Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

DVD-Kritik

Feministische

Fantasien



Bewertung:    



Ophelia gehört den bekanntesten weiblichen Figuren der Literaturgeschichte, denen übel mitgespielt wird. Sie stammt aus dem Stück Hamlet von William Shakespeare, in dem sie als Tochter des königlichen Oberkämmerers Polonius aufwächst und den Prinzen Hamlet seit Kindertagen kennt. Shakespeare hat sie ziemlich ungenau gezeichnet, wir wissen fast gar nichts über ihren Hintergrund und können auch keine Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit ziehen. Es heißt, dass Prinz Hamlet Interesse an ihr hätte, aber als Thronfolger kann er keine Bürgerliche heiraten. Durch Machtintrigen wird Ophelia in den Wahnsinn und schließlich in den Selbstmord getrieben. Für Regisseure und Schauspielerinnen ist es seit Jahrhunderten eine Herausforderung, die undefinierte Ophelia mit Leben und Charakter zu füllen. Shakespeare war durchaus in der Lage, starke Frauen zu ersinnen, wie Lady Macbeth oder Cleopatra, Ophelia erfüllt dagegen nur die Funktion, als rechtlose, dem Einfluss und der Gewalt von männlichen Personen ausgesetzte Frau wie eine Schachfigur in einem Komplott herumgeschoben zu werden.

*

Der Film Ophelia der australischen Regisseurin Claire McCarthy geht auf das gleichnamige Buch der US-amerikanischen Autorin Lisa Klein zurück, das von ihrer Landsmännin Semi Chellas zu einem Drehbuch verarbeitet wurde. Die Ereignisse werden - frei erfunden - aus Ophelias (Daisy Ridley) Sicht gezeigt, die schon als Kind nicht verstand, warum sie nicht die selben Rechte wie ihr Bruder Laertes hat. Sie ist ein unbändiges Mädchen, das in den Blick der Königin Gertrude (Naomi Watts) gerät, die sich ihrer annimmt und sie zu einer Hofdame erziehen lässt. Nach dieser Vorgeschichte sind wir am Beginn des Dramas Hamlet von Shakespeare angekommen, das mit der Sichtung des Geistes von Hamlets verstorbenen Vater beginnt. Das ist der fulminante Einstieg in Shakespeare Tragödie, im Film hat Ophelia den Geist längst gesehen. Überhaupt hat sie ihre Nase überall drin, und schon die beginnende Affäre der Königin mit ihrem Schwager Claudius (Clive Owen) mitbekommen. Nach dem Tod des Königs Hamlet heiratet seine Witwe Claudius ohne Trauerzeit und ohne ihrem erwachsenen Sohn Hamlet die Gelegenheit zu geben, sich als Thronfolger zu bewerben. Im Königreich Dänemark herrscht eine Art Wahlrecht. Als Hamlet vom Geist seines Vaters erfährt, dass er von seinem Bruder ermordet wurde, wundert sich Ophelia kaum.

Während König Claudius und Königin Gertrude als Frischvermählte herumturteln, überlegt Hamlet (George MacKay), wie er sich verhalten soll. Als Sohn seines Vaters müsste er dessen Tod rächen, aber er hat keine Beweise für Claudius' Schuld. Stattdessen gehen Hamlet und Ophelia eine Liebesgeschichte ein, die starke Parallelen zu Romeo und Julia aufzeigt. Auch wenn der Verlauf des Shakespeareschen Dramas weitgehend eingehalten wird, entfernt sich die Geschichte immer weiter vom ursprünglichen Hamlet und wird zunehmend zu einem eigenständigen Werk, das über Ophelias Selbstmord hinausgeht.

Die düstere Atmosphäre spiegelt sich in der fantastischen Kameraführung von McCarthys Ehemann Denson Baker wider: viel Schatten, wenig Licht, dunkle Gänge und Ecken, viel Geheimnis, viel Neid und Missgunst auch bei den Hofdamen, insgesamt eine bedrückende Lage, in der Ophelia und Hamlet versuchen, ihr Glück zu finden. Wie bei Shakespeare ist alles zum Scheitern verurteilt. In diesem Film ist es nicht ganz so schlimm, es gibt ein hoffnungsvoll gestaltetes Ende, das aber sehr euphemistisch ist. Die Ausstattung und die Kostüme sind auf jeden Fall ein Hingucker.

Wenn sie real wäre, hätte Ophelia vielleicht davon geträumt, einmal die Titelheldin eines eigenen Dramas zu werden, das ihr wenigstens manchmal eigenes Denken und Handeln ermöglicht, sie in die Lage versetzt, um ihre Liebe zu kämpfen und sich zeitweise der Tyrannei zu entziehen. Am Ende nutzt das alles nichts. Die Frauen werden zwar ermächtigt und handeln, aber sie benutzen dabei die gleichen Mittel wie die Männer: Intrige, das Hantieren mit giftigen Tinkturen und sogar Landesverrat. Das ist durchaus realistisch, denn die Utopie einer Staatsform unter der konstruktiven Mitgestaltung von Frauen ist für das 17. Jahrhundert noch viel zu früh.




Ophelia (Daisy Ridley) und Königin Gertrude (Naomi Watts) im Frauengespräch | © Koch Films, Szenenfoto aus dem Film Ophelia

Helga Fitzner - 29. April 2020
ID 12199
Weitere Infos siehe auch: http://www.kochmedia-film.de/dvd/details/view/film/ophelia_dvd/


Post an Helga Fitzner

Dokumentarfilm

DVD

Filmkritiken

Neues deutsches Kino



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

FERNSEHFILME

HEIMKINO

INTERVIEWS

NEUES DEUTSCHES KINO

SPIELFILME

TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

UNSERE NEUE GESCHICHTE


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)