SCHOSTAKOWITSCH-FESTIVAL 2025
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Lady Macbeth
von Mzensk
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Bewertung:
Es war das erste Mal, dass der Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons - seit seinem Amtsantritt 2015 - im Orchestergraben der Oper Leipzig, wo traditionell das Gewandhausorchester spielt, stand. Sein Vorgänger Riccardo Chailly handhabte das noch ganz anders; am Anfang seiner elfjährigen Ära war er gar in Personalunion drei Jahre lang als GMD der Oper und Gewandhauskapellmeister tätig, was nicht nur ihn sondern auch das in 2008 neu berufene Leitungsteam der Oper zuständigkeitshalber überfordern tat, worauf es diesbezüglich zum Bruch zwischen beiden kam und Chailly sich dann "nur noch" notgedrungen auf sein Gewandhauskapellmeisterdasein beschränkte.
Der spektakulärer Ausnahme-Anlass dieses Debüts von Nelsons an der Oper Leipzig dürfte das morgen (1. Juni) zu Ende gehenden SCHOSTAKOWITSCH-FESTIVAL gewesen sein, bei dem halt auch - neben sämtlichen Sinfonien, einigen Instrumentalkonzerten und reichlich Kammermusik - Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk zweimal zur Aufführung kam. Die vorjährige Inszenierung stammt vom Spanier Francisco Negrin, und Nelsons Exfrau Kristīne Opolais war als Katerina Ismailowa besetzt.
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Andris Nelsons dirigierte anlässlich des SCHOSTAKOWITSCH-FESTIVALS 2025 erstmals an der Oper Leipzig - und zwar Lady Macbeth von Mzensk Foto (C) Kirsten Nijhof
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"Wie weit darf ein Mensch gehen, um sich aus schrecklichen Verhältnissen zu befreien? Die junge Katerina, reich verheiratet und dennoch einsam, eingesperrt in einer erbarmungslos kalten Welt, die von Männern dominiert und von einem Polizeiapparat kontrolliert wird, sehnt sich nach mehr. Ihre Lebenslust muss sie wegen ihres tyrannischen Schwiegervaters verstecken und ihr Liebesverlangen unterdrücken, denn ihr Ehemann ist impotent und distanziert. Als dieser verreist und der Draufgänger Sergej auf dem Hof zu arbeiten beginnt, scheint sie einen Ausweg aus dieser farblosen Ereignislosigkeit gefunden zu haben. Doch am Ende sind vier Menschen tot, darunter eine Mörderin. Die 1934 in Leningrad uraufgeführte und umjubelte Oper sollte die hoffnungsvolle Karriere des damals 24-jährigen Dmitri Schostakowitsch weiter befeuern. Doch ein Vorstellungsbesuch Stalins reichte, um im gefeierten Star einen potentiellen Feind des Regimes zu vermuten. Schostakowitsch musste fortan in beklemmender Angst leben und komponieren. Doch wo Worte verboten sind, brodelt, zischt und lauert seine musikalische Welt, um bei der nächsten Berührung zu explodieren." (Quelle: gewandhaus.de)
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Es war ein Wonnebad im Strudel aufgeheiztesten Musiktheaters!
Nelsons schien total in seinem Element zu sein, sein mittlerweile unumstritten referenztaugliches Schostakowitschkenner- als wie -könnertum manifestierte sich in größtmöglichem Ausgewalztsein eines durch den Komponisten teilweise durchaus gewollten explosionsartigen Tuttiklanges nebst präzisesten Sortier- und Minimalisierungsgesten, welche die Musikerinnen und Musiker des Gewandhausorchesters nicht nur aus dem wagnertief nach unten gefahrenen Orchestergraben, sondern auch von den im Saal rechts/ links hervorgewölbten sog. Intendanten- als wie Stadtlogen (von dorther freilich ohrenbetäubender denn je) verlauten ließen; und das war schon imposant und einschüchternd.
