Rundfunk-
Sinfonie-
orchester
Berlin
Vladimir Jurowski
Pierre-Laurent Aimard (Klavier)
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Bewertung:
Winrich Hopp (seit 2006 der künstlerische Leiter vom MUSIKFEST BERLIN) ließ es sich zur Festivaleröffnung nicht nehmen, explizit auf das Konzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, und zwar fast ausschließlich wegen des in ihm geplanten Lachenmann-Stücks, welches angeblich (sinngemäß:) alle erdenklichen Rahmen sprengen würde, hinzuweisen - besagtes Konzert hatte ich zu dieser Stunde noch nicht auf meinem Schirm, aber die außerordentliche Werbung hierfür schien mir derart gewichtig und überzeugend zu sein, dass ich es sofort nachorderte; zum Glück! Es gestaltete sich nämlich zu einem spektakulären und unvergesslichen Erlebnis.
Der Komponist Helmut Lachenmann wurde und wird während des laufenden Festivals anlässlich seines bevorstehenden 90. Geburtstages besonders geehrt, allein fünf Werke von ihm standen und stehen auf dem Programm - Vladimir Jurowski (seit 2017 Chefdirigent beim RSB) und der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard entschieden sich für den Ausklang, Lachenmanns zirka 50-minütige Musik für Klavier und Orchester. (Das Wwrk stand übrigens 2011 schon mal auf dem MF-Programm, da führten es die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott auf.)
"Eigentlich bin ich ja berüchtigt wegen meiner Geräuschtechniken, ja? Aber warum soll man sich immer festlegen lassen? [...] Der Begriff Geräusch gefällt mir eigentlich überhaupt nicht, aber ein Rauschen gefällt mir schon viel besser. Ein Waldesrauschen ist doch eine wunderbare Erfahrung." wird Lachenmann zitiert.
Sein "Nicht-Klavierkonzert lädt ein zur maximalen Konzentration und zum lächelnden Loslassen gleichermaßen. Mit Hilfe von buchstäblich unzähligen, meist nur winzigen Gesten generiert der Komponist immer neue Inseln des Klingens, des Verklingens, des Nachlauschens, des Aufgehens von Musik im Rausch(en) des Universums."
(Quelle: rsb-online.de)
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Ausklang von Helmut Lachenmann mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Pierre-Laurent Aimard (Klavier) unter der Leitung von Vladimir Jurowski - beim MUSIKFEST BERLIN 2025 | Foto (C) Stefan Maria Rother
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Auf dem Orchesterpodium im großen Saal der Berliner Philharmonie [s. Foto oben] gibts keine freien Lücken mehr, allein die hintere Schlagbatterie lässt staunen, vor dem Dirigentenpodest steht der für den Solopart bestimmte Konzertflügel bereit; hinten links und mittendrin steht außerdem ein zweiter Konzertflügel, auf dem dann später, sozusagen "assistierend", Klänge aus dem großflächigen Tutti der Orchestermusikerinnen und -musiker beigesteuert werden.
Jurowski tritt auf mit einem Mikrofon und erklärt uns Publikum den konzeptionellen Zusammenhang der zwei aufzuführenden musikalischen Großbrocken; das scheint wichtig & richtig, oder hätten Sie vorher gewusst, dass Lachenmann eine besonders hingebungsvolle Liebe zu Schostakowitschs Werken in sich spürt, und zwar spätestens seit der anekdotischen Begebenheit, als Luigi Nono, mit dem Lachenmann bei irgendeinem Anlass zusammenkam, nichts, aber auch gar nichts Gutes in puncto Schostakowitsch zu vermelden glaubte, und das schien dem Lachenmann damals suspekt zu sein, weswegen er sich umgehend und umso intensiver mit dem Oevre Schostakowitschs auseinandersetzte und im Umkehrschluss zu einer völlig gegenteiligen Meinung gelangte - Geschichten, die das Leben schreibt!
Lachenmanns Ausklang kann eigentlich nicht nachbeschrieben werden; zu viele kompositionsinterne Details beinhaltet er, die insbesondere mir (dem wahrscheinlich größten aller hörerischen Laien, die der Erdball aufzuweisen hat) undechiffrierbar scheinen. Also begnüge ich mich mit dem, was mein müder Verstand und mein bewusstes Gefühl in Erinnerung behalten haben: das Ganze freilich, also den 50-minütigen Brocken an sich, der sich dann wiederum nicht ganz so mächtig mitteilte wie es seine instrumentale Aufstellung hätte befürchten lassen können.
"Der Titel Ausklang klingt relativ poetisch. [...] Aber ich habe ihn ganz technisch gemeint. Ein Klavier spielt eigentlich permanent nur Ausklänge. Das heißt, die Töne verschwinden immer wieder, sie verklingen. Und dieses Element kann man ja nach allen Richtungen neu beleuchten, entwickeln." (Helmut Lachenmann)
Vom "Hauchen und Fauchen" schreibt daher auch Steffen Georgi in seiner Programmheft-Erklärung zum Lachenmann-Stück. Und in vorzüglicher (auch optischer) Erinnerung bleibt mir, wie sich der Pianist Aimard an "seinen" einzelnen Tönen resp. "Ausklängen" unter allergrößtem Krafteinsatz abarbeitet, wie er mit, über oder unter ihnen schwitzt; und zählen muss er im Stillen, ohne Unterlass, damit das alles mit der Musikerinnen- und Musikerfront links neben ihm - von meiner Perspektive aus natürlich hinter ihm - nicht nur im Aus- sondern v.a. im Einklang steht.
Der Komponist war selbst zugegen und nahm dann für sein Stück den frenetischsten Beifall, den man sich nur denken konnte, entgegen.
Eine Sternstunde.
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Pierre-Laurent Aimard, Helmut Lachenmann und Vladimir Jurowski (v.l.n.r.) nach dem RSB-Konzert mit Lachenmanns Ausklang - beim MUSIKFEST BERLIN 2025 Foto (C) Stefan Maria Rother
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Auch Schostakowitschs 11. Sinfonie, mit dem das Orchester an dessen 50. Todestag erinnerte - das Hauptereignis zu diesem Jubiläum lieferten freilich Andris Nelsons und das Gewandhausorchester, die im Mai ein spektakuläres SCHOSTAKOWITSCH-FESTIVAL in Leipzig initiierten und ausrichteten - , stand nach der Pause auf dem Programm; und Jurowski schien da einen ziemlich undifferenzierten Zugang gehabt zu haben, weswegen Das Jahr 1905 insgesamt zu derb, zu prollig & profan zu mir herüberdröhnte. Dennoch erntete das RSB mit ihm genauso stürmischen Beifall wie nach Lachenmanns Ausklang vor mehr als anderthalb Stunden (Pause mitgerechnet).
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Andre Sokolowski - 12. September 2025 ID 15458
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 10.09.2025)
Helmut Lachenmann: Ausklang - Musik für Klavier und Orchester
Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 Das Jahr 1905
Pierre-Laurent Aimard, Klavier
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Dirigent: Vladimir Jurowski
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/musikfest-berlin
https://www.andre-sokolowski.de
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