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Filmkritik

Moslem werden

ist nicht

schwer…



Bewertung:    



Erinnern Sie sich noch an die französische Komödie Voll verschleiert vor ca. einem Jahr? Die österreichische Komödie Womit haben wir das verdient? bietet nun ein Déjà-vu – doch Allah sei Dank: sie ist besser! Die ersten beiden Absätze sowie die Schlussätze meiner damaligen Filmkritik könnte ich glatt wiederholen. Denn wie ihr französische Kollege verschreibt auch Regisseurin Eva Spreitzhofer einem vor Terror und Fanatismus genervten Publikum als Gegenmittel hochtourige Komik, Spott und Klamauk. Statt sich einschüchtern zu lassen, empfiehlt auch Spreitzhofer, die Konflikte zwischen den Religionen, zwischen linksliberalem Bürgertum und traditionsverhafteten Minderheiten einfach wegzulachen. Eine honorige Absicht, indes: Ganz so einfach ist es leider auch diesmal nicht, denn: „Ich glaube, es gibt doch nicht für alles eine Lösung.“

*

Es dauert eine ganz Weile (ca. 70 Filmminuten), bis besagter Stoßseufzer der verzweifelten Wanda (Caroline Peters) entfährt. Zuvor hat die Mitvierzigerin mit viel Optimismus und Engelsgeduld erfolglos versucht, den weltanschaulichen Riss, der sich zwischen ihrer Patchwork-Familie und ihrer leiblichen Tochter auftat, zu kitten. Für die überzeugte Atheistin und Feministin Wanda wird ein Alptraum wahr, als die pubertierende Nina (Chantal Zitzenbacher) per YouTube-Anleitung zum Islam konvertiert, sich Fatima nennt und mit westlichen Essens- und Alltagsgebräuchen brechen will. Die Adoptivtochter, der Bruder, der leibliche und der Stiefvater halten den dramatischen Schritt für Schwachsinn bzw. eine Teenager-Marotte. Doch Nina ist es ernst, seit sie ausgerechnet in ihrer Schule dazu ermuntert wurde, aus Solidarität gegenüber von Rechten bedrängten, muslimischen Mitschülerinnen Kopftuch zu tragen.

Mutter Wanda ist ratlos und verunsichert, zumal sich weder ihr früherer, opportunistische Ehemann (Simon Schwarz), noch der nurmehr Sprüche klopfende Lebensgefährte (Kabarettist Marcel Mohab) als große Hilfe erweisen. Je mehr sich ihre Patchwork-Familie gegen sie wendet, umso hartnäckiger besteht Nina/Fatima auf ihre Überzeugung. Bis sie selbst merkt, dass die religiösen Regeln und die Umma um sie herum ihre frei getroffene Entscheidung nicht unbedingt begünstigen.

Eva Spreitzhofers Drehbuch spielt gekonnt mit Klischees, was gut funktioniert, da sie dreidimensionale Charaktere mit Schwächen und Widersprüchen entworfen hat, die noch dazu von durchweg spielfreudigen Akteuren ausgestaltet werden. Caroline Peters spielt eine ähnliche Rolle wie in der mit deutlich über einer Million Kinozuschauern noch immer sehr erfolgreichen Komödie Der Vorname, in der sie ebenfalls sehr duldsam die Dummheiten ihrer Verwandtschaft wegzustecken versucht, bis sie ihre Wut und Enttäuschung in einer furiosen Verbalattacke ventiliert (in der von mir besuchten Vorstellung gab es dafür vom Kinopublikum Szenenapplaus). In Womit haben wir das verdient? bleibt ein solcher Ausbruch aus. Stattdessen versucht Muttertier Wanda bis zum Schluss, mit (aber)witzigen Aktionen wie einer als Tarnkappe gedachten Vollverschleierung, Schaden von ihrer Tochter abzuwenden.

Die Ebene der Burleske, bei der auch die härtesten Konflikte durch spielerische Komik aufgeweicht werden, wird nicht verlassen. Grimmiger Sarkasmus und psychologische Abgründe wie in der schon genannten Satire Der Vorname bleiben außen vor. Bei den Berliner Premieren betonte Eva Spreitzhofer mit Bezug auf den Monty Python-Klassiker Das Leben des Brian (dessen Finanzierung Ex-Beatle George Harrison ermöglichte), dass John Cleese in Interviews gesagt habe, eine solche Komödie sei angesichts der wiedererwachten religiösen Empfindlichkeiten heute nicht mehr möglich.

Mit ihrem Film stützt Spreitzhofer leider diese These, die auch ausdrücklich betonte, dass der Film zwar mit Verklemmtheiten aufräumen möchte, aber nicht die Absicht hat, religiöse Überzeugungen bloßzustellen. Genau dieser Mut von Monty Python & Co wäre aber wieder angebracht, um dem Fanatismus und Fundamentalismus eine wirkliche Alternative entgegenzusetzen, die nicht nur harmlose Zerstreuung bietet.



Womit haben wir das verdient? | (C) Neue Visionen Filmverleih

Max-Peter Heyne - 24. Januar 2019
ID 11166

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