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Britisches Kino

Dinosaurier

unter sich



Bewertung:    



Dass ist schon kein Zufall mehr, wenn in wenigen Monaten drei Kriminalfilme hintereinander in die Kinos kommen, in denen sehr betagte Männer spektakuläre Verbrechen begehen. Mit beinahe 90 Lenzen führt Western-Ikone Clint Eastwood als Drogenschmuggler in The Mule auch altermäßig den "old boys club" an, dem der nicht minder legendäre Robert Redford mit (noch) 82 Jahren vor einigen Wochen als Bankräuber in Ein Gauner und Gentlemen beitrat.

Mit Sir Michael Caine, der kürzlich 86 Jahre alt wurde, rückt ein englischer Filmveteran als wahrhaftiger Gentleman-Bankräuber dem erlauchten Kreis bei und bringt für Ein letzter Job gleich auch noch fünf weitere britische Kollegen mit, von denen keiner unterhalb der 60 und jeder für sich ein herausragender Repräsentant der englischen Nachkriegsfilmgeschichte ist: Sir Tom Courtenay (Die Einsamkeit des Langstreckenläufers, 1962; 45 Years, 2015), Jim Broadbent (Paddington 1/2, 2014/2017), Ray Winstone (Sexy Beast, 2000), Sir Michael Gambon (Direktor Albus Dumbledore seit Teil 3 der Harry Potter-Reihe), Paul Whitehouse (Ghost Story, 2017) – und als 35jähriger Grünschnabel bzw. jüngster Langfinger im Kriminellenkreis: Charlie Cox.

Dass sich etliche Drehbuchautoren und Regisseure derzeit gerne mit gerontologischen Gaunereien beschäftigen, hängt meiner Meinung damit zusammen, dass diese Geschichten einen schönen Kontrast zu all den Superhelden bzw. Heldinnen-Filmen darstellen, mit denen die Kinos seit nun schon Jahrzehnten geflutet werden. Die Helden dieser Filme sind gar nicht super, sondern gebrechlich und verletztlich und müssen sich in einer Welt bewähren, die inzwischen durch Digitalisierung und technologische Aufrüstungen von Polizei und Geheimdiensten jedem, der sich im kriminellen Milieu ein Mastermind nennt, mit Unmengen an Algorithmen zu Leibe rücken. Auch die Mitwirkung von Altstars ist ein reizvoller Bonus insbesondere für ein Publikum, das die Oldies noch als junge Draufgänger erlebt hat und mit Krimis aufgewachsen ist, in denen es mehr um Gesichtswahrung als Gesichtserkennung ging. Dies nutzt auch Ein letzter Job-Regisseur James March (Die Entdeckung der Unendlichkeit, 2014) offensiv, indem er die Leinwandimages seiner Hauptdarsteller teils bekräftigt (Caine, Courtenay, Winstone), teils konterkariert (Broadbent, Gambon).

Sie alle spielen eine Bande von Berufsverbrechern, die teils seit über 40 einige spektakuläre Raubüberfälle gemeinsam verübt hatten und schließlich als Rentner im Jahre 2015 immerhin für den größten Bankraub Englands verantwortlich zeichnet– was die Summe der Beute, nämlich 200 Millionen britische Pfund betrifft. Das Verrückte an der Geschichte ist nämlich, dass sie genau wie Clint Eastwoods Drama auf Tatsachen beruht: Beim letzten Job handelt es sich um den so genannten „Hatton Garden Raub“, bei dem zu Ostern 2015 ein Bankdepot mit hunderten Schließfächern voller Bargeld, Schecks und Juwelen mitten im Herzen des Londoner Juwelen- und Bankenviertels ausgeraubt wurde. Das Drehbuch von Joe Penhall beruht auf einem intensiv recherchierten Artikel (The Over the Hill Mob), die der Journalist Mark Seal im März 2016 in der Zeitschrift Vanity Fair veröffentlichte.

Was Seal über die Vorgehensweise beschrieben hat, ist im Presseheft des Filmverleihers Studiocanal abgedruckt – und so unglaublich simpel wie dreist, dass ich es etwas ausführlicher zitieren möchte: Nachdem die Gangster sich Zugang in den Hof und die Flure des Gebäudes verschafft hatten, drangen mehrere der Beteiligten durch einen Aufzugsschacht in das Hatton Garden Safe Deposit Company ein, wo sie die Alarmanalagen und die Überwachungskameras kappten. „Um Löcher in die Wand des Tresorraums bohren zu können, setzten sie einen leistungsstarken Spezialbohrer mit Diamantspitze (!) ein, der Stein und Beton durchdringen konnte. 667 Umdrehungen pro Minute waren möglich, Überhitzung wurde durch ein Wasserkühlsystem verhindert. Wie sie mit diesem Kernbohrer umgehen mussten, lernten die Bandenmitglieder auf YouTube (!). Ihr Plan war, ein 25x45 cm großes Loch zu bohren, damit jemand, der klein und schmal war, in der Lage wäre, sich durch das Loch zu zwängen.“ Zwei aus der Bande taten das und „brachen dann 72 Schließfächer auf und füllten Taschen“ mit Juwelen und Geld, das sie in Mülltonen versteckten und später wegfuhren.

Die Vorbereitung und die Durchführung des Plans von Reeder & Co wird im Film recht zügig geschildert, wobei das Drehbuch mehrfach recht amüsante Scherze aus dem Umstand gewinnt, dass die Bandenmitglieder, die sämtlich über 60 oder gar 70 Jahre alt waren (insgesamt kam die Bande auf 448 Lebensjahre) zwar viel Erfahrung und Chuzpe mitbringen, aber aufgrund ihrer Altersgebrechen auch Risikofaktoren sind. Da sich das Drehbuch eng an die Tatsachen gehalten hat, ist davon auszugehen, dass die Rentnergang sich im Anschluss recht unvorsichtig verhalten hat. Wochenlang karrten sie die wertvolle Beute durch die Gegend und versuchten, sie bei Hehlern zu verticken, mit denen sie in der Vergangenheit bereits etliche Geschäfte gemacht hatten. Allerdings hatten die Herren mit den schwarzen Westen nicht bedacht, dass schon seit vielen Jahren an nahezu jeder größeren Kreuzung in London Videokameras installiert sind. Im Film werden die Ermittler aufgrund der vielen Stunden an Videobildern, die vom Ort des Geschehens gefilmt wurden, den Tätern recht schnell auf der Spur. Hinzu kommen Streitereien und Eifersüchteleien unter den Bandenmitgliedern, die ebenfalls zu einer raschen Aufklärung beitragen.

Es ist gut, dass Filmautor Penhall und Regisseur March diese heftigen Animositäten schildern bzw. ausführlich in Szene setzen, denn damit wird klar, dass es sich bei den alten Herren nicht um Gentlemen-Gauner, sondern skrupellose Verbrecher handelt. Allerdings fügt das Drehbuch die Parallelhandlungen der Polizeiermittlung und des Bandenkrieges nicht zu einer überzeugenden, runden zweiten Hälfte der Geschichte zusammen. Auch gelingt es zum Ende hin nicht mehr, Spannung und absurden Humor sich weiterhin ergänzen zu lassen. Das Spiel der legendären Schauspieler ist dennoch sehenswert und fängt diese Holperigkeiten zum teil auf. Aber leider eben nur zum Teil.



Ein letzter Job | (C) Studiocanal Germany

Max-Peter Heyne - 21. April 2019
ID 11364
Weitere Infos siehe auch: http://www.studiocanal.de/kino/ein_letzter_job


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