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73. BERLINALE

WETTBEWERB

Roter Himmel


Bewertung:    



Nach 2018 mit Transit und 2020, der letzten BERLINALE vor der Pandemie, mit Undine war Christian Petzold in diesem Jahr wieder mit einem Spielfilm im Wettbewerb des Festivals vertreten. Am Samstag bei der Preisverleihung erhielt der deutsche Regisseur mit dem Großen Preis der Jury (nach dem Regiepreis 2012 für Barbara) seinen zweiten Silbernen Bären. Roter Himmel ist Petzolds dritter Film mit der Schauspielerin Paula Beer und der zweite einer geplanten Trilogie über die Elementargeister der Deutschen Romantik. In Undine beschäftigte sich Petzold mit der Sage um die gleichnamige Wassernymphe, deren Geschichte er ins Berlin der Gegenwart verlegte. Roter Himmel lässt den Rückgriff auf Mythen von Luftgeistern vermuten. Personifiziert wird ein solches Geistwesen im Film aber nicht. Inspirieren lassen hat sich Petzold während einer Corona-Infektion Anfang 2020 von Shakespeares Sommernachtstraum aber auch französischen und amerikanischen Filmen, in denen es vorwiegend um Erlebnisse von Menschen in den Sommermonaten geht. Herausgekommen ist ein für Christian Petzold zumindest in Teilen ungewöhnlich leichter und humorvoller Film.

Die Freunde Leon und Felix, gespielt von Thomas Schubert und Langston Uibel, fahren zu Beginn an die Ostsee ins Ferienhaus von Felix‘ Eltern bei Ahrenshoop. Während eines heißen Junis wollen sie hier ungestört an ihren Projekten arbeiten. Der Schriftsteller Felix schreibt an seinem zweiten Roman, dessen Manuskript er auf Anraten seines Verlegers überarbeiten soll. Felix muss eine Fotomappe zum Thema Wasser für seine Bewerbung an der UdK Berlin erstellen. Die beiden Freunde gehen dabei sehr unterschiedlich an ihre jeweilige Arbeit. Während Felix voller Tatendrang ist und bereits erste Idee entwickelt und dazu auch schnell Kontakt mit Menschen am Strand knüpft, ist Leon dagegen sehr angespannt und eher mürrisch. Immer wieder verweigert er sich mit der Feststellung, viel zu tun zu haben, allen gemeinsamen Aktivitäten wie schwimmen zu gehen oder das Dach zu reparieren.

Nachts kann Leon nicht schlafen, da es mit Nadja (Paula Beer), der Nichte einer Arbeitskollegin von Felix’ Mutter, unerwartet einen weiteren Ferienhaus-Gast gibt. Nadja jobbt für ein Hotel als Eisverkäuferin und hat im Nachbarzimmer hörbar guten Sex mit dem Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs). Die aufgeschlossene junge Frau erweckt zunehmend das Interesse von Leon, obwohl er sich ziemlich ungeschickt und zunächst auch abwehrend gegenüber Nadja verhält. Das Quartett der jungen Leute wird nach einem gemeinsamen Abendessen neu gemischt, da nun Felix und Devid im Nebenzimmer zu Gange sind. Mit der ungewohnten Situation und dem Druck, der auf dem an sich zweifelnden Jungschriftsteller lastet, kann Leon nicht umgehen. Das bevorstehende Treffen mit seinem Verleger (Matthias Brandt), der für die Korrekturen am Roman anreist, macht ihn nervös.

Dabei kommt es schließlich zur Konfrontation mit der Wahrheit, dass Leons Romanstoff einfach nichts taugt. Angeblich hat sich Petzold hier ganz unbewusst als unsicherer junger Künstler selbst portraitiert. Der Regisseur gibt ja immer wieder gern und viel Auskunft zu Hintergrundwissen um seine Filme. Es geht ihm hier aber auch die romantische Ader etwas zu weit auf. Nachdem Nadja als angehende Literaturwissenschaftlerin mit Promotionsthema Lyrik von Heinrich Heine geoutet ist, rezitiert sie von allen bewundert Heines Gedicht Der Asra. Dass sich das unerfüllte Liebesstreben eines Sklaven zu einer Sultanstochter auch auf die Beziehung Leons zu Nadja beziehen lässt, ist unschwer zu erahnen. Und auch das Künstlerego Leons ist dadurch schwer angekratzt.

Was wie eine seichte Sommerliebelei im Stil französischer Filme klingt, hat aber durchaus seinen Reiz. Licht und Dunkel, Heiteres und bedrohlich Scheinendes wechseln sich beständig ab. Atmosphärisch verstärkt wird das durch Wind in den Blättern, nächtliche Tiergeräusche oder den immer wieder eingespielten sehr eingängigen Song In My Mind der österreichischen Band Wallners. Die Dialoge sind relativ kurz gehalten. Bis auf eine längere intime Anekdote, die der Rettungsschwimmer Devid der Abendgesellschaft erzählt. Christian Petzold beweist hier einen guten Sinn für Humor. Er zieht aber auch eine ernste zweite Ebene in den Film ein. Bedrohlich fliegen immer wieder Hubschrauber über das Haus am Rande des Waldes. Es sind Meldungen über 30 Kilometer entfernte Waldbrände im Umlauf. Eines Abends sehen die vier vom Dach des Hauses den leuchtend roten Himmel über den brennenden Wäldern. Und irgendwann regnet es sogar Asche.

Petzold nutzt das Element des Feuers aber nicht nur als Beleg für bevorstehende Umweltkatastrophen, die Pflanzen, Tiere und Menschen bedrohen, sondern auch als Schicksalselement, das dem Plot zwar eine etwas tragische Wendung gibt, aber auch eine sehr romantische Volte schlägt und dem verhinderten Genie Leon doch noch zu einem neuen Romanstoff verhilft. Womit ihm das offene Ende für einen Petzold-Film tatsächlich etwas zu versöhnlich gerät. Interessant ist es aber schon, wie Petzold recht geschickt verschiedene Genre-Muster zu einem Ganzen verwebt. Der Regisseur auf den Spuren von Chabrol und Rohmer läutet damit vielleicht schon sein Alterswerk ein. Außerdem überzeugt einmal mehr Paula Beer als Frau mit Geheimnissen und auch Thomas Schubert, der die Unsicherheit und Abwehrhaltung Leons ohne viele Worte besonders mimisch ganz gut rüberbringt.



Roter Himmel | (C) Christian Schulz - Schramm Film

Stefan Bock - 28. Februar 2023
ID 14069
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinale.de


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