Kristīne Opolais war, wie schon angedeutet, in der Titelrolle besetzt; sie sang sie auch in der neuesten CD-Gesamteinspielung mit dem Boston Symphony Orchestra - ich erlebte sie zuletzt vor acht Jahren als (konzertante) Tosca mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. Ihre Stimme ist inzwischen noch um eine Tick charakteristischer, teils härter und gar brüchiger geworden, und all diese Zwischentöne bekommen und bekamen ihrer dargestellten Doppel- um nicht gar zu sagen Dreifachmörderin (wenn man ihre bewusst unterlassene Hilfeleistung während des Ersaufens der von Anke Krabbe gespielten und gesungenen sibirischen Lagerhure Aksinja mit einpreist) auf das Vorzeig- und auch Vorhörbarste gut.
Pavel Černoch (als Sergej) machte eine bella figura, und sein verführerischer als wie eiskalt sich in schwindelerregende Höhen ermannender Tenor ließ ungemein aufhorchen.
Auch nicht von schlechten Eltern: Dmitry Belosselskiy in der Rolle von Katerinas verhasstem Schwiegervater sowie Matthias Stier in der Rolle von Katerinas ungeliebtem Gatten, die die Mzensker Lady killend aus dem Wege räumt, den Letztgenannten mit freundlichster Unterstützung ihres sie später auch nicht mehr so wie vorher begehrenden Heißblüters Sergej.
Fulminant auch Chor & Zusatzchor der Oper Leipzig: ein gesangliches Bollwerk ersten Ranges - auch bereitete es den Damen und Herren sichtliches Vergnügen, in der nicht minder fulminanten Negrin-Inszenierung, die sich spielerisch, fast karikaturistisch geben wollte, als absurde Masse zu agieren; die verwandlungsreiche Einheitsbühne mit viel Hoch- und Runterschwebungen sowie Versenkungen und Hebungen entwarf Rifail Ajdarpasic, das Kostümdesign stammte von Ariane Isabell Unfried.
Als nach über drei Stunden der Vorhang fiel, riss es das Publikum von seinen Sitzen und der Beifall nahm und nahm kein Ende.
Das Beste, was ich wohl seit Jahren und Jahrzehnten in der Oper Leipzig sah und hörte.
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Pavel Černoch (als Sergej) und Kristīne Opolais (als Katerina Ismailowa) in Lady Macbeth von Mzensk - an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof
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Andre Sokolowski – 31. Mai 2025 ID 15286
LADY MACBETH VON MZENSK (Oper Leipzig, 29.05.2025)
Musikalische Leitung: Andris Nelsons
Inszenierung: Francisco Negrin
Movement Director: Fin Walker
Bühne: Rifail Ajdarpasic
Kostüme: Ariane Isabell Unfried
Licht: Michael Röger
Videodesign: Marc Molinos
Dramaturgie: Marlene Hahn und Kara McKechnie
Besetzung:
Boris Timofejewitsch Ismailow ... Dmitry Belosselskiy
Sinowij Borissowitsch Ismailow ... Matthias Stier
Katerina Ismailowa ... Kristīne Opolais
Sergej ... Pavel Černoch
Aksinja ... Anke Krabbe
Der Schäbige ... Dan Karlström
Verwalter/ Wächter ... Timothy Edlin
Hausknecht ... Christian Moellenhoff
1. Vorarbeiter/ Kutscher ... Daniel Arnaldos
2. Vorarbeiter/ Lehrer ... Sven Hjörleifsson
3. Vorarbeiter ... Einar Dagur Jónsson
Bote (Mühlenarbeiter) ... Marian Müller
Pope ... Ivo Stanchev
Polizeichef ... Franz Xaver Schlecht
Polizist ... Vincent Turregano
Betrunkener Gast ... Jin Young Jang/ Ki Jun Jung
Sergeant ... Kwangmin Seo/ Frank Wernstedt
Sonjetka ... Nora Steuerwald
Alter Zwangsarbeiter ... Peter Dolinšek
Zwangsarbeiterin ... Kamila Dziadko
Geist des Boris Timofejewitsch ... Dmitry Belosselskiy
Chor und Zusatzchor der Oper Leipzig
Gewandhausorchester
Premiere war am 25. Mai 2024.
Bestandteil des SCHOSTAKOWITSCH-FESTIVALS 2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.oper-leipzig.de
https://www.andre-sokolowski.de
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