahnn initiierten Orgeltagung in Hamburg und Lübeck im Juli 1925 rückte die Schnitger-Orgel in St. Jacobi in den Mittelpunkt des Interesses der damaligen Orgelszene in Nordeuropa. Sie wurde als vorbildliches Instrument für die barocke und vorbarocke Orgelmusik wahrgenommen." (Quelle: Wikipedia)
|
Günther Ramin, Erwin Zwillinger und Hans Henny Jahnn, 1925 Bildquelle: Gemeindearchiv St. Jacobi
|
*
Planetenklänge hieß die Veranstaltung:
Altregisseur Niels-Peter Rudolph (1980 bis 1985 war er Intendant des Deutschen Schauspielhauses Hamburg; außerdem baute er die auf experimentelles Sprech-, Musik- und Tanztheater spezialisierte Kampnagel-Fabrik auf) steuerte drei Lese-Blöcke bei, zunächst aus Walter Muschgs Gesprächen mit Hans Henny Jahnn, und danach zwei Ausschnitte aus Jahnns zweitem Teil seines Opus Magnum Fluss ohne Ufer (betitelt mit Die Niederschrift des Gustav Anias Horn nachdem er neunundvierzig Jahre alt geworden war). Aus allen drei Text-Beispielen ließ sich Jahnns beispiellose Musikkenntnis und -kennerschaft heraushören.
Eine Organistin (Kerstin Petersen) und drei Organisten (Gerhard Löffler, Claus Bantzer und Zsigmond Szathmáry) waren für die musikalische Aus- und Erfüllung des Kirchenraumes aufgeboten worden; die beiden letztgenannten sind auch Komponisten und steuerten jeweils eins ihrer Werke hierzu bei, Bantzer mit seinen Klangspuren und der mittlerweile 86-jährige Szathmáry mit seiner an diesem Abend uraufgeführten Musik für Hans Henny Jahnn. Löffler seinerseits (er ist seit 2016 Kantor und Organist an St. Jacobi) spielte neben dem das Konzert abschließenden Praeludium in D von Dieterich Buxtehude (1637-1707) drei weitere Barock- bzw. Frühbarockstücke von Franz Tunder (1614-1667), Arnolt Schlick (ca. 1460-1521) und Samuel Scheidt (1587-1654); von den zwei mittig Genannten hatte ich bis dato noch nie etwas gehört. Organistin Petersen wartete überdies mit Manfred Stahnkes Portrait Hans Henny Jahnn auf.
Der Barock-Teil wurde auf der historischen Schnitger-Orgel, und die zeitgenössischen Stücke auf der links neben ihr befindlichen Kemper-Orgel (erbaut 1960/68) absolviert.
Beschauliches, besinnliches Erleben.
|
Andre Sokolowski - 17. Juni 2025 ID 15310
PLANETENKLÄNGE (Hauptkirche St. Jacobi Hamburg, 12.05.2025)
Ein literarisch-musikalischer Abend zu Ehren Hans Henny Jahnns - mit Lesungen aus seinem literarischen Werk und Orgelmusik aus dem Ugrino-Verlag sowie von ihm inspirierten zeitgenössischen Kompositionen
Franz Tunder: "Komm, Heiliger Geist, Herre Gott", Choralfantasie
Manfred Stahnke: Portrait Hans Henny Jahnn
Arnolt Schlick: "Maria zart von edler Art", Orgelchoral aus Tabulaturen etlicher lobgesang vnd lidlein vff die orgeln vn lauten, Mainz 1512
Zsigmond Szathmáry: Musik für Hans Henny Jahnn (UA)
Samuel Scheidt: "Warum betrübst du dich, mein Herz" aus Tabulatura nova. Pars prima
Claus Bantzer: Klangspuren
Dieterich Buxtehude: Praeludium in D BuxWV 139
Niels-Peter Rudolph (Sprecher)
Kerstin Petersen, Zsigmond Szathmáry, Claus Bantzer und Gerhard Löffler (Orgel)
Weitere Infos siehe auch: https://jacobus.de/
https://www.andre-sokolowski.de
Konzerte
Musiktheater
Neue Musik
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
AIX-EN-PROVENCE
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
BAYREUTHER FESTSPIELE
CD / DVD
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|